Arbeitsplatzgestaltung

Licht macht helle – und das 
in mehr als nur einer Hinsicht

Menschen, die wenig Tageslicht geniessen können, sind unzufriedener und gesundheitlich anfälliger als ihre lichtverwöhnten Kollegen. Kein Wunder: Licht ist viel mehr als nur Helligkeit, es beeinflusst uns in vielfältiger Weise.

Ohne sichtbares Licht ist bewusstes Sehen für den Menschen unmöglich. Einfallendes Licht wird in den Augen gesammelt und weiterverarbeitet: Die Netzhaut wandelt die eintreffenden Lichtimpulse in Nervensignale um und leitet sie über den Sehnerv ans Gehirn weiter, damit dort ein Abbild der Umgebungswelt entsteht. Neben den Hirngebieten, die fürs Sehen verantwortlich sind, trifft die Lichtinformation auch auf Hirnregionen, die eine wichtige Rolle für die Schlaf-wach-Regulierung und die Verarbeitung von Gedächtnisinhalten und Emotionen spielen. Darum ist wahrscheinlich kaum ein Bedürfnis des Menschen so tief in der Geschichte des Lebens verwurzelt wie die Hinwendung zum Licht.

Nicht-visuelle Lichtwirkungen

Lichtwirkungen, die nicht unmittelbar mit dem Sehen zusammenhängen, werden als sogenannte nicht-visuelle Lichtwirkungen bezeichnet, welche nachfolgend kurz zusammengefasst sind.

  1. Licht eicht die innere Uhr. Die Tagesrhythmik (Circadianrhythmik) ist eine Spontanrhythmik, die eigentlich in jeder Körperzelle tickt, aber von einem reiskorngrossen Hirngebiet, das ca. 2 Zentimeter hinter der Nasenwurzel liegt, kontrolliert wird. Licht gleicht diese Spontanrhythmik auf den immer wiederkehrenden 24-Stunden-Licht-dunkel-Wechsel ab, der sich durch die Erdrotation ergibt. Licht wirkt deshalb als Zeitgeber. Fällt das Licht für einige Zeit aus, oder sehen wir das Licht zur falschen Zeit, befindet sich die innere Uhr nicht mehr im Lot mit dem natürlichen 24-Stunden-Licht-dunkel-Wechsel, was zu circadianen Schlafstörungen führt. Das geschieht sehr oft bei Leuten mit Sehbehinderungen, bei Schichtarbeitern oder wenn man nach dem Überfliegen von mehreren Zeitzonen mit einem Jetlag zu kämpfen hat.
  2. Licht macht wach. Eine tagaktive Spezies wie der Mensch empfindet das Licht als Wachstimulus. Im Gegensatz dazu wirkt Licht bei nachtaktiven Tieren schlafinduzierend. Ab etwa 100 Lux wirkt Licht bei jungen Menschen wachheitssteigernd. Das entspricht einer nicht allzu starken Raumbeleuchtung. Diese Helligkeit erreicht man aber schon, wenn man vor einem Computerbildschirm sitzt. Neben der Lichtstärke spielt auch die Wellenlänge, also die farbliche Zusammensetzung des Lichts, eine wichtige Rolle. So hat Licht mit hohen Blauanteilen eine stärkere wachheitssteigernde Wirkung als Licht in anderen Farben, weil spezielle Lichtrezeptoren in der Netzhaut besonders bei Blaulicht aktiv werden und so die nicht-visuellen Lichtwirkungen gezielt auf das Gehirn weitervermitteln.
  3. Licht macht helle. Neue Untersuchungen zeigen, dass Licht auch direkte Auswirkungen auf die kognitive Leistungsfähigkeit von Menschen hat. Unser Forschungsteam am Zentrum für Chronobiologie konnte feststellen, dass Versuchspersonen eine Lernaufgabe vor einem mit Leuchtdioden (LED) mit vielen Blauanteilen bestückten Computerbildschirm besser lösten, als wenn sie die gleiche Aufgabe vor einem «normalen» Computerbildschirm ohne LEDs der gleichen Lichtstärke meistern mussten (die Aufgabe bestand im Erkennen von Wortpaaren, siehe Grafik). Neben dem Gedächtnis für deklaratives Lernen werden auch sogenannt höhere kognitive Funktionen im Bereich der zielgerichteten Handlungssteuerung und der Daueraufmerksamkeit mit blauangereichertem Licht im Vergleich zu Glühlampenlicht verbessert.
  4. Licht wirkt antidepressiv. Die Lichttherapie ist das Mittel erster Wahl bei der Behandlung von Winterdepressionen, und deren Kosten werden schon seit über 20 Jahren von den schweizerischen Krankenkassen vergütet. Zudem zeigen neue Studien, dass Licht auch bei anderen psychiatrischen Erkrankungen antidepressiv und gegen die häufige Tagesmüdigkeit wirkt.

