Trends und Herausforderungen

HRM: Von der Stütze in der Krise bis hin zum strategischen Partner

HR Today Special hat Personalberater zu den Trends und Herausforderungen im HR befragt. Klar ist: Personalabteilungen, die sich nur auf klassische Aufgaben wie Administration oder operative Rekrutierung konzentrieren, dürften es schwer haben. Gefordert sind ein vertieftes ökonomisches Verständnis, die Zusammenarbeit mit Branding und Marketing sowie die Fähigkeit, jungen und älteren Mitarbeitenden im eigenen Unternehmen eine Perspektive zu bieten.

HR muss die Sprache
der Betriebswirtschaft erlernen

Matthias Moelleney: «Das Personalmanagement der Zukunft wird viel strategischer und unternehmerischer. Neben den klassischen Kernfunktionen, die nicht vernachlässigt werden dürfen, gibt es drei weitere Bereiche, die eine besondere Bedeutung gewinnen werden: das strategische Personalmanagement, die Gestaltung der -Beziehung zwischen Arbeitgeber und -Arbeitnehmenden und die zunehmend -öffentlicher werdende interne Kommunikation. Bei den strategischen Themen -werden das Talentmanagement, die strategische Personal-Bestandsplanung, die Entwicklung von Führungsnachwuchs und das Employer Branding in den Vordergrund treten. Zusätzlich wird die Brückenfunktion zwischen den Interessen des 
Unternehmens und der Arbeitnehmenden stärker besetzt und aktiver gestaltet 
werden müssen. Auf dem dritten Gebiet, der internen Kommunikation, beobachte ich, dass sich Kommunikationsstrukturen und -formen derzeit erheblich verändern. Was ich heute offiziell intern kommuniziere, wird morgen auf Plattformen wie Facebook oder Xing oder in Blogs diskutiert und liegt damit ausserhalb meines Einflussbereiches.

Positiv ist: HR hatte noch nie so gute Chancen, wirklich strategische und unternehmerische Funktionen zu übernehmen. Das setzt aber neben der Beherrschung des HRM-Kerngeschäfts ein vertieftes Verständnis für betriebswirtschaftliche Zusammenhänge voraus. Wir Personalprofis sollten nicht mehr länger darauf warten, dass unsere Gesprächspartner in den Geschäftsleitungen eine Begeisterung für die Sprache der weichen Faktoren entwickeln, sondern wir sollten die Sprache der ergebnis- und faktenorientierten Betriebswirtschaft erlernen.»

Pragmatische, 
günstige und kreative HR-Ideen sind gefragt

Pascal Scheiwiller: «Rolle, Organisation und Ressourcen des HRM sind auf dem Prüfstein. Nach der Krise muss es sich und seine Bedeutung wieder positionieren. Denn in schwierigen Zeiten wird das HRM häufig auf die reine Administration reduziert. Alle anderen HR-Investitionen gelten als ‹vermeidbare Kosten›.

Auch dieses Jahre werden weiterhin keine grossen HR-Projekte finanziert werden, das heisst, HR muss mit knappen Mitteln und/oder Ressourcen eine qualitativ hochwertige, businessorientierte Dienstleistung erbringen. Das kann nur erreicht werden, indem pragmatische, kostengünstige, aber trotzdem kreative und wirksame HR-Ideen entwickelt werden.

Wie Les Hayman, ehemals HR-Chef von SAP, mal sagte: Die Hauptaufgabe von HR muss sein, den CEO zu fragen, was ihm schlaflose Nächte bereitet, und ihm dann helfen, diese Probleme zu lösen. Zudem muss HR Employer-of-Choice-Strategien entwickeln. Daneben sind die Themen 
Retention, Talentmanagement und Personalentwicklung ein Dauerbrenner. In Zukunft werden im Unternehmen vor allem folgende Skills gebraucht: mit Veränderung leben beziehungsweise umgehen können, Projektmanagement-, Führungs- sowie unternehmerische Fähigkeiten.

HR wird zudem vor eine weitere grosse Herausforderung gestellt: Der Trend, HR-Dienstleistungen outzusourcen, nimmt zu. Das zu ‹bekämpfen› oder, positiver formuliert, zu lösen, wird HR beschäftigen. Daher sollte sich HR viel weniger mit sich selber beschäftigen und stattdessen eine echte strategische Dienstleistungsorientierung für das Unternehmen entwickeln. Dazu müssen Personalverantwortliche das Business des Unternehmens und die Bedürfnisse der Firmenkunden kennen.»

Perspektiven für 
die Zukunft – gerade für die Älteren

Susanne Kleinhenz: «Die Herausforderungen im HRM sind dieselben wie schon seit ein paar Jahren. Hoch qualifizierte, motivierte Fachkräfte sind in einigen Branchen bereits ein rares Gut, das umworben werden will. Perspektiven für die berufliche und persönliche Entwicklung stehen ebenso auf der Wunschliste an den Arbeitgeber wie auch ein soziales und ökologisches Engagement und dass Nachhaltigkeit nicht nur ein Werbeslogan ist. Es gilt also, sich als sozial und ökologisch engagierter Arbeitgeber zu positionieren.

