HR Today Nr. 7&8/2021: Reputationsmanagement

Keine zweite Chance

Ein guter Ruf ist kostbar und Sauerstoff für eine Arbeitgebermarke. Wie das HR-Management einen Beitrag dazu leisten kann.

Reputation beginnt bereits beim Bewerbungsprozess. In der Personalgewinnung kann bekanntlich genauso vieles richtig wie falsch laufen. Sie kennen bestimmt auch jemanden, der oder die sich voller Vorfreude bei einem (vermeintlich) glänzenden Unternehmen beworben hat und eine herbe Enttäuschung erlebte. So ist es auch einer Freundin ergangen. Sie hatte sich bei einem Start-up beworben, dessen Produkte sie überzeugten. Nach einem zweiten Gespräch und der Rückmeldung, man werde sich innerhalb der nächsten Tage wieder melden, geschah nichts. Selbst nachdem sie ein paar Wochen später nachgefragt hatte, ob man sich für jemanden anderen entschieden habe: «radio silent». Plötzlich fand die Freundin die Produkte dieser Firmar nicht mehr so berauschend. Das Unternehmen sei alles andere als attraktiv. Schliesslich erzählte sie ihre Geschichte im Freundes- und Bekanntenkreis. Ein Supergau für die Unternehmensreputation: Von ihren Freunden und Bekannten kauft niemand mehr die Produkte dieses Unternehmens.

Was lernen wir daraus? Es ist ein entscheidender Vorteil, wenn man über seine Reputation und den Zusammenhang mit der eigenen Arbeitgebermarke Bescheid weiss. Das bedeutet nicht nur, Arbeitgeberbewertungen auf Kununu und Co. im Auge zu behalten, sondern auch, die Arbeitgebermarke proaktiv zu stärken, bevor ein Shitstorm über einen hinwegfegt. Eine starke Reputation ist etwas Langfristiges und sehr kostbar. Sie ist ein Wettbewerbsvorteil, wenn es darum geht, Mitarbeitende, Kunden und Stakeholder für sich zu gewinnen. Eine gute Reputation ist Sauerstoff für eine Arbeitgebermarke: Sie haucht ihr Leben ein.

Reputation ist «vertragsrelevant»

Zu einer guten Reputation zählen der Unternehmenszweck, klare Strukturen und Ziele sowie Zuverlässigkeit und Integrität. Diese Schlüsselelemente sollten sich auch in der Arbeitgebermarke widerspiegeln. Das Employer Branding muss halten, was die Reputation verspricht: Mit leeren Versprechen lassen sich Kandidatinnen und Kandidaten auf Dauer nicht ködern. Transparenz, Glaubwürdigkeit und Relevanz hingegen tragen dazu bei, dass Mitarbeitende und Kunden sowie alle anderen Anspruchsgruppen mit einem Unternehmen langfristig einen psychologischen Vertrag abschliessen.

Wert einer konsistenten Employee Experience

Stimmen Reputation und Arbeitgebermarke überein, werden Aufgaben zu persönlichen Anliegen. Dann wirkt sich das Commitment der Mitarbeitenden positiv auf die Produktivität und den Ertrag eines Unternehmens aus. Eine konsistente Employee Experience spielt also eine wichtige Rolle, um die Reputation zu festigen und den kommerziellen Unternehmenserfolg zu stärken. Im Zentrum stehen dabei drei Fragen:

  1. Kann ich als Arbeitgeber mein Kundenversprechen auf das Mitarbeiterversprechen abstimmen und es für die Mitarbeitenden im Alltag inspirierend und relevant erlebbar machen?
  2. Welches Führungsverhalten ist dazu nötig?
  3. Welche Mitarbeitenden passen zur Unternehmensphilosophie?

Potenzielle Mitarbeitende entscheiden sich schon heute nicht nur wegen eines Brands für einen Arbeitgebenden. Vielmehr evaluieren sie die Gesamtreputation des Unternehmens. Von Hochglanzbroschüren lassen sie sich nicht mehr blenden. Auch Beteiligungs- und Finanzierungsstrategie sowie Stakeholder und das Image der einzelnen Führungskräfte werden auf Herz und Nieren geprüft. Vor allem jüngere Menschen wollen heute wissen, wie und wo ein potenzieller Arbeitgebender sein Geld anlegt und von wem er umgekehrt finanziert wird. Ihre Erwartungen auf nachhaltige und faire Produkte wurden in jüngster Zeit oft enttäuscht. Einige Firmen machten mit der Involvierung von zweifelhaften Geldgebern von sich zu reden.

