Arbeit und Recht

Kompensation von Überzeit während der Freistellung

Urteil des Obergerichts des Kantons Luzern vom 7. Februar 2012 (1B 11 63).

Das Urteil

Die Klägerin war seit 1. November 1989 bei der Beklagten angestellt. Ende April 2008 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis auf Ende Juli 2008. Die Beklagte stellte die Klägerin bis dahin frei und ordnete die Kompensation von Überzeit an. Die Klägerin allerdings zeigte sich nachträglich mit dieser Anordnung nicht einverstanden und forderte die Entschädigung für die Überzeit gerichtlich ein.

Sie stellte sich auf den Standpunkt, dass die Kompensation von Überzeit im Umfang von 179 Stunden nicht vereinbart worden war. Die Beklagte hingegen machte geltend, dass sie die Kompensation schriftlich zusammen mit der Kündigung angeordnet habe und die Klägerin dadurch, dass sie in der Freistellungszeit dagegen weder opponierte noch zur Arbeit erschienen sei, stillschweigend ihr Einverständnis dazu gegeben habe.

Das zuständige Arbeitsgericht folgte der Begründung der Beklagten. Es ging davon aus, dass aufgrund verschiedener Umstände eine konkludente Vereinbarung zwischen den Parteien über die Kompensation von Überzeit bestanden habe. Die Klage wurde abgewiesen.

Gegen dieses Urteil legte die Klägerin Berufung ein. Das Obergericht des Kantons Luzern gab der Klägerin schliesslich recht und stellte fest, dass die Klägerin nicht verpflichtet gewesen sei, während der Freistellung Überzeit zu kompensieren. Gemäss Art. 321c OR können Überstunden durch Freizeit ausgeglichen werden. Ein solcher Ausgleich setzt allerdings das Einverständnis des Arbeitnehmers voraus. Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung gilt das auch nach der Kündigung des Arbeitsverhältnisses für die Zeit der Freistellung.

In einzelnen kantonalen Entscheiden wurde festgehalten, dass bei lang andauernder Freistellung die Weigerung zur Kompensation von Überstunden rechtsmissbräuchlich sein könne. Bei einer Kündigungsfrist von drei Monaten und einem Arbeitsverhältnis von etwa 20 Jahren kann aber nicht von einer langen Freistellungsdauer gesprochen werden, weshalb das Obergericht keinen Rechtsmissbrauch annahm.

Konsequenz für die Praxis

Um sicherzustellen, dass in der Freistellungszeit Überstunden kompensiert werden, ist eine entsprechende Vereinbarung mit dem Arbeitnehmer notwendig. Eine konkludente Abmachung wird in der Regel nicht angenommen werden, zumindest genügt ein Stillschweigen auf die entsprechende Anordnung des Arbeitgebers und das Fernbleiben vom Arbeitsplatz grundsätzlich nicht. Deshalb ist es ratsam, eine Freistellung nicht vorschnell auszusprechen, sondern zuerst die Bedingungen der Freistellung mit dem Arbeitnehmer zu vereinbaren und dies schriftlich festzuhalten.

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Yvonne Dharshing-Elser arbeitet als Anwältin in der Steuer- und Rechtsabteilung der OBT AG in Zürich. Sie berät vorwiegend KMU in Fragen des Arbeits-, Vertrags- und Gesellschaftsrechts.

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