Lernen

Lerne online und rede darüber

Die Reise hat erst begonnen, sagt Stijn de Groef, und er meint damit die unzähligen Möglichkeiten, die E-Learning bietet. Der Belgier 
ist Mitbegründer von Talmundo, einem niederländischen Start-up-
Unternehmen, das Firmen hilft, Lernkonzepte zu erstellen, 
und die Software dazu entwickelt.

Es gibt Menschen, die können sich stundenlang in ein Fachbuch vertiefen. Sie können stundenlang einem Dozenten zuhören, unabhängig davon, wie gut dessen rhetorische und didaktische Fähigkeiten auch sein mögen. Und sie schreiben stundenlang konzentriert Notizen von einem Flipboard ab.

Mag sein, dass Sie solche Menschen in Ihrem Unternehmen haben. Es mag auch sein, dass diese traditionellen Lernmethoden Erfolg bringen. Wahrscheinlich aber ist: Die meisten finden sie langweilig. Und noch schlimmer: Viele nehmen von solchen Schulungen nur wenig mit. Das Gelernte bleibt auf dem Papier, das Papier verschwindet in einer Schublade.

Nicht gerade das, was Talentmanager sich wünschen. Aber das muss auch nicht so sein. Lernen kann Spass machen, den Wettbewerbsgeist wecken, nachhaltig wirken. Vor allem E-Learning mit dem Trend zu Gamification, also spielerischem Lernen, verspricht diesbezüglich Erfolg. Mit den neuen technischen Möglichkeiten ist Lernen um viele Facetten reicher geworden. Doch die Entwicklung neuer Tools läuft schnell, und die Art und Weise, wie Informationen verbreitet werden, ändert sich rasant. Selbst für Profis ist es nicht leicht, die Übersicht zu behalten, und oft fehlt auch das IT-Wissen, um eine für das eigene Unternehmen geeignete Lernstrategie zu entwickeln.

Zur Person

Stijn de Groef ist Senior Global Talent Manager bei Swarovski in Männedorf und Mitbegründer von Talmundo. Das Start-up-Unternehmen berät Firmen im Bereich Learning & Development.

Eine neue Lernwirklichkeit

Talmundo kennt dieses Problem. Das junge niederländische Unternehmen berät Firmen in Learning-&-Development-Fragen. Das Team entwickelt Lernkonzepte, aber auch die Software dazu. Einer der Mitbegründer ist der Belgier Stijn de Groef, der neben seinem Engagement für das Start-up Talmundo als Senior Global Talent Manager bei Swarovski in Männedorf arbeitet. Er sagt: «Es ist extrem aufregend, wie viel im Lernbereich passiert. Für alle, die Veränderungen mögen, sind es sehr spannende Zeiten.»

Spannend vor allem deshalb, weil der technische Fortschritt so schnell Neues auf den Markt bringt, dass sich die Zukunft nur schlecht vorhersehen lässt. «Augmented Reality wird uns aber sicher noch beschäftigten», sagt de Groef zu den Trends. In dieser «erweiterten Realität» wird das sinnlich Wahrgenommene vom Computer ergänzt, zum Beispiel mit Informationen oder visuellen Elementen. Ein einfaches Beispiel dafür sind Linien auf dem Fussballfeld, die bei Liveübertragungen bei Freistössen eingeblendet werden. «Die Realität könnte so verändert werden, dass sie zu einem besseren Lernumfeld wird», sagt de Groef.

Stehen uns also Zeiten bevor, in denen Bücher und Frontalunterricht nicht mehr existieren? De Groef verneint. «Die traditionellen Lernmethoden sind ja nicht grundsätzlich schlecht. Aber sie sind nur eine Art, ein Tool, wie heute gelernt werden kann. Jedes Unternehmen muss für sich die richtige Kombination von Methoden finden.» Um diese festzulegen, gibt es laut de Groef vier Punkte, die geprüft werden müssen:

  1. Was genau soll vermittelt werden?
  2. Wer ist das Zielpublikum?
  3. Wie ist die Unternehmenskultur?
  4. Welche Hardware steht zur Verfügung?