Eine kollektive Verantwortung

Reputation ist ein Dauerprojekt, in das möglichst viele verschiedene Unternehmensbereiche und deren Vertreter involviert werden sollten. Covid-19 hat auf eindrucksvolle Weise demonstriert, wie das gelingen kann: Firmen bildeten innert kürzester Zeit sogenannte Krisenstäbe und Wissensträger aus dem ganzen Unternehmen, um gemeinsam Lösungen zu finden. Das Virus machte das scheinbar Unmögliche möglich, indem es die Entscheidungsfindung von der Spitze in die Breite verschob. Solche Gremien sollten sich nach der Krise in ständige «Beiräte» transformieren, um weiterhin bestmöglich mit den verschiedenen Bedürfnissen und Anforderungen von innen und aussen umzugehen.

Eine effiziente Alternative dazu ist die Etablierung der Rolle eines Reputationsbeauftragten, auch Chief Reputation Officer (CRO) genannt. Dessen Aufgabe ist, das Management auf mögliche Reputationsrisiken und -chancen hinzuweisen. Der CRO behält das Geschehen rund um das Unternehmen im Auge. Der CRO analysiert, antizipiert und agiert interdisziplinär, um die Reputation des Unternehmens positiv zu gestalten und abzuwenden, was ihr schaden könnte.

Reputationsbeauftrage als Rollenmodell

Eine CRO beziehungsweise Reputationsbeauftragte ist nicht gezwungenermassen eine separate oder zusätzliche Position. Diese Aufgabe könnte beispielsweise in einem KMU im Rotationsprinzip besetzt werden: Qualifizierte Stelleninhabende aus HR, Kommunikation, PR, Risk Management oder andere Vertrauensträger und Storyteller übernehmen diese Rolle beispielsweise ein Jahr und reichen den Stab danach weiter.

Die Vorteile des Rotationsprinzips:

  1. Mehrere Funktionsinhabende übernehmen alternierend die Verantwortung für die Reputation und gestalten damit die positive Unternehmensreputation aus verschiedenen Blickwinkeln.
  2. Das Rollenmodell erlaubt einer Person, sich auf die Gesamtreputation des Unternehmens zu fokussieren.
  3. Die temporäre Übernahme erlaubt Rolleninhabenden, jeweils neue Impulse zu setzen und die eigene Entwicklung zu verfolgen.
  4. Das Rollenmodell verhindert, dass die Rollenträger zu stark eingeschränkt und kritisiert werden, da andere Führungskräfte diesen «Hut» ebenfalls alternierend aufsetzen.
  5. Das alternierende Rollenmodell stellt ein wirksames Personalentwicklungsinstrument für die jeweiligen Rollenträger dar und kann in der Talentförderung auf Stufe Geschäftsleitung eingesetzt werden.

Fazit

Unternehmen können sich heute weniger denn je einen schlechten Ruf oder eine angeschlagene Arbeitgebermarke leisten. Firmen sollten sich nicht erst bei drohendem Reputationsschaden um ihr Ansehen zu kümmern, sondern dieses bewusst und beständig für einen höheren Unternehmenswert pflegen.

Hier kann HR mit wertvollen Inputs und professioneller Dienstleistung einen wertvollen Beitrag leisten. Wird ein Organ beziehungsweise eine juristische Person für ein Geschäftsvergehen verantwortlich gemacht, ist auch Ihr Name unweigerlich mit der Unternehmensreputation ­verbunden. Es empfiehlt sich daher, regelmässig in die Schuhe von potenziellen Mitarbeitenden und Kunden zu schlüpfen. Was ist deren Erwartungshaltung? Handeln Sie als Unternehmen und als HR-­Verantwortliche danach? Damit beantworten sich viele Fragen von selbst.

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Susanne Mosbacher ist HR-Interim Manager, Projektleiterin, Coach und Trainerin.

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