BGM Special 2023

Lebenskrisen in jungen Jahren meistern

Von Lernenden wird oft verlangt, was sie gar nicht können. Das führt zu Stress und im schlimmsten Fall zu psychischen Erkrankungen oder zur Auflösung des Lehrvertrages. Dem wirkt das Angebot «Apprentice» von Gesundheitsförderung Schweiz entgegen. Auch der Krankenversicherer Helsana verfolgt einen ähnlichen Ansatz.

Der Übergang von der Schulzeit ins Berufsleben ist für Jugendliche oft ein Sprung ins kalte Wasser. Sie werden mit beruflichen Anforderungen konfrontiert, die nicht mit ihrer sozialen Reife übereinstimmen. Das sorgt für psychischen Stress. Dieser ist unter Jugendlichen weit verbreitet: Gemäss einer Unicef-Studie mit rund 1097 Jugendlichen zwischen 14 und 19 Jahren, leiden rund 37 Prozent von ihnen unter psychischen Problemen sowie 17 Prozent unter Angststörungen und Depressionen. 30 bis 40 Prozent der 16- bis 24-Jährigen sind laut Job-Stress-Index von Gesundheitsförderung Schweiz sogar so stark belastet, dass ihre Gesundheit beeinträchtigt ist und ihre Produktivität nachlässt. Eine Studie von R.C. Kessler et al. (2005) zeigt ausserdem, dass die Hälfte aller psychischen Probleme vor dem 15. Lebensjahr entsteht. Das hat Auswirkungen auf die Betriebe: Rund 20 Prozent der Lehrverträge werden nach der Arbeitskräfteerhebung des Bundesamts für Statistik vorzeitig aufgelöst. Nicht zuletzt aufgrund psychischer Probleme.

Mit dem Angebot «Apprentice» unterstützt Gesundheitsförderung Schweiz Berufsbildende dabei, die psychische Gesundheit von Lernenden zu fördern. Fallbeispiele, Informationen und praktische Tipps helfen, die gesunde Entwicklung der Lernenden altersgerecht zu ermöglichen, Vertrauen zu schaffen und Ihr Verantwortungs- und Selbstbewusstsein zu stärken. So starten die Arbeitnehmenden von morgen gut ins Berufsleben und bleiben langfristig gesund. (Weitere Informationen siehe Kasten).

Helsana: seit 2012 ein Label «Friendly Work Space»-Betrieb

Auch der Krankenversicherer Helsana hat sich dem Wohlbefinden der Jugendlichen verschrieben. Bei rund 3450 Mitarbeitenden beschäftigt Helsana rund 80 Lernende. Der seit 2012 ausgezeichnete Betrieb hat im Oktober 2021 das dritte Re-Assessment fürs Label «Friendly Work Space» von Gesundheitsförderung Schweiz erfolgreich bestanden. Obschon sich Pascale Ingold, Fachspezialistin Health & Diversity Management, der Schwierigkeiten der Jugendlichen beim Übergang von Schule und Beruf bewusst ist, nimmt sie deren Gesundheitszustand aufgrund verschiedener Umfragen und Rückmeldungen der Bildungsverantwortlichen als «grundsätzlich gut» wahr.

Der Versicherer tut einiges für die psychische Gesundheit der Jugendlichen: «Aktuell sensibilisieren wir alle Mitarbeitende zur psychischen Gesundheit und zeigen auf, welche Aspekte wichtig sind, um psychisch gesund zu bleiben und was man selbst dafür tun kann», sagt Ingold. Daneben erfahren Lernende schon beim Start, welche Angebote Helsana zur Förderung der psychischen Gesundheit bietet: Beispielsweise Kurse, Informationsmaterial, Workshops, individuelle Coachings oder externe Anlaufstellen für Beratungen. «Ausserdem thematisieren wir Stress bei der Arbeit.» Im zweiten Lehrjahr vermittelt Helsana den Lernenden Wissen und Kompetenzen zur psychischen Gesundheit und zur Stressbewältigung. Die Enttabuisierung psychischer Erkrankungen im Arbeitskontext ist gemäss Ingold besonders wichtig, «damit sich Lernende bei Bedarf frühzeitig Hilfe holen.»

