Arbeit und Recht

Fristlose Entlassung aufgrund illegal beschaffter Beweise nicht gerechtfertigt

Urteil des Bundesgerichts vom 17. Januar 2013 (8C_448/2012)

Das Urteil

Der Kläger war seit 1985 in einer Zivilschutzorganisation, zuletzt als Ausbildungschef und stellvertretender Kommandant, tätig. Seine Arbeitgeberin liess im Sommer 2009 auf einen Verdacht hin seinen Computer über einen Zeitraum von gut drei Monaten mittels einer Spysoftware überwachen. Dabei stellte sich heraus, dass der Kläger  von 8297 Minuten seiner Arbeitszeit, die er am Computer verbrachte, 5863 Minuten privaten Tätigkeiten widmete. Er surfte auf Online-Tageszeitungen, sozialen Netzwerken, schaute sich Filme an, griff auf sein E-Banking zu, schrieb private Nachrichten und erledigte Arbeiten im Zusammenhang mit seinem Mandat als Stadtrat. Das Überwachungsprogramm erstellte in regelmässigen Abständen Bildschirmfotos, so dass die Arbeitgeberin auch vom Inhalt der besuchten Webseiten und der elektronischen Post Kenntnis nehmen konnte. Diese Inhalte waren teilweise nicht nur privat, sondern streng vertraulich und unterstanden, soweit sie die Funktion des Arbeitnehmers als Stadtrat betrafen, dem Amtsgeheimnis. Als die Arbeitgeberin aufgrund der Ergebnisse der Überwachung das Arbeitsverhältnis fristlos kündigte, reichte der Arbeitnehmer Klage ein.

Sowohl das Verwaltungsgericht des Kantons Tessin als auch das Bundesgericht sahen in der von der Arbeitgeberin eingesetzten Spyware eine unzulässige Überwachung des Arbeitnehmers und damit einen Verstoss gegen Art. 26 Abs. 1 der Verordnung 3 zum Arbeitsgesetz, wonach Überwachungs- und Kontrollsysteme, die das Verhalten der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz überwachen sollen, nicht eingesetzt werden dürfen. Die Gerichte hielten fest, dass die Arbeitgeberin zwar ein legitimes Interesse daran hat, dass Internet und E-Mail nicht übermässig für private Zwecke eingesetzt werden. Dies darf aber nicht dazu führen, dass der Arbeitnehmer in verbotener Weise ausspioniert wird. Es gab keine Rechtfertigung für den Einsatz des Überwachungsprogramms. Um einen Missbrauch zu verhindern, hätten verhältnismässige Massnahmen wie beispielsweise die Sperrung gewisser Webseiten ausgereicht. Da die Überwachung unzulässig gewesen ist, können auch die entsprechend beschafften Beweismittel die fristlose Entlassung nicht rechtfertigen. Die Kündigung wurde deshalb aufgehoben.

Konsequenz für die Praxis

Der Eidgenössische Datenschutzbeauftragte hat einen Leitfaden über die Internet- und E-Mail-Überwachung am Arbeitsplatz erlassen. Darin ist detailliert beschrieben, wann eine Überwachung zulässig ist und wie dabei korrekterweise vorzugehen ist. Als Arbeitgeber sollte man sich bewusst sein, dass eine unzulässige Überwachung des Arbeitnehmers eine widerrechtliche Persönlichkeitsverletzung darstellt, die einen Anspruch auf Schadenersatz begründen kann. Ausserdem ist eine Kündigung aufgrund einer unzulässigen Überwachung wie in oben genanntem Fall missbräuchlich. Zu guter Letzt könnten dem Arbeitgeber gar strafrechtliche Folgen drohen. Entsprechend teuer kann den Arbeitgeber eine unzulässige Überwachung eines Arbeitnehmers zu stehen kommen.

Kommentieren 0 Kommentare HR Cosmos

Yvonne Dharshing-Elser arbeitet als Anwältin in der Steuer- und Rechtsabteilung der OBT AG in Zürich. Sie berät vorwiegend KMU in Fragen des Arbeits-, Vertrags- und Gesellschaftsrechts.

Weitere Artikel von Yvonne Dharshing-Elser