Arbeitsrecht

Massgebender Lohn in der AHV, IV und EO

Vom Einkommen aus unselbständiger Erwerbstätigkeit, dem massgebenden Lohn, werden Beiträge erhoben. Als massgebender Lohn gilt jedes Entgelt für in unselbständiger Stellung auf bestimmte oder unbestimmte Zeit geleistete Arbeit (AHVG 5/1+2). Die Beiträge sind bei jeder Lohnzahlung in Abzug zu bringen und vom Arbeitgeber zusammen mit dem Arbeitgeberbeitrag periodisch zu entrichten (AHVG 14/1). Zum massgebenden Lohn gehören begrifflich sämtliche Bezüge des Arbeitnehmers, die wirtschaftlich mit dem Arbeitsverhältnis zusammenhängen, gleichgültig ob dieses Verhältnis fortbesteht oder aufgelöst worden ist und ob die Leistungen geschuldet werden oder freiwillig erfolgen. Als beitragspflichtiges Einkommen gilt somit nicht nur unmittelbares Entgelt für geleistete Arbeit, sondern grundsätzlich jede Entschädigung oder Zuwendung, die sonst wie aus dem Arbeitsverhältnis bezogen wird, soweit sie nicht kraft ausdrücklicher gesetzlicher Vorschrift von der Beitragspflicht ausgenommen ist. Grundsätzlich unterliegen nur Einkünfte, die tatsächlich geflossen sind, der Beitragspflicht.

Leistungen bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses

Bestandteil des massgebenden Lohns sind auch Leistungen des Arbeitgebers bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses, soweit sie nicht im Sinn von AHVV 8ter davon ausgenommen sind (AHVV 7/q). Nicht zum massgebenden Lohn gehören danach folgende Leistungen, soweit sie acht Monatslöhne nicht übersteigen: Abgangsentschädigungen für langjährige Dienstverhältnisse nach OR 339b nach Abzug der Ersatzleistungen nach OR 339d; Abfindungen des Arbeitgebers an jene Arbeitnehmer, die nicht in der obligatorischen beruflichen Vorsorge versichert waren; Leistungen im Rahmen einer Vorruhestandsregelung des Arbeitgebers; Entschädigungen bei Entlassungen im Fall von Betriebsschliessung oder Betriebszusammenlegung.

Vorruhestandsregelung

Ein Sozialplan sah folgende Regelung für vorzeitige Pensionierungen vor: «Im Fall notwendiger Abbau- oder Umstrukturierungsmassnahmen können die Mitarbeiter frühestens 24 Monate vor Erreichen des ordentlichen AHV-Alters, in Ausnahmefällen ab erfülltem 60. Altersjahr, von der Firma vorzeitig pensioniert werden. Die vorzeitig Pensionierten erhalten nebst den reglementarischen Leistungen der PVK (Altersrente und Überbrückungsrente) von der Firma folgende Zusatzleistungen: eine AHV-Überbrückungsrente bis längstens zum Erreichen des ordentlichen AHV-Rentenalters in der Höhe der mutmasslichen AHV-Altersrente und eine Einkaufssumme des Deckungskapitals der durch die vorzeitige Pensionierung resultierenden Leistungskürzungen der PK und EK.»

Diese Zusatzleistungen wurden bei der Arbeitgeberkontrolle als beitragspflichtiges Einkommen erfasst, und die Ausgleichskasse verpflichtete den Arbeitgeber zur Bezahlung von paritätischen AHV/IV/EO- sowie ALV-Beiträgen in der Höhe von 244726 Franken sowie Verzugszinsen von 23962 Franken. Diese wurden auf Vorsorgeleistungen in Form von AHV-Überbrückungsrenten und Einkaufssummen ins Deckungskapital der Pensionskasse berechnet, welche der Arbeitgeber gemäss Sozialplan zu Gunsten verschiedener, vorzeitig in den Ruhestand getretener Arbeitnehmer ausgerichtet hatte. Die Ausgleichskasse war der Meinung, bei den fraglichen Leistungen handle es sich um solche des Arbeitgebers bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses, die massgebenden Lohn darstellten, und nicht um Leistungen im Rahmen einer Vorruhestandsregelung des Arbeitgebers, die ausnahmsweise beitragsbefreit seien.

