HR in KMU

«Die Rekrutierung in KMU ist professioneller geworden»

Gute Nachrichten: Das HR in KMU professionalisiert sich. 
Hochqualifizierte Arbeitnehmer interessieren sich immer mehr für die «Kleinen» und «Mittleren». Urs Fueglistaller, Direktor des Schweizerischen Instituts für KMU, zu Stärken, Schwächen und Trends rund um das HR in KMU. 

Herr Fueglistaller, KMU sind der tragende Pfeiler der Schweizer Wirtschaft. Was macht sie aus?

Urs Fueglistaller: KMU sind ein tragender Pfeiler; es gibt auch noch andere, zum Beispiel Grossunternehmen oder die gute Zusammenarbeit zwischen Gross und Klein oder zwischen Arbeitgeber und -nehmer. Doch KMU haben eine familiäre Struktur und bieten Mitarbeitern die Möglichkeit zu hoher Selbstentfaltung dank grosser Verantwortung, Entscheidungskompetenz und Flexibilität. Es besteht nicht nur zu den Kollegen, sondern auch zum Unternehmer ein enger Draht. Und nicht selten gewähren KMU fünf Wochen Ferien.

Was unterscheidet das HR in KMU von jenem in Grossunternehmen?

Es gibt qualitative und quantitative Kriterien. Bezüglich Quantität sind KMU nicht nur kleiner, sie haben auch weniger Hierarchiestufen als Grossunternehmen. Oft sind es deren drei, und in der zweiten Stufe, im Mittelmanagementbereich, ist man dann zum Beispiel die rechte Hand des Chefs, weiss aber, dass die oberste Ebene besetzt ist: Wenn der Chef geht, rücken die Söhne oder Töchter nach. Der ganze Karrierebereich mit Beförderungswegen und Förderungsprogrammen ist also viel weniger ausgeprägt. Zudem liegen die Kosten fürs HR prozentual tiefer. Interessant werden die Unterscheidungsmerkmale aber bei den quantitativen Kriterien.   

Wie sieht es dort aus?

Bei den Grossen sind im HR Profis am Ruder. Sie haben studiert und verfügen oft über internationale Erfahrung, kennen unterschiedliche Kulturen. Bei den KMU dagegen haben nur die grösseren Betriebe eine HR-Abteilung mit einer oder mehreren Personen. In den kleineren dagegen werden HR-Aufgaben oft nebenbei gemacht, sei es vom Chef selbst, sei es von einer Person, die «es gut mit Menschen kann», wie es oft heisst. Je nachdem haben diese Leute zwar eine grosse Erfahrung, aber nicht die internationale Professionalität. 

Braucht das ein kleines Unternehmen denn wirklich?

Nicht zwingend. Aber es braucht ein grosses Wissen und viel Verständnis für die Mitarbeitenden. Und das Bewusstsein, dass HR immer ein Dienstleister ist, der den Menschen dienen soll, statt sie zu bremsen. Konkret hat die HR-Stelle zwei Funktionen: Fördern und Fordern. Und da gibt es beträchtliche Unterschiede. KMU mit drei HR-Stellen haben natürlich andere Möglichkeiten als die Ehefrau des Patrons, die das HR im 20-Prozent-Pensum erledigt. Wobei es in beiden Fällen möglich ist, den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen.

Zur Person

Prof. Dr. Urs Fueglistaller ist Direktor des Schweizerischen Instituts für Klein- und Mittelunternehmen (KMU-HSG) und Ordinarius für Unternehmensführung mit besonderer Berücksichtigung kleiner dynamischer Unternehmungen an der Universität St. Gallen. Seine Fach- und Forschungsbereiche: KMU, Entrepreneurship, Family Business, Dienstleistungsmanagement.

Nachfolgeplanung und Rekrutierung sind zentrale Themen für das HR. Welche Entwicklungen sind hier zu beobachten?

Die Rekrutierung in KMU ist in den letzten Jahren professioneller geworden. Vorselektionen im Sinne von «Der sieht sympathisch aus auf dem Foto, den laden wir ein» gibt es immer weniger. Man geht heute mehr in die Tiefe. Und man hat gemerkt, dass man auch einmal mit einem externen Partner zusammenarbeiten darf. Ein solcher kann den KMU zeigen, wie sie beim Rekrutierungsprozess professionell vorgehen, kann die Verantwortlichen entsprechend trainieren. Wichtig ist, dass die Mannschaft in den Rekrutierungsprozess einbezogen und auf die neue Person vorbereitet wird. 

