Advent 2017

«HR darf auch mal polarisieren»

Andrea Blust, HR-Leiterin der Kantonspolizei Thurgau, arbeitet aktuell daran, ihre HR-Abteilung neu auszurichten. Parallel dazu ist sie mit einem Engpass an Talenten und den mangelnden Sprachkenntnissen von Bewerbenden konfrontiert.

Frau Blust, Sie haben im Januar 2017 Ihre Stelle als HR-Leiterin und GL-Mitglied bei der Kantonspolizei Thurgau angetreten. Davor waren Sie HR-Business-Partner beim Verpackungshersteller Amcor. Warum haben Sie zu der Polizei gewechselt?

Andrea Blust: Ich wollte etwas bewegen, mein Fachwissen, meine Erfahrungen und meine Persönlichkeit gewinnbringend für eine Organisation einsetzen, die einen nachhaltigen Beitrag zur Entwicklung der Gesellschaft leistet. Kurzfristige Erfolge bedeuten mir persönlich wenig.

Welches waren für Sie die grössten Herausforderungen beim Beginn Ihrer neuen Stelle?

Die grösste Herausforderung meinerseits war sicher der Wechsel weg von der Privatwirtschaft in die Strukturen einer kantonalen Verwaltung. Zudem wird aktuell ein Kulturwandel in der Organisation eingeleitet, es ist vieles in Bewegung. Das ist spannend. Wir schaffen neue Impulse und Veränderungen, die für jedermann sichtbar sind.

Wie ist bei Ihrem jetzigen Arbeitgeber das HR aufgestellt?

Wir sind fünf Teammitglieder inklusive meiner Person. Zwei Teammitglieder arbeiten administrativ in unserem HR-Backoffice.  Ein Ausbildungsverantwortlicher begleitet die Polizeischülerinnen und Polizeischüler während der Ausbildung und verwaltet den Bereich Weiterbildung. Eine Psychologin arbeitet in HR-Projekten mit. Externe Unterstützung erhalten wir durch Fachstellen und diverse Coaches.

Welches sind Ihre Kernaufgaben in der neuen Position?

Einerseits die Führung und Weiterentwicklung des Teams und die Straffung der internen Prozesse. Zudem arbeite ich auch daran, unsere HR-Abteilung neu auszurichten und eine strategisch wirksame Partnerschaft mit der gesamten Organisation aufzubauen.

Auch die Aus- und Weiterbildung ist ein wichtiger Kernauftrag. Schauen Sie sich um: Sind die Herausforderungen der Gesellschaft dieselben wie vor 20 Jahren? HR soll die Organisation mit Aus- und Weiterbildungen zu unterstützen, damit diese den aktuellen und zukünftigen Herausforderungen gewachsen ist.

Zur Person

Andrea Blust (47) ist seit dem 1. Januar 2017 Chefin Human Resources und Mitglied der Geschäftsleitung der Kantonspolizei Thurgau. Sie war zuvor bei verschiedenen internationalen und nationalen Unternehmen und Bildungsträgern tätig, unter anderem beim Verpackungshersteller Amcor, bei der Nenninger Guss AG sowie als Dozentin an verschiedenen Hochschulen. Andrea Blust hat an der Steinbeis-Hochschule Berlin Betriebswirtschaft studiert und sich anschließend mit einem Master in Personalentwicklung der Technischen Universität Kaiserslautern und Abschlüssen der ZHAW Winterthur weiterqualifiziert.

Was sind die grössten Unterschiede zu Ihrem vorherigen Job?

Ich musste bisher noch nie jemanden erklären, wozu wir eigentlich da sind – jedes Kind weiss das (lacht).

Im Ernst: Sicherheit gehört zu den wichtigsten Attributen einer funktionierenden Gesellschaft und übrigens auch der Wirtschaft. Ich empfinde eine starke Sinnhaftigkeit für meine Arbeit und erhalte grosse Wertschätzung und Respekt sowohl innerhalb wie auch ausserhalb unserer Organisation. Meine innere Haltung stimmt mit den Werten und dem Wirken meiner Arbeitgeberin überein.

