BGM Special 2016

Job Crafting

Wird Arbeit gesünder und besser, wenn wir sie selbst gestalten? 
Dieser Frage stellt sich Gudela Grote in ihrem Referat an der 
Nationalen Tagung für betriebliches Gesundheitsmanagement.

Frau Grote, Sie setzen sich für «gesundheitsförderliche Unternehmenskultur» ein. Was verstehen Sie darunter?

Gudela Grote: Die Unternehmenskultur beinhaltet alle Grundannahmen, die sich im Umgang mit täglichen Problemen herausgebildet haben. Sie werden von den Beschäftigten als gültig angesehen und neuen Mitarbeitenden weitervermittelt. Wenn daraus Werte und Handlungsweisen erwachsen, die den gegenseitigen Respekt, die adäquate Einschätzung von Stärken und Schwächen der Mitarbeitenden sowie das gemeinsame Lernen beinhalten, ist dies eine gute Ausgangslage dafür, Arbeitsbedingungen entsprechend den Bedürfnissen und Möglichkeiten der Mitarbeitenden zu gestalten.

Was sind die Bedingungen, damit eine gesundheitsförderliche Kultur entsteht?

Die genannten Grundannahmen müssen sich entwickeln können. Dazu sind Vorbilder im Unternehmen hilfreich, die diese Annahmen verkörpern, aber auch die gemeinsame Erfahrung, dass Verhalten, das diesen Grundannahmen folgt, geschätzt und belohnt wird.

Woran krankt es aus Ihrer Sicht in der Praxis am häufigsten?

Meiner Meinung nach werden auch hundert Jahre nach Frederick Taylor Menschen immer noch oft als Maschinen gesehen, die immer zu hundert Prozent zu funktionieren haben.

Wie lassen sich diese Verhältnisse verändern?

Organisationen entwickeln immer eine Eigendynamik. Diese zu beobachten, zu reflektieren und zu beeinflussen, ist eine der wichtigsten und schwierigsten Führungsaufgaben. Die Entscheidungsträger sind dafür verantwortlich, dass die Arbeitsbedingungen die physische und psychische Gesundheit der Mitarbeitenden nicht schädigen und im besten Fall sogar fördern. Die Beschäftigten sollen alle ihnen zur Verfügung stehenden Mittel nutzen, um mitzugestalten. Wichtig ist auch, dass sie ein Gespür dafür entwickeln, wann ihnen zu viel oder zu wenig zugemutet wird oder sie das mit sich selbst tun. Eine gezielte Beeinflussung der Unternehmenskultur ist jedoch nur begrenzt möglich. Man kann beispielsweise durch eine gezielte Personalselektion versuchen, neue Grundannahmen zu pflanzen. Dass daraus eine neue Kultur entsteht, ist aber oft ein schwieriger und langwieriger Prozess. Die Überprüfung von gesundheitsförderlichen Grundannahmen ist hingegen einfacher: Krankheitsstände, Präsentismus und Kündigungen sind negative, individuelles Engagement, Teamgeist, Lernen und kontinuierliche Verbesserung dagegen positive Indikatoren.

Was ist die Rolle des HR?

HR-Fachleuten kommt die spezielle Rolle zu, den Prozess der Kulturveränderung zu reflektieren und dadurch möglicherweise bewusster zu gestalten. Ob dies zugelassen oder gewünscht wird, hängt wiederum von der bestehenden Kultur ab. Eine Kultur zu verändern, ist ein Sich-am-eigenen-Schopf-aus-dem-Wasser-ziehen-Prozess. Wenn HR-Fachleute Einfluss nehmen wollen, müssen sie dies unter Berücksichtigung der bestehenden Kultur tun, aber auch versuchen, Vorstellungen zu verändern, wenn die Unternehmenswerte zu Arbeitsbedingungen führen, die der Gesundheit der Beschäftigten schaden.

 

Gudela Grote ist Professorin für Arbeits- und Organisationspsychologie an der ETH Zürich.

«Die Grundannahmen, wie Menschen ‹funktionieren›, und die im Unternehmensalltag daraus abgeleiteten Werte prägen das Handeln in Firmen. Wenn diese Werte gegenseitigen Respekt, gemeinsames Lernen und eine angemessene Einschätzung von Stärken und Schwächen fördern, ist das eine gute Basis für eine Arbeitgestaltung, bei der sich betriebliche Vorgaben und individuelles Job Crafting ergänzen. Job Crafting sollte zudem nicht nur ‹Talenten› oder Schlüsselpersonen, sondern allen Mitarbeitenden offen stehen.»

 

 

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Chefredaktorin, HR Today. cp@hrtoday.ch

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