Die Bedürfnisse der jungen Nachwuchskräfte berücksichtigt Helsana, indem sie Jugendlichen bei Bedarf fixe Arbeitsplätze in der Nähe der Bildungsverantwortlichen zuweist, obschon generell Desk Sharing praktiziert wird. «Dadurch ergeben sich für Jugendliche mehr Kontinuität und Stabilität sowie ein besserer Austausch mit den Bildungsverantwortlichen. Das ist besonders bei Lehrbeginn wichtig.» Homeoffice müsse bei Lernenden gut begleitet werden. Erst ab dem zweiten Lehrjahr dürfen diese deshalb gewisse Aufgaben «nach Absprache mit den Bildungsverantwortlichen» von zu Hause aus erledigen. Das, weil Homeoffice-Arbeit weniger sozialen Kontakt mit sich bringt, sich die Kommunikation schwieriger gestalten kann und mehr Selbstmanagement notwendig ist. Letzteres sei bei Lernenden aufgrund ihrer geringen Berufserfahrung häufig aber noch wenig ausgeprägt.

Zur Stressreduktion gehört für Ingold auch der Umgang mit sozialen Medien, der bei Helsana in einem Verhaltenskodex geregelt wird: «Lernende müssen sich ihrer Verantwortung bewusst sein und einen gesunden Umgang damit finden.» Eine kurze Auszeit vom Bildschirm könne aber Wunder bewirken, wenn ständig Informationen auf einen einprasseln. «Damit sich die Jugendlichen an diese Vorgaben halten, müssen die Bezugspersonen am Arbeitsplatz mit gutem Beispiel vorangehen.»

Arbeitsbedingungen und Gesundheitsverhalten

Der Ansatz der Helsana entspricht für Ingold jenem von Gesundheitsförderung Schweiz. «Auch wir setzen auf die gesunde Führung von Lernenden, die Prävention und Früherkennung von Problemen sowie Arbeitsaufgaben für die Entwicklung des Verantwortungs- und Selbstbewusstseins von Jugendlichen.» Welche Ansätze ein Unternehmen auch wählt, für Ingold entscheiden drei Faktoren über die Gesundheit der Jugendlichen: «Gesunde Arbeitsbedingungen, der Aufbau individueller Gesundheitskompetenzen und die Früherkennung sowie die Unterstützung während des Berufseinstiegs oder bei Problemen.»

Apprentice für Berufs- und Praxisbildende

Berufs- und Praxisbildnerinnen und -bildner sind die direkten Ansprechpersonen der Lernenden im Berufsalltag. Sie spielen eine tragende Rolle, wenn es darum geht, die psychische Gesundheit der Jugendlichen zu stärken und ein gesundheitsförderliches Arbeitsumfeld zu etablieren. Für sie hat Gesundheitsförderung Schweiz umfassende Informationen und hilfreiche Tipps zu den vier Handlungsfeldern «Führung von Lernenden», «Besonderheiten des Jungendalters», «Aufgaben und Stress» sowie «Motivation und Leistung» in ihrem Angebot Apprentice zusammen- getragen. Dazu gehören regelmässige Erfahrungsaustauschtreffen und der Zugang zu ausge- wählten externen Fachspezialistinnen und -spezialisten für Weiterbildungen und Fragen rund um die psychische Gesundheit der Lernenden.

Die Evaluation von Apprentice durch das Eigenössische Hochschulinstitut für Berufsbildung (EHB) hat gezeigt, dass das Angebot die Berufsbildungsverantwortlichen erreicht, einen Sensibilisierungs- nutzen bringt und dass die Angebotsteile Werkzeugkiste, Weiterbildungen und Austausch positiv bewertet wurden.

Weitere Informationen finden Sie unter friendlyworkspace.ch/de/bgm-services/apprentice

BGM Tagung 2023: Gesunde neue Arbeitswelt?»

Mittwoch, 20. September 2023, Kursaal Bern

 

Mehr Infos: bgm-tagung.ch

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Chefredaktorin, HR Today. cp@hrtoday.ch

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