Vor Bundesgericht (Urteil H 121/06 vom 25. Januar 2007) streitig und zu prüfen war, ob die Ausgleichskasse zu Recht paritätische Sozialversicherungsbeiträge auf den durch den Arbeitgeber vorzeitig pensionierten Mitarbeitern erbrachten Leistungen eingefordert hat.

Unzulässige Einschränkungen in der WML

Das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) hat in der Wegleitung über den massgebenden Lohn (WML) in der AHV, IV und EO den Begriff „Vorruhestandsregelung“ in dem von ihm erläuterten Sinn umschrieben. Sie enthält offensichtlich zahlreiche Einschränkungen für die Beitragsbefreiung von Leistungen des Arbeitgebers, die in AHVV 8ter/1/c nicht enthalten sind. So sind gemäss BSV Leistungen im Rahmen einer Vorruhestandsregelung des Arbeitgebers nur dann beitragsbefreit, wenn der vorzeitige Rücktritt des Arbeitnehmers aus dem Erwerbsleben freiwillig erfolgte. Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung bieten aber Verwaltungsweisungen als Auslegungshilfe keine Grundlage, um zusätzliche einschränkende materielle Anspruchserfordernisse aufzustellen. Solche Einschränkungen für die Beitragsbefreiung sind somit nicht zulässig.

Das Bundesgericht hat entschieden, dass nach dem Wortlaut von AHVV 8ter/1/c alle Leistungen im Rahmen von Vorruhestandregelungen von der Beitragspflicht befreit sind. Ausgleichskasse und Bundesamt würden verkennen, dass der Gesetzgeber freiwillige Sozialleistungen des Arbeitgebers per se von der Beitragspflicht befreien wollte, und deshalb auf Verordnungsstufe nicht bloss der freiwillige vorzeitige Ruhestand als privilegiert gelten könne.

Regelung im Rahmen eines Sozialplans

Das Bundesamt machte zudem geltend, dass einzig AHVV 8ter/1/d (Entschädigungen bei Entlassungen im Fall von Betriebsschliessung oder Betriebszusammenlegung) auf Sozialpläne anwendbar sei. Diese Betrachtungsweise ist jedoch gemäss Bundesgericht verfehlt. Es ist nicht einzusehen, weshalb Entschädigungen, die im Fall einer Betriebsschliessung oder –zusammenlegung ausgerichtet werden, bis zu einer bestimmten Höhe nicht der Beitragspflicht unterliegen sollen, Zahlungen bei erzwungenem vorzeitigem Rücktritt des Arbeitnehmers im Fall von Restrukturierungen, wie teilweisen Verlagerungen oder Auslagerungen der Produktion, hingegen schon.

Der Auffassung des BSV kann umso weniger beigepflichtet werden, als Sozialpläne nicht nur bei Betriebsschliessungen und –zusammenlegungen, sondern ebenso bei so genannten Restrukturierungen vereinbart werden. Eine beitragsrechtliche Privilegierung von Zahlungen an Arbeitnehmer, deren Stelle infolge Betriebsschliessung/Zusammenlegung im Rahmen eines Sozialplans aufgehoben wird, im Vergleich zu Leistungen an Arbeitnehmer, deren Stelle auf Grund betrieblicher Restrukturierungsmassnahmen und ebenfalls im Rahmen eines Sozialplans wegfällt, findet in Gesetz und Verordnung keine Stütze und entbehrt einer sachlichen Grundlage.

Zusammenfassend sind somit gemäss Bundesgericht alle Leistungen im Rahmen einer Vorruhestandsregelung des Arbeitgebers, auch wenn sie im Rahmen eines Sozialplans erfolgen, von der Beitragspflicht befreit, soweit sie acht Monatslöhne nicht übersteigen.

  • Dieser Text entstammt der Publikation «Arbeitsrecht» Nr. 99 des Centre Patronal.
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Peter Schüpbach, lic. iur., ist verantwortlicher Redaktor der Publikation «Arbeitsrecht» des Centre Patronal.