Aber es ist trotzdem so, dass KMU mehr Mühe haben, gute Leute zu finden als Grossunternehmen mit bekannten Namen?

Wir beobachten einen Trend: Studenten beziehungsweise Akademiker realisieren immer mehr, dass KMU interessante Arbeitgeber sind. Ich sehe die Hindernisse eher auf der Gegenseite, bei den KMU selbst.

Warum?

Viele Unternehmer, manchmal auch die ganze GL eines Betriebs, sind gestandene Leute mit Lehre, Meisterprüfung und Karriere auf ihrem Beruf. Sie haben oft noch das Klischee im Kopf: Wir brauchen nicht Akademiker, sondern Praktiker. Dabei gibt es diesen Unterschied gar nicht. Jeder in einer Firma ist automatisch ein Praktiker. Wenn wir einem Unternehmer raten, für die Stelle des Finanzchefs eine ausgewiesene Akademikerin zu prüfen, müssen wir Überzeugungsarbeit leisten, dass Leute mit Hochschulabschluss durchaus sehr praktisch orientiert und dazu noch gut im strukturierten Denken sind.

Warum wollen Akademiker mit Grossbetriebs-Hintergrund in KMU?

Weil sie dort nicht ein Nümmerchen sind. Und sie tragen oft mehr Verantwortung als vorher im Grossunternehmen. Eine Hürde, die zugegebenermassen existiert: Wer aus einem Konzern kommt, zuckt in der Regel beim Bewerbungsgespräch zusammen, wenn der Lohn genannt wird. Der ist bis zu 20 Prozent tiefer, oft gibt es keinen Bonus und keine Fringe Benefits. Doch wenn diese Hürde genommen wird, dann arbeiten ehemalige Grossunternehmensmitarbeiter sehr gerne bei Kleinen. Das ist eine grosse Chance!

Sie haben vorhin das Outsourcing angesprochen. Wann ist das aus Ihrer Sicht sinnvoll?

Für die Bereiche Weiterbildung, Coaching und betriebliches Gesundheitsmanagement sollten sich KMU einen Partner suchen. Gerade bei einer Sinnkrise oder einem Burnout von Mitarbeitenden ist es wichtig, externe Hilfe in Anspruch zu nehmen. Eine individuelle Betreuung bei psychischen Problemen kann ein Unternehmer, der ständig das Wohl aller Mitarbeitenden im Blick haben muss, nicht stemmen. Ich kenne eine Firma, da gab es einen tödlichen Unfall. Die Mitarbeitenden wollten helfen, manche standen unter massivem Schock. Die Polizei kam und nahm der Firma die Entscheidung bezüglich externer Hilfe ab, indem sie – aus meiner Sicht absolut richtig – suggestiv fragte: «Wir lassen ein Care-Team aufstellen, das ist Ihnen sicher recht?»

HR-Stolpersteine in KMU

Viele HR-Fragen stellen sich in KMU gleich wie in Grossbetrieben. Doch es gibt Unterschiede. Urs Fueglistaller nennt die wichtigsten Stolpersteine für KMU:

  • 
Wird das HR als «Nebenamt» wahrgenommen, geht oft vergessen, welch wichtige Rolle es spielt. Personalmanagement ist eine tägliche Aufgabe! Sogar in Firmen, wo HR institutionalisiert ist, wird der Dienstleistungscharakter gegenüber den Mitarbeitenden oft vernachlässigt.
  • 
Lohnstrukturen sind meist über Jahre gewachsen und selten einheitlich. Löhne sollten grundsätzlich gemäss dem goldenen Dreieck der Lohngerechtigkeit gestaltet werden: Fähigkeiten, Mitarbeitergefüge, Markt.  
  • 
Leistungslohn und Bonussysteme wollen gut bedacht sein. Denn viele KMU versuchen in Krisenzeiten ihre Leute zu behalten. Um sie nicht zu verärgern, bezahlen sie auch in schlechten Jahren einen Bonus, weil die Mitarbeitenden von den guten Jahren her darauf zählen – obwohl sich der Betrieb das gar nicht leisten kann. Die Alternative: Mitarbeitende mit besonderem Leistungsausweis punktuell belohnen, auch einmal spontan, etwa mit einer Einladung zum Nachtessen – zusammen mit der Unternehmerfamilie.
  • 
Kritisch ist, wenn sich eine Firma nicht um  Weiterbildung kümmert. Das HR sollte Kontakt mit Weiterbildungsinstituten halten, um bezüglich Markt und Angeboten up to date zu bleiben.
  • 
Teams schaffen es oft sehr gut, leistungsschwache Mitarbeitende mitzuziehen und deren Schwächen gegen oben zu kaschieren. Für KMU kann das gefährlich werden, weil in das «Ausbügeln» eines Mankos viel Zeit investiert werden muss. Das Rezept fürs HR: genau hinschauen.
  • 
Kommt die Chefin immer als Erste und geht als Letzte? Vorgesetzte sollten Vorbild für «gesundes» Arbeiten sein. Menschen brauchen Ferien, der Körper sollte nicht vernachlässigt werden. Personalverantwortliche sollten dafür ein Bewusstsein schaffen – und wiederum genau hinschauen und auch nachfragen, etwa wenn jemand ständig mit Augenringen ins Büro kommt.
  • 
Schlecht über Dritte reden ist schlechter Stil. Ein Chef sollte sich bewusst machen, dass er die Mitarbeiter – und Kunden – hat, die er verdient. Muss etwas Negatives auf den Tisch, dann unter vier Augen (oder unter sechs, mit dem Personalverantwortlichen). Wenn Vorgesetzte klar kommunizieren, dass sie nicht über andere herziehen, hat das eine positive Wirkung auf die Mannschaft. Denn unsere Sprache ist ein Spiegel unserer Werte.