Welche Rolle sollte HR aus Ihrer Sicht im Idealfall einnehmen?

HR muss an der strategischen Ausrichtung mitwirken und zwingend in der Geschäftsleitung eingebettet sein, das zeigt den Stellenwert der Personalarbeit in der Organisation. Als Sparringpartner können hier personelle Erfolge, Schwierigkeiten und Lernfelder ermittelt und Massnahmen beschlossen werden. Die Kantonspolizei Thurgau lebt das vorbildlich.

Hinsichtlich der Administration ist das HR Dienstleister mit hohem professionellem Anspruch für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Auf zwischenmenschlicher Ebene muss HR verschwiegen sein können, in Konflikten vermittelnd eingreifen, Potentiale erkennen, eine Kultur des Förderns und Forderns schaffen. Und: eine offene Tür für alle ... formell oder informell, sortiert wird später.

HR-Adventskalender 2017

Für unsere Adventsserie 2017 haben wir mit HR-Fachleuten gesprochen, die im Jahr 2017 eine neue Stelle angetreten haben. Hinter einigen Adventstürchen warten auch Checklisten zum Thema «Stärke» und Buchverlosungen!

Welche Werte sind für Sie als HR-Leiterin von besonderer Bedeutung? 

HR-Arbeit muss im Unternehmen Gewicht haben. Die HR-Leitung muss stark besetzt sein und darf auch einmal polarisieren, sollte aber immer transparent arbeiten und fair entscheiden: Verlässlich, geradlinig, glaubwürdig und mit hoher Konformität. Auch und gerade, wenn schwere Entscheidungen anstehen. Gleichgültigkeit kann man sich im Zeichen des Fachkräftemangels schlicht nicht mehr leisten, wenn man gute Kräfte finden und binden möchte.

Welche HR-Herausforderungen standen für Sie dieses Jahr im Vordergrund? 

Meine erste Herausforderung war, eine Bestandsaufnahme zu machen, mich im Team einzufinden und alle Aufgabenbereiche unserer Organisation kennenzulernen. Dann stand auch die Korrektur von einigen Prozessen an, zum Beispiel beim Assessment.

Nach einer ersten Analyse des bestehenden Assessmentprozesses hatte ich festgestellt, dass 50 Prozent der Bewerberinnen und Bewerber bisher umsonst gesichtet wurden. Denn am Assessmenttag selbst wurde auch ein Diktat geschrieben, dessen Auswertung jedoch erst einige Tage später kam. Die Durchfallquote war 50 Prozent und spiegelte die Ergebnisse der Vorjahre wieder. Wir laden zum Diktat nun einige Wochen vor dem Assessment. Lesson learned!

Was sind 2018 für Sie die brennendsten HR-Trend-Themen?

Die folgenden Generationen sind ihren Arbeitgebern weniger treu. Das bringt uns zum Thema zukünftige Mitarbeiterbindung.

Bereits heute haben wir einen Engpass an Talenten: Die Suche und Qualifizierung geeigneter Personen für die benötigte Funktion, ist eine der grössten Herausforderungen für 2018. Auch die Entlohnung wird immer wichtiger, die Anstellungsbedingungen jedes Unternehmens werden Mitspieler bei der Werbung um Talente sein.

Und ganz speziell für unsere Organisation: Die Qualität beim Schriftdeutsch der Bewerberinnen und Bewerber lässt immer mehr nach, das macht uns Sorge, da hilft auch keine Personalentwicklungsmassnahme. Und um Jahre Versäumtes lässt sich nicht in kurzer Zeit nachholen, weder bei den schulischen Deutschkenntnissen noch bei der persönlichen inneren Haltung oder der Resilienz.

Kantonspolizei Thurgau

Die Kantonspolizei Thurgau beschäftigt rund 450 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Die Kantonspolizei Thurgau sieht sich als «ein modernes Dienstleistungsunternehmen in Sachen Sicherheit».

 

Kommentieren 0 Kommentare HR Cosmos
Weitere Artikel von Antonia Fischer