Arbeit und Recht

Fristlose Entlassung wegen eigenmächtigen 
Ferienbezugs einer Lernenden

Urteil des Bundesgerichts vom 19. Dezember 2012 (4A_531/2012).

Das Urteil

Eine Lernende hatte mit dem Arbeitgeber und späteren Beklagten einen dreijährigen Lehrvertrag (August 2006 bis August 2009) als tiermedizinische Praxisassistentin abgeschlossen. Während der Dauer der Lehre blieb die Lernende mehrmals krankheitsbedingt der Arbeitsstelle fern, weil sie an einer Morgendepression litt. Dem Arbeitgeber teilte sie ihre krankheitsbedingten Abwesenheiten jeweils per SMS mit. Die entsprechenden Arztzeugnisse reichte sie, wenn überhaupt, mit Verspätung ein.

Den Höhepunkt erreichte dieses Verhalten im September 2008: Nachdem die Lernende über drei Wochen nicht mehr zur Arbeit erschienen war, verlangte der Arbeitgeber mit Schreiben vom 26. September 2008 ein Arztzeugnis. Er stellte überdies klar, dass er künftig eine Krankmeldung per SMS nicht mehr akzeptiere.

Daraufhin reichte die Lernende mit Schreiben vom 
30. September 2008 ein undatiertes Arztzeugnis für die Zeit vom 1. September bis 30. September 2008 ein. Sie teilte ausserdem mit, dass sie ihre vereinbarten Ferien beziehe und am 3. November wieder da sei. Tatsächlich hatten die Parteien allerdings nur Ferien vom 1. bis 21. Oktober vereinbart. Daraufhin kündigte der Arbeitgeber den Lehrvertrag fristlos.

Mit der fristlosen Entlassung war die Lernende nicht einverstanden und klagte deshalb im April 2009 ihren ehemaligen Arbeitgeber auf Zahlung von 26 000 Franken ein. Das Bezirksgericht Horgen sprach ihr 2345.55 Franken brutto zu. Dagegen erhob sie beim Obergericht des Kantons Zürich erfolglos Berufung. Anschliessend gelangte sie an das Bundesgericht. Sie machte primär geltend, sie sei vom Arbeitgeber nicht genügend abgemahnt worden und sie habe nicht eigenmächtig Ferien beziehen wollen, sondern sie habe telefonisch noch versucht, den Arbeitgeber zu erreichen, um ihm mitzuteilen, dass sie vom 
22. Oktober bis 3. November zu 50 Prozent arbeitsfähig sein werde.

Für das Bundesgericht war die Verwarnung des Arbeitgebers mit Schreiben vom 26. September 2008 jedoch hinreichend klar. Es stellte weiter fest, dass aufgrund des Wortlauts des Schreibens der Lernenden vom 30. September 2008 ebenfalls unmissverständlich gewesen sei, dass sie beabsichtige, ihre Ferien eigenmächtig bis zum 3. November zu verlängern. Es sei objektiv nachvollziehbar, dass unter diesen Umständen die Vertrauensgrundlage zwischen den Parteien derart erschüttert sei, dass dem Arbeitgeber nicht zuzumuten gewesen sei, das Arbeitsverhältnis bis zum Ende der Lehrzeit im August 2009 fortzusetzen. Deshalb habe der Arbeitgeber das 
Arbeitsverhältnis zu Recht fristlos aufgelöst.

Konsequenz für die Praxis

Die Gerichte sind in der Regel sehr zurückhaltend bei der Annahme einer gerechtfertigten fristlosen Entlassung. Deshalb tut auch der geduldige und grosszügige Arbeitgeber gut daran, im Zweifel lieber einmal früher als später abzumahnen, damit Entwicklungen dokumentiert sind. Wenn der Arbeitnehmer aber wie hier sein inakzeptables Verhalten gleich selbst schriftlich dokumentiert, erleichtert das die Beweislage.

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Yvonne Dharshing-Elser arbeitet als Anwältin in der Steuer- und Rechtsabteilung der OBT AG in Zürich. Sie berät vorwiegend KMU in Fragen des Arbeits-, Vertrags- und Gesellschaftsrechts.

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