HR Today Nr. 10/2021: Berufsbildung – Traineeprogramme

Die Führungskräfte von morgen

Mit Trainee- und Entwicklungsprogrammen fördern Unternehmen Talente und rekrutieren künftige Fach- und Führungskräfte. Die Programmverantwortlichen von Nestlé, Novartis und Schindler über Traineeships und weshalb die Covid-19-Pandemie die Nachwuchsförderung nicht ausgebremst hat.

Weltweit sind über 190 Millionen Menschen arbeitslos, davon 70 Millionen junge Menschen, konstatiert die Internationale Arbeitsorganisation, eine Sonderorganisation der Vereinten Nationen, die sich auch für Arbeitsrechte stark macht. Um dieser Entwicklung gegenzusteuern, wurde 2019 die «Global Alliance for Youth» ins Leben gerufen, an der 10 Partnerfirmen in der Schweiz und weltweit mehr als 300 Unternehmen beteiligt sind. «Nestlé verpflichtet sich damit, in der Schweiz bis 2025 mehr als 2000 Jugendlichen unter 30 Jahren einen Praktikumsplatz, eine Lehrstelle oder eine erste Festanstellung zu verschaffen», erklärt Alexandra Dupont, Youth Manager bei Nestlé Schweiz. Nestlé ist nicht nur Partnerfirma, sondern hat mit der 2014 gestarteten Initiative «Nestlé needs Youth» auch zur Gründung der Allianz beigetragen. Der Beweggrund für dieses Engagement? «Gemeinschaften können nur gedeihen, wenn sie jüngeren Generationen Zukunftschancen bieten.»

Abseits der laufenden Nachwuchsförderungskampagnen bietet der Nahrungsmittelkonzern laut François-Xavier Pithon, Talent Manager bei Nestlé Schweiz, schweizweit eine Vielzahl von Ausbildungs- und Weiterbildungsprogrammen. Diese reichen von sechsmonatigen Praktika bis zum 18- bis 24-monatigen «Graduate-Trainee-Programm» für junge Universitätsabgänger. Programme, die diese auf künftige Führungsfunktionen vorbereiten: «In dieser Zeit durchlaufen Trainees die wichtigsten Tätigkeitsbereiche einer angestrebten Funktion. Bereits nach Praktikumsstart übernehmen sie verantwortungsvolle und abwechslungsreiche Aufgaben.» Daneben bietet Nestlé ein «3+1-Praktika» (3 Jahre Unterricht und 1 Jahr Praktikum) für Schülerinnen und Schüler, die an einer Handels- oder Wirtschaftsmittelschule studieren. «So sammeln Jugendlichen erste Berufserfahrungen und erlangen danach das kaufmännische eidgenössische Fähigkeits­zeugnis», erklärt Pithon. Relativ neu bei Nestlé seien die insgesamt zwölf «Forschungs- und Entwicklungs­acceleratoren». In diesen können junge Erwachsene unter 30 Jahren ­Co-­Working- ­Spaces, Prototyp-Küchen und Mini-Produktionsanlagen nutzen, um ihre Forschungsprojekte voranzutreiben.

Schweiz für Traineeprogramme besonders interessant

Auch das Pharmaunternehmen Novartis und das Aufzugsunternehmen Schindler bieten jungen Talenten zahlreiche Praktika und Trainee­programme. Nicht alle zielen auf dieselben Nachwuchskräfte ab: So unterscheidet Novartis beispielsweise zwischen Trainee- und Entwicklungsprogrammen. «Mit den Traineeprogrammen sprechen wir Bachelor- und Master-Absolventen an, deren Abschluss nicht länger als zwölf Monate zurückliegt, sowie Postdoktoranden, die ihr Doktorat vor weniger als zwei Jahre abgeschlossen haben», erklärt Markus Reinelt, Head Early Talents Switzerland. Die Novartis-Entwicklungsprogramme richten sich dagegen an Young Professionals, die ihr Studium vor über einem Jahr und längstens vor vier Jahren beendeten. Haben Trainees ihr Programm abgeschlossen, steht einer Festanstellung oder einer internationalen Karriere nichts mehr entgegen. Diese Traineeships sorgen bei Novartis auch für eine volle «Nachwuchskräfte-Pipeline»: «Wir verhelfen jungen Talenten damit nicht nur zum Karriereeinstieg, sondern identifizieren frühzeitig junge Talente, die später Fach- und Führungspositionen einnehmen.»