Bitte geben Sie mir Ihre Meinung zu den folgenden Behauptungen: Je kleiner der Betrieb, desto grösser der Einfluss der Chefin auf Personalfragen.

Stimmt.

In KMU wird dem HR weniger Bedeutung zugemessen als in Grossbetrieben. 

Das lässt sich nicht pauschalisieren. Vor allem aber verdienen die Mitarbeitenden das vorher erwähnte Fördern und Fordern. Und zwar unabhängig von der Grösse des Betriebs.

Je professioneller die HR-Arbeit in KMU, desto mehr Erfolg.

Ich würde es so sagen: Je professioneller 
die HR-Arbeit, desto grösser ist die Chance auf Erfolg.

Was möchten Sie den HR-Verantwortlichen in KMU mit auf den Weg geben?

KMU haben einen Riesenvorteil: Sie können gegenüber Kunden schnell reagieren. Gegenüber den Mitarbeitenden müssen sie dies ebenfalls tun: HR-Leute in KMU sind nahe an den Leuten, sie sollten genau hinschauen und sagen, wenn ihnen etwas auffällt. Oft intervenieren die HR-Verantwortlichen nicht sofort, obwohl sie spüren: Da läuft doch etwas. Etwa wenn jemand längere Zeit schlecht gelaunt ist oder öfter eine Absenz hat oder auch bei Mobbing. Da muss eingegriffen werden. Genauso im positiven Fall: Der Chef oder die Personalverantwortliche sieht, welche Leute besonders viel leisten, und sollte dafür auch einmal ein Kompliment aussprechen. Besonders gut kommt an, wenn der Verantwortliche am Arbeitsplatz selbst vorbeischaut, zum Beispiel auf der Baustelle, er «Danke» sagt und dem Betreffenden damit einen tollen Start in den Arbeitstag beschert. Das gehört im HR eben auch zur Förderung. 

Literatur und Links

  • Forschung am Schweizerischen Institut 
für Klein- und Mittelunternehmen, Universität St. Gallen (KMU-HSG):
  • www.kmu.unisg.ch => Forschung
  • Urs Fueglistaller, Frank Halter, Alexander Fust: KMU-Führungskompetenz. Unternehmerisches Agieren und Gestalten in Bewegung (Reader). 2., überarbeitete Auflage. 
KMU Verlag HSG, 2013. 116 Seiten.
  • Urs Fueglistaller, Roger Tinner, Walter Weber: Fit für den KMU-Alltag. 7x3 Fragen und Antworten zur erfolgreichen Unternehmensführung. KMU Verlag HSG, 2012. 144 Seiten.
  • Beide Publikationen können bezogen werden via kmu.unisg.ch => Forschung => Publikationen.
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Franziska Meier ist Redaktorin und Produzentin mit langjähriger Erfahrung im Zeitungs- und Zeitschriftenbereich. Als Chefredaktorin des Magazins «fit im job» sowie als Fachredaktorin der Zeitschrift «HR Today» hat sie sich auf das Thema «Mensch, Arbeit & Gesundheit» spezialisiert. Zu ihren journalistischen Schwerpunkten gehören insbesondere Persönlichkeitsentwicklung, Coaching, Stressprävention und betriebliches Gesundheitsmanagement. Achtsamkeit praktiziert sie manchmal im Schneidersitz, öfter jedoch auf ihren Spaziergängen rund um den Türlersee.

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