HR Today Nr. 3/2022: Serie – Sozialversicherungen

Lohnt sich ein BVG-Minimalplan?

Minimalpläne sind Vorsorgelösungen, die nur das gesetzliche Minimum absichern. Doch können Arbeitgebende diese Art der beruflichen Vorsorge noch verantworten? Und was bedeutet eine BVG-Minimallösung für die Mitarbeitenden?

1972 wurden die Bestimmungen zur beruflichen Vorsorge in der Bundesverfassung verankert. Erst 13 Jahre später, am 1. Januar 1985, trat das entsprechende Bundesgesetz über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG) in Kraft. Dieses definiert Minimalleistungen für alle Arbeitnehmenden ab dem 18. Altersjahr. Ziel der obligatorischen beruflichen Vorsorge ist, den Versicherten zu ermöglichen, die gewohnte Lebenshaltung nach der Pensionierung in angemessener Weise fortzusetzen. Zusammen mit der ersten Säule sollen sie ein Renteneinkommen von mindestens 60 Prozent des letzten Lohns erzielen.

Der BVG-Minimalplan entspricht den gesetzlichen Mindestvorgaben

Ab einem Jahreslohn von 21'510 Franken unterstehen Arbeitnehmende der beruflichen Vorsorge. Im BVG-Obligatorium sind jedoch nur Lohnanteile von 25'095 bis und mit 86'040 Franken (Werte für 2022) versichert. Das Gesetz sieht vor, nicht den ganzen Lohn, sondern nur einen gewissen Teil zu versichern, um eine Koordination mit der AHV zu erreichen und so Überversicherungen auszuschliessen. Deshalb kommt der BVG-Koordinationsabzug in Höhe von 25'095 Franken zur Anwendung. Der maximal versicherte Lohn beläuft sich somit auf 60'945 Franken. Arbeitnehmende unter 25 Jahren sind nur für die Risiken Tod und Invalidität versichert.

Ungenügende Leistungen für Besserverdienende

Ob sich ein BVG-Minimalplan lohnt – eine Frage der Perspektive? Als Geschäftsführer vertrete ich ein klares Nein, da dieser für eine zeitgemässe Vorsorge nicht mehr ausreicht. Er ermöglicht das Ziel der «angemessenen Vorsorge» lediglich in einem eng definierten Lohnband. Wer in einem Minimalplan versichert ist und über 86 040 Franken verdient, erreicht das verfassungsrechtlich anvisierte Leistungsziel nach der Pensionierung nicht. Bei Jahreslöhnen über der BVG-Lohnobergrenze nimmt das voraussichtliche Rentenniveau rasch ab. Analoge Effekte zeigen sich bei den Invaliditäts- und Hinterlassenenleistungen.

Keine Generationenfairness bei Minimalplänen

Ungewollte Umverteilungseffekte treten in einem gesetzlichen Minimalplan besonders ausgeprägt auf, da die Vorsorgeeinrichtungen die garantierten Renten mit einem beträchtlichen Teil der Anlageerträge der Berufstätigen finanzieren müssen. Diese werden dann zugunsten der Pensionierten umverteilt. Dies widerspricht jedoch dem Grundgedanken des Kapitaldeckungsverfahrens der zweiten Säule.

Weg von den BVG-Minimal- hin zu höheren Sparplänen

Grosser Handlungsbedarf besteht bei Besserverdienenden, da ihre Absicherung mit den gesetzlich vorgesehenen Minimalleistungen nicht genügt. Lohnbestandteile über 86'040 Franken gehören somit zum BVG-Überobligatorium. In diesem Bereich sollten Arbeitgebende Mitarbeitenden Leistungen anbieten, die über das gesetzliche Minimum hinausgehen. Durch geschickte Lösungen können sich Unternehmen von der Masse abheben und einen wichtigen Beitrag für eine angemessene Altersvorsorge ihrer Mitarbeitenden leisten.

  • Höheren Lohnanteil versichern: Arbeitgebende können freiwillig auf den Koordinationsabzug verzichten oder diesen an das Teilzeitpensum anpassen. Das hilft insbesondere Frauen, Vorsorgelücken zu minimieren.
  • Als Arbeitgebende etwas drauflegen: Zahlt ein Arbeitgebender freiwillig mehr als die gesetzlich vorgeschriebene Hälfte der Beiträge an die Vorsorgeeinrichtung, sorgt er dafür, dass seinen Mitarbeitenden am Ende des Monats netto mehr im Portemonnaie bleibt – ein gutes Argument bei Lohngesprächen. Als Unternehmen bezahlt man zwar höhere Pensionskassenbeiträge, kann diese Kosten jedoch als Geschäftsaufwand geltend machen.
  • Sparprozess optimieren und früher beginnen: Der Ausbau der gesetzlich vorgesehenen Sparstaffel durch Erhöhen der jährlichen Sparbeiträge oder die Verbesserung der Risikoleistungen kann sich lohnen. Zudem können Arbeitgebende Mitarbeitenden das Sparen ab 18 Jahren anbieten. Je früher dieser Sparprozess beginnt, desto höher die Altersrente.
  • Mehr Risikoschutz bieten: Für Familien oder Wohneigentümer sind Leistungen im Todes- und Invaliditätsfall sehr wichtig.

Wer eine attraktive und flexible Vorsorgelösung bietet, kann sich beim Werben um Fachkräfte von der Konkurrenz abheben und als verantwortungsbewusster Arbeitgebender punkten. Das ist wichtig, da gemäss Prognosen der UBS auf dem Schweizer Markt bis ins Jahr 2030 eine halbe Million Arbeitskräfte fehlen werden. Arbeitgebende sind also gefordert, auch mit Vorsorgelösungen passende Arbeitskräfte zu gewinnen und zu halten.

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Werner Wüthrich ist Geschäftsführer der Sammelstiftung Vita.

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Yasmine Suter ist Leiterin Marketing & Kommunikation bei der Sammelstiftung Vita.

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