Während der letzte Punkt relativ schnell beantwortet ist, können sich die anderen drei als etwas schwieriger erweisen. Beim Thema Unternehmenskultur beispielsweise müssen sich die Verantwortlichen fragen, ob ein eher traditioneller Geist weht oder ob das Unternehmen von sich behauptet, bei Innovationen führend zu sein. Letzteres würde dazu führen, dass von den Mitarbeitern auch moderne Lernmöglichkeiten gefordert werden.

Bei der Zielgruppenfestlegung geht es vor allem darum, ob das Tool von 20-jährigen Lernenden benutzt wird oder ob es sich eher an Manager richtet. «Ältere Mitarbeitende haben oft unbegründete Ängste gegenüber den neuen Lernmethoden. Sie kennen sich nicht aus mit Computerspielen, und so sind anfangs einige Handgriffe, die für jüngere Generationen selbstverständlich sind, ungewohnt. Aber das sind keine komplizierten Dinge, und sie sind schnell gelernt.»

Viel wichtiger sei es, solchen Mitarbeitenden zu versichern, dass kein Geheimnis hinter diesen Spielen stecke, dass es nicht einen Algorithmus zu entdecken gebe, sondern es nur darum gehe, einen fiktiven Fall zu lösen.

Für junge Mitarbeiter hingegen entspricht E-Learning genau ihren Bedürfnissen. «Sie sind aufgewachsen mit einer unglaublichen Informationsflut und haben eine kurze Aufenthaltsdauer bei einzelnen Inhalten», sagt de Groef. Das spontane Lernen in Häppchen, ob unterwegs am Telefon, auf dem iPad oder daheim am PC, ermögliche genau das. Solches Lernen ist in de Groefs Augen auch nicht oberflächlicher als die traditionellen Methoden. «Junge Menschen haben Spass an spielerischen Tools. Spass bedeutet, sich gut zu fühlen, und wer sich gut fühlt, verankert Lernstoff erwiesenermassen besser.»

Zuerst spielen, dann reden

Zur Auseinandersetzung mit der Frage, was genau vermittelt werden soll, gehört das Wissen, wann sich welche Methode eignet. «Auch E-Learning hat seine Grenzen», sagt de Groef. «Online lernen eignet sich sehr gut, um Know-how zu vermitteln und für ein bestimmtes Thema zu sensibilisieren. Das gelingt am besten, indem Alltagssituationen simuliert werden. Der grösste Mangel aber ist, dass keine direkte Interaktion stattfindet.» Das beste Tool könne nicht die Wirkung der direkten menschlichen Kommunikation, wie sie beispielsweise beim Coaching geschieht, ersetzen. «Die Linie zwischen Kommunikation und Lernen ist sehr dünn. Jede Interaktion mit einer anderen Person ist eine Lernmöglichkeit», sagt de Groef. Diese Chance verpasst, wer alleine vor dem Computer sitzt.

Aufbauend auf dieser Erkenntnis ist es sinnvoll, bei E-Learning-Inhalten Teams gegeneinander antreten zu lassen und die Teilnehmer immer wieder zusammenzubringen, um sie über ihre Erfahrungen reden zu lassen. Oder aber mit Hilfe der Technik den Austausch überhaupt zu ermöglichen, wie es Talmundo gemacht hat. Das Unternehmen hat ein Tool entwickelt für sogenanntes Shadowing, also Lernen von anderen. «Es ist eine Art Dating-Plattform für Mentoring-Partner», erläutert de Groef. «Sowohl Mentoren als auch interessierte Mentees erstellen ein Profil. Das System stellt dann konzernweit geeignete Pärchen zusammen.»

Dieses Tool lässt sich für jedes Unternehmen übernehmen. De Groef räumt ein, dass die besten Lernstrategien jene sind, die speziell auf ein einzelnes Unternehmen zugeschnitten sind. Das kostet. «Im Moment ist das noch vor allem für grosse Unternehmen eine Option. Aber die Kosten sinken mit der Zeit. Wir sind erst am Anfang der Reise.»

  • Vortrag von Stijn de Groef, Swiss Professional Learning, Mi., 10. April 2013, 11.30 Uhr, Forum 5
     
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