Talentmanagement

Führungsentwicklung optimieren und zukunftsorientiert gestalten

Welche Herausforderungen stellen sich heute in der Führungsentwicklung und wie gestaltet sie sich künftig? 428 Personalverantwortliche aus der Schweiz, Deutschland und Österreich 
teilten hierzu ihre Ansichten und Erfahrungen im Rahmen 
des diesjährigen «St.Gallen Executive Education Survey» mit.

Aus betrieblicher Sicht ist die Führungskräfteweiterbildung doppelt wichtig: Einerseits stellt sie sicher, dass Führungskräfte die Fähigkeiten besitzen, die unternehmerischen Herausforderungen von morgen erfolgreich zu meistern. Andererseits verspricht die Weiterbildung von Führungskräften einen signifikanten Multiplikationseffekt: Führungskräfte fördern Verbesserungen bei den Mitarbeitern, die sie anleiten, coachen und entwickeln und tragen damit massgeblich dazu bei, dass Werte geschaffen und Risiken minimiert werden.

Potentiale und Hürden kennen

Dass hier Optimierungsmöglichkeiten bestehen, belegen die Einschätzungen der im Zeitraum März bis Juni 2013 mittels eines Web-Surveys befragten 428 Personalverantwortlichen: Nur ein Drittel der Personalverantwortlichen sieht das eigene Unternehmen als Spitzenreiter in der Führungskräfteweiterbildung und nur jede/r Fünfte ist der Überzeugung, dass das eigene Unternehmen das volle Potential bereits ausschöpft. Gleichzeitig stellt sich eine Reihe von Herausforderungen.

  1. Hürde: Beschränkte Ressourcen werden von den meisten Personalverantwortlichen als Hürde genannt. Dazu ein Befragungsteilnehmer: «Unsere Führungsentwicklung steht unter hohem Erfolgsdruck. Mit immer weniger Ressourcen im Sinne von Headcount und Budget sollen wir mehr leisten – eine nachhaltige Führungsentwicklung ist eine echte Herausforderung.»
  2. Hürde: Überraschend ist die Nennung funktional unterschiedlicher Entwicklungspfade als zweithäufigste Hürde. Führungskräfte mit Fachkarrieren lassen sich demnach nur unter erschwerten Bedingungen gemeinsam weiterentwickeln; es fehlt oft aufgrund der frühen Spezialisierung eine ausreichend breite Basis an geteilten Fähigkeiten und Wissen.
  3. Hürde: An dritter Stelle der meist genannten Hürden steht die unzureichende Abstimmung in verschiedenen Geschäftseinheiten.
  4. Hürde: Nichtvorhandensein einer übergeordneten und damit richtungsweisenden Lernarchitektur für lokale Interventionen.

Ziele klar definieren

Wie lassen sich diese Potentiale erschliessen und die Hürden überwinden? Die weiteren Studienergebnisse liefern hierzu Antworten: In Anbetracht beschränkter Ressourcen besteht auch bei der Weiterbildung von Führungskräften kein Raum für Fehlinvestitionen. Im Rahmen der Studie wurden Personalverantwortliche befragt, welche Ziele ihr Unternehmen mit der Weiterbildung von Führungskräften verfolgt, sowohl auf der unternehmerischen als auch individuellen Ebene. Das Resultat bei den unternehmerischen Zielen:

  1. Effizienz (steht deutlich an oberster Stelle)
  2. Innovation
  3. Wachstum
  4. Organisationaler Transformation.

Dieser Befund mag einerseits erstaunen, doch Themen wie Innovation und Wachstum sind insbesondere in westlichen, gesättigten Märkten wieder häufiger in den Medien und Unternehmensmitteilungen präsent. Andererseits ist Effizienz in Verbindung mit Liquidität und Profitabilität ein omnipräsentes Thema in Geschäftsleitungen. Viele Unternehmen haben die «Quick Wins» der Effizienz realisiert. Weitere Effizienzbemühungen hängen von den Mitarbeitern und deren Einstellung, Verhalten und Fähigkeiten ab und damit Führungskräften, die Effizienz nicht nur technisch verstehen, sondern auf der menschlichen Ebene vorleben und coachen. (s. Grafik 1)