Folglich bleiben auch die Kernaufgaben dieselben: Kompetenzen erkennen und entwickeln, Talente fördern und die richtigen Menschen für die richtigen Positionen finden. Dabei sollte jedem HR-Mitarbeitenden klar sein, dass für die Mitarbeitenden die Selbstverwirklichung in der Arbeit immer wichtiger wird.

Zu den Trends haben wir uns an der live-academy in einem Zukunftsseminar Gedanken gemacht: Neben dem Rückgang der Nachwuchskräfte in den Industrieländern, anhaltender Globalisierung und zunehmender Feminisierung gerade in den Führungsetagen spielt die Mitarbeiterbindung eine grössere Rolle. Gut ausgebildete Fachkräfte können sich in vielen Branchen schon heutzutage ihren Arbeitgeber aussuchen – weltweit. Um für die besten Mitarbeitenden attraktiv zu bleiben, müssen Unternehmen daher eine Umgebung und Atmosphäre schaffen, in der diese gerne arbeiten und bleiben. Daher mein Rat: Geben Sie den Mitarbeitenden Perspektiven für die Zukunft in Ihrem Unternehmen – auch und gerade den Älteren. Und ganz wichtig: Das Leben darf im Arbeitsalltag nicht zu kurz kommen – und leben bedeutet lernen.»

Trend 2010: Die 
Professionalisierung in Human Resources

Oliver Viel: «Für den akademischen Nachwuchs wird 2010 noch einmal schwierig, denn die Situation auf dem Arbeitsmarkt wird sich nicht deutlich verbessern. Und weil im Moment Berufserfahrung stark nachgefragt wird, dürften es Hochschulabsolventen schwierig haben. Für die Unternehmen gilt es, 2010 das Vertrauen der potenziellen Arbeitnehmer zu gewinnen oder zu behalten und dieses Vertrauen – genau wie ein gutes Arbeitgeberimage – in den Aufschwung zu tragen. Das kommende Jahr kann also als eine Art Vorbereitungszeit gesehen werden – wenn man es sehr positiv formulieren möchte …

Einen klaren Trend stellen meiner Meinung nach die Professionalisierung im HR dar sowie eine längerfristige Zielorientierung und der vermehrte Einsatz von Erfolgs- und Performancemessungen. Arbeitsmärkte funktionieren immer komplexer und auch die Kommunikation zwischen Unternehmen und potenziellen Arbeitnehmern wird vielschichtiger und unübersichtlicher. Daher richtet sich die Orientierung beim strategischen HRM in Zukunft noch weniger auf die operative Seite des Recruitings, sondern mehr auf mittel- und langfristige, hauptsächlich strategische Arbeitsfelder wie Retainment, Branding, Marketing und Reputation Management. Dies bedeutet, dass die Verantwortlichen der HRM-Abteilungen in Zukunft auf viele Kompetenzen zurückgreifen müssen, die früher nicht innerhalb Ihrer Abteilung verfügbar waren: 
Experten für Retainment, Personalentwicklung, Markenentwicklung, Web 2.0, Marketing oder soziale Netzwerke. Und Events etwa gehören heute schon zu den HRM-Erfolgstreibern in vielen Unternehmen. Mein Tipp? Zum einen sollten Sie die bestehende Belegschaft immer noch als Kunden sehen, umwerben und binden. Andererseits müssen die Mitarbeitenden kontinuierlich entwickelt und gefördert werden. Überdies sollten Sie frühstmöglich einen funktionierenden Dialog mit den Leistungsträgern von morgen etablieren.»

Bitte keine Rückkehr in den «Elfenbeinturm HR-Management»

Martin Emmerich: «In den vergangenen Monaten wurde der Wertbeitrag von HR ernsthaft auf den Prüfstand gestellt. Top- wie auch Linienmanagement forderten praktikable und wirksame Lösungen zur Bewältigung der Krise. In diesem Zusammenhang hat sich gezeigt, dass HR mittlerweile als strategischer Partner im Schulterschluss mit dem Management agiert und sich an seinem Beitrag zum Erfolg des Unternehmens messen lässt.

Es geht also nicht mehr darum, ob HR eine Rolle und einen Beitrag bei der Erreichung der Unternehmensziele spielt, sondern vielmehr darum, welchen konkreten Beitrag. Und hier zeigte sich, dass HR mit dem zur Verfügung gestellten Instrumentarium durchaus effizient und effektiv dazu beitragen konnte, die Auswirkungen der Krise aufzufangen und bestmöglich zu managen. Genau diese Rolle ist heute mehr denn je gefordert, da es darum geht, aus dem Krisen-Management-Modus wieder in den Wachstumsmodus zu wechseln. Eine Rückkehr in den ‹Elfenbeinturm des HR-Managements› sollte dabei tunlichst vermieden werden.