Ähnliche Ziele verfolgt Schindler. «Studienabgänger arbeiten oft vor ihrem Studienabschluss bei uns. So können sie das Unternehmen kennenlernen und ihre Studienarbeiten mit Praxisbeispielen anreichern», erklärt Heike Henfling, Head HR Talent & Development. Daneben absolvieren sie die für das Studium erforderlichen Praktika und arbeiten bis zum Masterabschluss im Teilzeitpensum in unserem Unternehmen.» Daneben hat der Aufzughersteller mit dem «Schindler Career Development Program» ein sechs Jahre dauerndes internationales Entwicklungsprogramm für angehende Führungskräfte geschaffen: «Talente machen sich mit Jobrotations für erste Führungspositionen fit.»

Während Nestlé und Novartis auf nationaler Ebene viele Traineeprogramme bieten, fehlen ihnen internationale Programme. Doch woran liegt das? «Internationale Traineeprogramme sind aufgrund der Bewilligungen recht aufwendig», begründet Markus Reinelt von Novartis. «Gäbe es im internationalen Umfeld einfachere Bewilligungsverfahren, könnten wir mit Ländern wie den USA, China oder anderen europäischen Ländern besser kooperieren und internationale Berufsprogramme etablieren.»

Virtuelle Messen und WhatsApp-Schnuppertage

Die Covid-19-Pandemie bremste die Traineeprogramme bei Novartis teils aus. Nestlé Schweiz stellte im Herbst 2020 indes über 100 neue Auszubildende und Praktikanten an. Auch bei Schindler kam die Nachwuchsförderung nicht zum Erliegen. «Allerdings haben wir unsere Rekrutierungsprozesse umgestellt», erklärt Heike Henfling. «Empfingen wir Kandidaten und Kandidatinnen bisher an Hochschulanlässen an einem Messestand, legten wir unseren Fokus während der Pandemie vermehrt auf virtuelle Karriere-Events wie WhatsApp-Schnuppertage oder Anlässe, bei denen wir Kandidatinnen und Kandidaten auf Speed-Meeting-Plattformen antrafen.» Ob online oder offline: Auch bei diesen Formaten sollten Bewerbende Schindler so erleben, wie das Unternehmen tickt.

Die Ansprüche an künftige Trainees sind gemäss Phiton bei Nestlé hoch: «Obschon viele Fähigkeiten lernbar sind, müssen Auszubildenden akademische Anforderungen für den jeweiligen Job mitbringen.» Bei Novartis variieren diese aufgrund der unterschiedlichen Bereiche wie Forschung, Entwicklung, Regulatory Affairs oder Finanzen. Auch beim Pharmariesen zählen vor allem das Engagement und die persönlichen Eigenschaften bei der Rekrutierung eines Trainees. Das ist auch Schindler wichtig: «Trainees müssen die Werte des Unternehmens mittragen.» Etwa Team Play, Sicherheits- und Qualitätsbewusstsein und einen Mehrwert für den Kunden schaffen, sagt Heike Henfling. «Während ihres Studiums sollten sie sich zudem mit Themen befassen, die in unserem Umfeld wichtig sind: etwa urbane Mobilitätslösungen und Technologien in einem sich ständig ändernden Umfeld, Nachhaltigkeit, Expansion in strategisch interessante Märkte oder effiziente Prozesse und Strukturen.» In einem Punkt sind sich Nestlé, Schindler und Novartis einig: Traineeprogramme haben eine Zukunft.

Nestlé Schweiz: Trainee Success Story von Andri Niggli, Junior Brand Manager Nestlé Schweiz

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Nach seinem Bachelor in Betriebswirtschaft an der Universität Zürich absolvierte der 29-jährige Andri Niggli ein Masterstudium in Business Management an der Universität St. Gallen. Im Frühjahr 2019 startete er sein Graduate-Traineeprogramm in drei jeweils acht Monate dauernden Zeitabschnitten. Zunächst im Aussendienst in der Region Zürich Ost, danach im Commercial Development für Multibrand-Promotionen. Es folgten Tätigkeiten im Marketing bei Nestlé Health Science. Seit Februar 2021 ist Niggli Brand Manager in der Business Unit Food und verantwortet dort die Schweizer Markeneinführung des neuen Brands Mezeast, der das Potenzial der orientalischen Küche ausschöpfen soll. Für Niggli ein Höhepunkt seiner bisherigen Tätigkeit bei Nestlé: «Nun kann ich alle Elemente des Brand-Managements anwenden – von der Portfoliozusammenstellung und der Pricing-Strategie über die Businessplan-Analyse und Kundenpräsentation bis zur Kommunikationskampagne.»

 

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Christine Bachmann ist stellvertretende Chefredaktorin von HR Today. cb@hrtoday.ch

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