Bei den individuellen Zielen der Führungskräfteweiterbildung steht Team-Management zuoberst, gefolgt von Selbst-Management und Organisations-Management. Dieses Resultat kann als Indiz für die häufig beschworene, aber sich meist nicht von selbst einstellende Kollaboration in und zwischen Teams interpretiert werden. Ob steile oder flache Hierarchien – die Komplexität in Organisationen hat zugenommen. Mit der Spezialisierung, Internationalisierung und Transformation in Unternehmen stellen sich neue Herausforderungen an Führungskräfte. Unterschiedliche Wahrnehmungen, Meinungen und Verhaltensmuster sind über Geschäftseinheiten, Funktionen und Geografien hinweg auf die unternehmerischen Ziele hin zu orchestrieren. Hier ist das Stärken von Kollaboration in und zwischen Teams eine wichtige Aufgabe von Führungskräften, wie ein Personalverantwortlicher erklärt: «Unsere Branche unterliegt einem sich intensivierenden Wandel aufgrund regulatorischer und marktspezifischer Kräfte. Führungskräfte auf allen Stufen müssen ausgeprägte Fähigkeiten entwickeln, um diese Transformation in ihren Bereichen einzuleiten und umzusetzen.»

Ressourcen gezielt einsetzen

Die zur Verfügung stehenden Ressourcen für die Weiterbildung sind beschränkt und stehen in regelmässiger Konkurrenz zu anderen Bereichen und Initiativen im Unternehmen. Wann gelangen interne Ressourcen zum Einsatz, wann externe Ressourcen? Nach Ansicht der befragten Personalverantwortlichen sind nachfolgende Motive für ihre Unternehmen ausschlaggebend. An oberster Stelle beim Einsatz interner Ressourcen steht das Adaptieren von Inhalten auf die unternehmensinternen Bedürfnisse. Ebenfalls wichtig sind das Setzen von unternehmensweiten Standards und das Multiplizieren von Inhalten innerhalb des gesamten Unternehmens. Im Verhältnis deutlich weniger wichtig sind das Einsparen von Kosten und das Erhöhen der internen Akzeptanz gegenüber Weiterbildungsmassnahmen. Die beiden letzten Punkte überraschen, lassen sich aber wie folgt interpretieren: Werden die Inhalte frühzeitig und in der Tiefe auf die internen Bedürfnisse wie Unternehmensziele, individuelle Ziele und die tatsächlichen Entwicklungslücken abgestimmt, so hilft dies, die interne Akzeptanz gegenüber der Weiterbildungsmassnahme und den damit verbundenen Kosten, zu erhöhen.

Beim Einsatz externer Ressourcen steht das Einbeziehen von externem Expertenwissen an vorderster Stelle. Mit einigem Abstand folgen die Hinterfragung des Status Quo, das Lösen von internen Kapazitätsengpässen, das Versuchen von Neuem und schliesslich die externe Zertifizierung. Die ist ein klarer Ausdruck der Suche nach Mehrwert und dem Schliessen von Kompetenzlücken mittels externen Ressourcen. Bei der bereits erwähnten Tendenz zur Internalisierung von Weiterbildungsmassnahmen besteht eine nicht unbegründete Gefahr der Wissens-Abschottung. Der gezielte Einbezug von externem Expertenwissen hilft, dies zu vermeiden. Die Zertifizierung steht interessanterweise an letzter Stelle. Eine mögliche Erklärung: Zertifizierungen sind insbesondere für den Einzelnen wichtig als Ausdruck des Erreichten und Stärkung des eigenen Marktwerts; aus unternehmerischer Sicht ist eine Zertifizierung dann wichtig, wenn sie hilft, organisationsweite Standards zu fördern.