Die Lichtbedingungen müssen vor allem bezüglich des visuellen Komforts optimal auf den Arbeitsplatz abgestimmt werden. In letzter Zeit spielen aber auch die nicht-visuellen Lichtwirkungen zunehmend eine grössere Rolle. Aufgrund der neuen Forschungsresultate, wie Lichtqualität und Wohlbefinden zusammenhängen, hat die Lampenindustrie ein neues Geschäftsfeld entdeckt. So erhofft man sich positive Effekte auch von besserem Licht am Arbeitsplatz. Ob diese Hoffnung berechtigt ist, haben Forscher der Universität Surrey in einem Bürogebäude in England untersucht. Sie bestrahlten je ein Stockwerk zuerst vier Wochen mit weissem Licht und dann vier Wochen mit blauangereichertem Licht oder umgekehrt. Sowohl Aufmerksamkeit als auch Gemütslage, Leistung, Konzentration und Sehkomfort waren beim blauweissen Licht signifikant verbessert. Auch konnten die Probanden in der Nacht besser schlafen.

Wichtige Lichtquellen im Büro sind nicht nur Lampen, sondern auch die Bildschirme. Biologisch besonders aktiv sind Modelle der neueren Generation mit LEDs, denn sie emittieren stark im blauen Wellenlängenbereich. Neben der oben erwähnten geistigen Leistungsfähigkeit wirken LED-Bildschirme auch auf physiologische Messgrössen beim Menschen wie zum Beispiel die abendliche Produktion des Dunkelhormons Melatonin (steuert den Tag-Nacht-Rhythmus des menschlichen Körpers) und die Hirnaktivität.

Innovativer Ansatz: Lichtdecke

Neben der Lichtgestaltung mit künstlichem Licht im Büro ist aber auch der Einbezug von natürlichem Tageslicht sehr wichtig. Schon 1971 definierte der Biologe Stephen Boyden das Bedürfnis nach Tageslicht als eine der «well-being needs»: als Voraussetzung für ein Leben ohne stressbedingte Krankheiten. Man weiss, dass Mitarbeiter, die wenig Tageslicht abbekommen, unzufriedener und gesundheitlich anfälliger werden (Berliner Ergonomic Institut für Arbeits- und Sozialforschung). Darum arbeiten Physiker, Lichtplaner, Architekten und Chronobiologen fieberhaft an ausgeklügelten Systemen und Gebäudegrundrissen, um das Tageslicht bis in hinterste Zimmerwinkel zu leiten. Eine ideale Lösung wäre es, eine biodynamische Lichtquelle am Arbeitsplatz zu haben, das heisst eine Lichtquelle, die punkto Intensität und Wellenlänge (Farbe) dem natürlichen Wechsel des Tageslichtes möglichst nahekommt. Denn evolutionsgeschichtlich gesehen wurde der Mensch nicht fürs Büro konzipiert. Für uns wäre es normal, wenn wir tagsüber draussen im Hellen wären.

Einen sehr innovativen Ansatz, dieses Dilemma zu entschärfen, kommt derzeit vom Fraunhofer-Institut, das eine dynamische Lichtdecke mit tausenden von kleinen LEDs entwickelt hat, welche dem Büroangestellten das Gefühl vermittelt, unter freiem Himmel zu arbeiten (siehe www.fraunhofer.de/en/press/research-news/2012/january/sky-light-sky-bri…). Erste Untersuchungen zeigen, dass ein solches Lichtszenario vor allem bei der Verrichtung von kreativen Arbeiten am Computer auf grossen Anklang stösst.

Neben dieser kreativen technischen Lösung der Bürobeleuchtung versucht man eine nüchterne Vornorm zu erstellen, um die wichtigen Begriffe zur circadianen, nicht-visuellen Wirkung von Licht auf den Menschen zu klären. Das Ziel ist es, aufzuzeigen, wann und wie biologisch wirksame Beleuchtung einzusetzen ist und wie viel wirksamer als normales Licht sie ist. Viele Forscher glauben allerdings, dass es für eine solche Richtlinie noch zu früh ist. Es sind noch zu viele Fragen offen, und es mangelt an Studienergebnissen, um sich derart festzulegen.

Es ist aber sehr positiv, dass neben den visuellen Aspekten nun vermehrt die Wirkungen des Lichts auf die innere Uhr, die  Regulation des Schlaf-wach-Rhythmus, die kognitive Leistung sowie die Stimmung berücksichtigt werden.

Quellen:


  • 1. Cajochen, C., Frey, S., Anders, D., Späti, J., Bues, M., Pross, A., Mager, R., Wirz-Justice, A., Stefani, O. Evening exposure to a light emitting diodes (LED)-backlit computer screen affects circadian physiology and cognitive performance. J Appl Physiol. 110: 1432-8, 2011.
  • 2. Chellappa S. L, Gordijn M. C., Cajochen C. Can light make us bright? Effects of light on cognition and sleep. Prog Brain Res. 2011;190:119-33. Review.
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Prof. sc. natw. 
Christian Cajochen, 
Verhaltensbiologe, arbeitet seit 12 Jahren an der Psychiatrischen Universitätsklinik in Basel, wo er das Zentrum für Chronobiologie leitet. Er erforscht u. a. die circadiane und homöostatische Regulation der menschlichen Schlaf-wach-Rhythmik.

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