HR Today Special 2019: BGM – Körper und Geist

Flexibilität hat viele Facetten

Immer mehr Mitarbeitende arbeiten zeitlich und örtlich flexibel. Damit sich die Flexibilität positiv auf die Gesundheit auswirkt, braucht es eine dialogorientierte Führungskultur mit klaren Abmachungen sowie Selbstführung.

Wochen-, Monats- und Jahresarbeitszeitmodelle mit Spielräumen bei den täglichen Anfangs- und Endzeiten sind in Schweizer Unternehmen weit verbreitet und seit vielen Jahren etabliert. Neue Technologien, veränderte Bedürfnisse der Arbeitnehmenden, globale Konkurrenz, technische Beschleunigung und die gestiegenen Kundenerwartungen verlangen mittlerweile von immer mehr Unternehmen und deren Mitarbeitenden nicht nur eine zeitliche, sondern auch eine örtliche Flexibilität.

«Unter dem Begriff mobil-flexibles Arbeiten versteht man, dass nicht nur im Stammhaus, sondern auch an anderen Orten sowie zu unterschiedlichsten Arbeitszeiten gearbeitet werden kann», erklärt Professor Andreas Krause, Dozent und Experte für Arbeit und Gesundheit an der FHNW und Co-Autor des Berichts «Betriebliches Gesundheitsmanagement – Grundlagen und Trends» von Gesundheitsförderung Schweiz.

Erzwungene Flexibilität macht krank

Dass die zeitliche und örtliche Flexibilität bei Arbeitnehmenden zugenommen hat, zeigt auch die für die Schweiz repräsentative Flex-Work-Studie aus dem Jahr 2016: Rund 38 Prozent der Erwerbstätigen arbeiten hierzulande nicht nur im Stammhaus, sondern anteilig auch an anderen Orten, wie z. B. im Homeoffice oder unterwegs. Dabei zeigte sich gegenüber 2014 eine signifikante Zunahme beim Arbeiten von unterwegs und draussen.

Freiheiten bei der Wahl von Arbeitsort und -zeit bieten Unternehmen und Mitarbeitenden einige Vorteile, führen aber nicht zwingend zu gesundheitsförderlichen Arbeitszeiten. Daher stellt sich sehr rasch die Frage, wie Mobil-Flex-Arbeit gestaltet werden soll, damit die positiven Auswirkungen auf die Gesundheit überwiegen. «Es muss unbedingt zwischen Flexibilität, die kapazitätsorientiert vom Betrieb eingefordert wird, und Flexibilität, die vom Mitarbeitenden gesteuert werden kann, unterschieden werden», betont Krause. Während erstere tendenziell negativ empfunden wird, ist letztere eher positiv konnotiert.

Mitgestaltung macht gesund

Damit die Mobil-Flex-Arbeit positive Auswirkungen auf die Gesundheit und die Leis­tungsfähigkeit hat, sind die Gestaltung guter Rahmenbedingungen sowie die Förderung der notwendigen Kompetenzen bei den Mitarbeitenden und deren Führungskräften unabdingbar. «In vielen Schweizer Unternehmen ist Mobil-Flex-Arbeit noch die Ausnahme und nicht die Regel. Gerade in der frühen Phase einer Veränderung sind daher schriftliche Leitsätze zur Orientierung notwendig», erläutert Experte Krause. Optimal ist eine Kombination aus strategischer Positionierung der Firmenleitung («Policy»), die den Willen zur Förderung flexibler Arbeitsformen sichtbar macht, und Regelungen zur Zusammenarbeit, die in Abteilungen und Teams konkretisiert werden («Team Charta», z. B. um formelle Treffen und informellen Austausch sicherzustellen oder zur Erreichbarkeit im Homeoffice).

Schlecht ausgestaltete Mobil-Flex-Arbeit, erklärt Krause, geht mit längerer Arbeitszeit, nur begrenzt planbaren Arbeitszeiten, Konflikten zwischen Arbeit und Privatleben sowie stärkerer Erschöpfung einher. Folgende Massnahmen können den Wandel in Richtung gesundheitsförderlicher Mobil-Flex-Arbeit unterstützen:

  • Schriftliche Vereinbarungen zur Umsetzung flexibler Arbeitsmodelle in einzelnen Abteilungen bzw. Teams (als Ergänzung zu einer Policy für das Gesamtunternehmen).
  • (Büro-)Raumgestaltung, die Passung verschiedener Tätigkeiten und jeweiliger Arbeitsorte sicherstellt.
  • Führungskräfte befähigen, Eigeninitiative und störungsfreies Arbeiten im Team zu fördern sowie eigenes Führungsverhalten zu reflektieren (z. B. über kollegiale Beratung).
  • Klarheit schaffen, wie Ziele fortlaufend ausgehandelt und so festgelegt werden, dass die Umsetzung realistisch ist (z. B. alle zwei bis vier Wochen zwischen Führungskraft und Mitarbeitenden oder sogar innerhalb selbstorganisierter Teams).
  • Schulungen zur Selbstorganisation, die u. a. die eigenständige Grenzziehung zwischen Arbeit und Privatleben, das Abschalten durch Freizeitgestaltung sowie die Reflektion, welche Tätigkeit an welchem Ort besonders gut erledigt werden kann, fördern.
  • Frühwarnsysteme etablieren, die sicherstellen, dass Entgrenzung und gesundheitskritische Verhaltensweisen, wie arbeiten im Urlaub oder bei Krankheit, zum Vorschein kommen und angesprochen werden.
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Sandra Escher Clauss ist freie Journalistin.

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