Wirkung messen und kommunizieren

Nach Einschätzung der befragten Personalverantwortlichen steht als Messkriterium der Weiterbildung an erster Stelle die Leistung der Führungskraft im Tagesgeschäft. Weitere, als weniger wichtig eingestufte Kriterien sind das erfolgreiche Binden von Führungskräften, die Zufriedenheit der Führungskräfte und schliesslich die Reputation als Arbeitgeber respektive die «Employer Brand». Das Quantifizieren des finanziellen Return-on-Investment der Weiterbildung können nur die wenigsten (8 %); zwei Drittel der befragten Unternehmen stossen hier an Grenzen.

Bei der Messung und Demonstration der Wirkung von Massnahmen besteht folglich viel Optimierungspotential. Objektivere, quantifizierbare Messgrössen wären für Personalverantwortliche als Teil von Business Cases zur Entscheidungsfindung und als Ausweis der umgesetzten Massnahmen gegenüber der Geschäftsleitung von Vorteil. Denn: Die Frage, wo und wie Weiterbildungsmassnahmen die Geschäftsstrategie befördern und im Tagesgeschäft durch den Transfer des Erlernten Mehrwert erzeugen, wird immer häufiger gestellt. Je besser die Wirkung belegt und überzeugend aufgezeigt wird, umso eher besteht die Chance, Budgetentscheide und Zeithorizonte positiv zu beeinflussen und die Akzeptanz gegenüber den Massnahmen zu erhöhen.

Veränderungen identifizieren und entsprechend agieren

Wie wird sich die Weiterbildung von Führungskräften in Zukunft verändern? Hierzu beurteilten die befragten Personalverantwortlichen fünf Dimensionen ihres Aufgabenfelds für die kommenden drei Jahre. Entlang aller Dimensionen wird eine signifikante Zunahme erwartet: Bei der Bandbreite der Aktivitäten (74 %), beim Einsatz interner Ressourcen (56 %), bei den Ausgaben pro Führungskraft (54 %), beim Einsatz externer Ressourcen (44 %) und bei der Länge der Planungs-Zyklen (43 %) (s. Grafik 2).

Effizienz als oberstes Unternehmensziel 
der Führungskräfteweiterbildung, limitierte Budgets als Dauerherausforderung und eine vorausgesagte Zunahme der Ausgaben pro Führungskraft – wie ist dies möglich? Eine Erklärung: Mehr Weiterbildungsressourcen werden künftig auf weniger Führungskräfte konzentriert. Gründe dafür sind zum Beispiel der Abbau von Hierarchien respektive das Zentralisieren von Führungsaufgaben oder das bewusste Begrenzen des Angebots, welches die Wertigkeit der Angebote und Massnahmen erhöht und damit stärkere Anreize im Hinblick auf die Mitarbeiterbindung schafft. Vor allem Nachwuchsführungskräfte könnten Opfer dieser Fokussierung werden, weil sie in Zukunft einen grösseren Teil der Weiterbildungskosten selbst übernehmen werden müssen.

Eine Zunahme der Aktivitäten quer durchs Band verleitet zur Frage – wer verantwortet dies und orchestriert die Umsetzung? Besitzen die Personalleiter die entsprechenden Zeitreserven oder gewinnen Funktionen wie die des «Chief Learning Officers» mit diesen Aufgaben weiter an Bedeutung? Die vollständigen Resultate der Studie mit Antworten betreffend der Rolle des Chief Learning Officers  werden im Herbst 2013 als Report veröffentlicht. Dieser kann kostenfrei bezogen werden unter: www.es.unisg.ch/sees

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Prof. Dr. Winfried Ruigrok ist Dean der Executive School of Management, Technology & Law der Universität St.Gallen und Professor für Internationales Management.

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Dr. Axel Thoma ist Research Fellow an der Forschungsstelle für Internationales Management der Universität St.Gallen.

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