International Human Resources

Kulturelle Intelligenz: Schlagwort oder Schlüsselkompetenz?

Eine erfolgreiche Internationalisierung stellt hohe Anforderungen ans Unternehmen und die Mitarbeitenden. Interkulturell intelligente Manager gilt es zu finden und für den Auslandseinsatz vorzubereiten. Doch was beinhaltet «Cultural 
Intelligence»? Wie lässt sie sich bei Mitarbeitenden finden und wie können Kompetenzlücken geschlossen werden?

Die Managementliteratur diskutiert seit Jahren, was einen «interkulturell kompetenten» Manager auszeichnet, ohne eine abschliessende Antwort geben zu können. Zugleich hat die Forschung in den letzten Jahrzehnten grosse Fortschritte bezüglich der Analyse von kulturellen Unterschieden und des Umgangs damit erzielt. Allerdings nutzen nur wenige Unternehmen die Erkenntnisse. Das mag unter anderem auch daran liegen, dass vielen HR-Verantwortlichen klar geworden ist, dass das blosse Wissen um Kulturunterschiede noch keinen erfolgreichen Auslandseinsatz garantiert. Und interkulturelle Kompetenzen verstanden als internationale Leadership-Kompetenz und als Fähigkeit, kulturgrenzüberschreitend Beziehungen gestalten zu können, erscheint vielen Personalverantwortlichen weder lehr- noch lernbar zu sein: «Wir investieren viel in die Aus- und Weiterbildung unserer Mitarbeitenden und wissen doch sehr genau, dass gerade im internationalen Kontext Erfahrungen im Ausland kaum zu ersetzen sind», so Hugo Lötscher, CEO der «vonRoll hydroservices ag».

Von der Kompetenz zur Intelligenz

Es existiert ein für Unternehmen durchaus praktikables Modell von Soon Ang und Linn Van Dyne. Die beiden Forscher sprechen allerdings nicht mehr klassisch von «kultureller Kompetenz», sondern entwickeln das wenig greifbare Konstrukt weiter zu einem Ansatz, der von einer entwicklungsfähigen «kulturellen Intelligenz» ausgeht.

Ang und Dyne erkennen in international erfolgreichen Managern sowohl kognitive als auch metakognitive Eigenschaften, gepaart mit Verhaltens- und Wesensmerkmalen. Für Lötscher ist klar, dass Erfolg in Auslandseinsätzen mehr beinhaltet als nur das Resultat sozialer beziehungsweise interkultureller Fähigkeiten der Mitarbeiter. Hier setzt die «interkulturelle Intelligenz» an und offeriert Unternehmen und ihren Führungskräften einen Leitfaden, um Auslandseinsätze durch die richtige Personalselektion zum Erfolg zu führen (siehe dazu Kasten).

Kurt Bucher, Head of Human Resources der Pilatus Flugzeugwerke AG in Stans, bringt das Konzept der kulturellen Intelligenz auf den Punkt: «Es ist sehr wichtig, dass entsandte Mitarbeitende nicht nur das Geschäft und die kulturellen Gegebenheiten verstehen, sondern sich auf unvorhersehbare Situationen schnell einstellen und ihre persönlichen Ansprüche und Vorstellungen – zumindest zeitweise – in den Hintergrund stellen können. Es braucht eine innerliche Freude und Begeisterung, also einen natürlichen ‹Gwunder›, verbunden mit Selbstbewusstsein und dem Durchsetzungswillen, kulturgrenzüberschreitende Geschäfte erfolgreich für beide Seiten zu erledigen.»

Lässt sich kulturelle Intelligenz testen?

Der Markt bietet eine kleine Zahl an unterschiedlichen Assessments, mit denen die interkulturelle Kompetenz beziehungsweise kulturelle Intelligenz von Mitarbeitenden evaluiert werden kann. Einige Tests fragen nur das Wissen einer Person über andere Kulturen und Länder ab und beschränkten sich so auf die kognitive Dimension. Da das Wissen alleine aber kaum ausreicht, um interkulturelle Situationen erfolgreich zu «managen», sollten solche Assessments nur in Kombination mit anderen Instrumenten eingesetzt werden. Mit etwas Aufwand lassen sich verschiedene Tests zu einem Cultural-Intelligence-Test kombinieren. Aber auch Assessments, die alle Dimensionen der interkulturellen Intelligenz abdecken, können letztlich nur mit gewissen Vorbehalten eingesetzt werden. Die Pilatus Flugzeugwerke AG verzichtet auf solche Assessments und identifiziert gemäss Kurt Bucher interkulturell intelligente Mitarbeitende ganz klassisch bei der Verrichtung ihrer täglichen Arbeit und im regelmässigen Umgang mit ausländischen Kunden. Ein kompetentes HR, so Kurt Bucher weiter, erkennt «interkulturell qualifizierte Mitarbeitende an ihrem natürlichen Interesse an internationalen Aufgaben und persönlichen Begegnungen».

Der Wunsch, einen in allen Dimensionen validen Kandidaten für den Auslandseinsatz zu finden, erfüllt sich wohl nur mit einer gehörigen Prise Glück. Folglich stellt sich für das Unternehmen die Frage, wie die interkulturelle Intelligenz der Mitarbeitenden (weiter-)entwickelt werden kann, wenn ein entsprechendes Cultural-Intelligence-Gap identifiziert wird.

Optimierung kultureller Intelligenz

Kognitiv

  • 
Studium von Literatur
  • 
Vorlesung / Unterricht im klassischen Sinne
  • 
Workshops

Metakognitiv

  • Coaching
  • 
Begleiteter Auslandseinsatz

Motivation

  • 
«nicht lernbar, aber begrenzt erzeugbar»: 
Anreizsystem schaffen, das über monetäre Benefits hinausgeht

Verhalten

  • 
Coaching
  • 
Assessments inklusive Begleitung, Beratung und Coaching

Fazit

Personalverantwortliche sehen sich mit der schwierigen Aufgabe konfrontiert, die richtigen Mitarbeitenden in internationale Einsätze zu senden. Für Peter Jakob, CEO der Peter Jakob AG, braucht es dafür die richtige Mischung aus «Mut und Demut». Weiche Faktoren machen den Unterschied aus, ob sich Auslandsinvestitionen bezahlt machen oder nicht. Das Konzept der kulturellen Intelligenz hilft Unternehmen, die richtigen Mitarbeiter zu selektieren.

Aus HR-Sicht sollte aber klar sein, dass das CI-Konzept und seine Anwendung in der Praxis eine hohe Kompetenz oder besser eine grosse kulturelle Intelligenz auch und gerade seitens der Personalverantwortlichen voraussetzt.

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Claus Schreier, Prof. Dr. rer. pol., ist Dozent für Interkulturelles Management und Studienleiter des «CAS International Leadership» sowie Management Consultant der Beratung «Die Kulturarchitekten».

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Madeleine Renner, BSc BA, ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Hochschule Luzern – Wirtschaft und Dozentin.

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