Künftig wird es eine stärkere Aufgabenteiligkeit und Rollenorientierung im HR-Bereich geben. Das Modell des US-Amerikaners Dave Ulrich mit seinem idealtypischen Dreiklang aus Centers of Excellence, Shared Services und HR-Businesspartnern kann dabei als tragfähiger strategischer Rahmen und Startpunkt für die Diskussion innerhalb von HR fungieren. Allerdings ist das Modell keine Blaupause, die aus dem Regal gezogen und dann einer Organisation übergestülpt werden kann. Eine solche Erwartung führt zwangsläufig zum Scheitern.

Daher mein Rat: Der erfolgreiche Mix aus Pflicht und Kür in der Personalarbeit hat weiterhin Bestand.»

Mit Weitsicht und Tatkraft die Firmen begleiten

Fabiola Eyholzer: «Neben den Megatrends demografischer Wandel, Globalisierung, Dynamisierung der Märkte, Wertewandel und technologischer Fortschritt liegt die Herausforderung für 2010 darin, die Vertriebssteuerung und -vergütung zu überarbeiten und zu optimieren. Der Trend geht weg von rein quantitativen Provisionierungssystemen hin zu kombinierten quantitativ-qualitativen Vertriebssystemen, die auf die Beratungsintensität und -qualität sowie die Nachhaltigkeit der Abschlüsse setzen. Die Investition in die Mitarbeitenden ist die Rahmenbedingung der Zukunft. Dabei kommt HRM auf strategischer Ebene eine fundamentale Bedeutung zu, und zwar nicht nur in Bezug auf Neueinstellungen, sondern stärker noch in der Erkennung, Ausschöpfung und vor allem der Erweiterung der vorhandenen Potenziale. Es gilt den Nachholbedarf hinsichtlich Personal-, Führungskräfte- und Werteentwicklung wettzumachen und die Fähigkeit des beständigen Lernens in Organisationen zu festigen sowie das Kernwissen breit abzustützen, um in Zeiten des schnellen Wandels flexibel und erfolgreich im Markt agieren zu können.

Weil die Bewältigung von Wandel mehr und mehr zur Kern- und Daueraufgabe wird und Veränderung ein ständiger Begleiter sein wird, spielt HR eine immer wichtigere Rolle. Denn es ist die Ressource Mensch, die als Träger von Entwicklung und Veränderung die entscheidende Stellgrösse wandlungsfähiger und erfolgreicher Unternehmen bildet. Gefragt sind daher strategisch denkende und handelnde HR-Experten, die mit Weitsicht und Tatkraft die Unternehmen aktiv durch Transformationsprozesse begleiten und so wertvolle Businesspartner sind oder werden.»

Der demografische Wandel wirkt stärker als die Krise

Andreas Buhr: «Die Krise trifft die Unternehmen weit weniger nachhaltig als der demografische Wandel, darin liegt eine gewaltige Herausforderung. Eine weitere Herausforderung ist es, sicherzustellen, dass die Mitarbeitenden auch an der für sie am besten geeigneten Stelle im Unternehmen zum Einsatz kommen.

Die Schlüsselkompetenzen? Die liegen klar darin, Talente zu finden und Stärken und Kompetenzen zu entwickeln. Dazu brauchen Sie interne Experten, die in ihrem Fach spitze sind. Zudem werden zunehmend Soft Skills wichtiger, nicht nur im ‹Dienst am Kunden›. Kommunikative Fähigkeiten, gerade auch der Manager und Führungskräfte, sind eine Conditio sine qua non, denn damit steht und fällt letztlich die Unternehmensführung.

Weil unser Alltag durch die multimediale Vernetzung immer mehr an Geschwindigkeit gewinnt, ist ein Berufsalltag ohne Internet, Software- und Netzwerktools nicht mehr denkbar. Darum sollte sich die HR-Abteilung mit dem Marketing zusammentun und am Company Branding, dem Aufbau einer strahlenden Arbeitgebermarke, arbeiten. Wenn ich mein Unternehmen nicht als attraktiven Arbeitgeber positioniere, wird es in Zukunft schwierig, geeignete Nachwuchsführungskräfte und High Potentials zu rekrutieren. Dabei stehen bei den Mitarbeitenden von morgen vor allem Nachhaltigkeit (sozial, ökonomisch, ökologisch), soziale Kompetenzen und wirtschaftsethische Fragen im Vordergrund. Und das in der Wirkung der Unternehmen nach innen wie aussen. Nur ein Unternehmen, das Kongruenz und Authentizität vermitteln kann, also eine klare Übereinstimmung von Wort und Tat, wird hier auf Dauer die besten Talente finden und behalten.

Mein Tipp? Holen Sie Schüler, junge Leute in das Unternehmen und binden Sie sie früh auch in Projekte ein. Finden Sie Talente, entscheiden Sie schnell und mutig, delegieren Sie immer auch Verantwortung mit – und dann: Training, Training, Training!»

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Sandra Escher Clauss ist freie Journalistin.

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