Generationen-Management

Mit «Alt» und «Jung» gemeinsam die Zukunft gestalten

Unsere Gesellschaft verändert sich und wir und unser ­Arbeitsleben mit ihr. Ein wichtiger Zukunftstrend, der unser Arbeitsleben bekanntlich massiv beeinflusst und zunehmend beeinflussen wird, ist ihr Abbild: die demografische ­Entwicklung.

Wir werden in der Schweiz und in Europa gemeinsam älter. Diejenigen, die dieses Jahr ihren 50sten Geburtstag feiern dürfen, stellen mengenmässig die grösste Popula­tion dar, sie und die 50+/-somethings sind unsere «Baby­boomer». Neben den Babyboomern sind in unseren Organisationen verschiedene andere Altersgruppen vorzufinden und alle «Generationen» im Unternehmen haben ihre Besonderheiten, wurden von bestimmten Ereignissen geprägt und bringen sich mit ihren Wertvorstellungen, ihrem Wissen und ihren Erfahrungen ins Arbeitsleben ein.

Lange Zeit wurde im HRM und in der Führung dem Thema «Umgang mit verschiedenen Generationen» oder «Zusammenarbeit zwischen den Generationen» wenig Beachtung geschenkt, überhaupt hat das Thema «Altersdiversität» kaum Eingang in die Managementkonzepte oder ins HRM gefunden.

Aktivitäten und Programme fokussierten – wenn überhaupt – auf die «working age force», ein unbestritten wichtiger Bestandteil für ein umfassendes Generationen-Management. Und wagt man einen Blick in die heutige Praxis, stellt man fest, dass es bislang eher um die Kompensation von ­Fähigkeiten oder die Veränderung der Ansprüche älterer Arbeitnehmer (zum Beispiel Altersteilzeit) als um die Vorstellung eines integrativen Generationen-Managements ging. Motivierte und kompetente Mitarbeitende, die sich für die Ziele ihrer Organisation einsetzen sowie eine konstruktive ­Zusammenarbeit pflegen, sind erfolgskritische Grössen für eine Organisation.

Anspruch für die Zukunft:

Verschiedene Generationen in einem Unternehmen haben unterschiedliche Stärken, Ansprüche, einen unterschiedlichen Wissens- und Erfahrungsstand und befinden sich in unterschiedlichen Lebensphasen – auch was ihre Karrierevorstellungen oder ihre Lebensthemen ausserhalb der ­Arbeit ­betrifft.

Eine homogene oder heterogene «HR-Demografie» ­erzeugt unterschiedliche Realitäten:

Auch wenn die Arbeit mit einer relativ altershomogenen Arbeitsgruppe auf den ersten Blick vieles vereinfacht (die Wertesysteme sind eher synchron, die Art der Arbeit und Zusammenarbeit auch), so liegt auch gerade darin die «Crux». Denn wenn alle gleichzeitig den Schwerpunkt auf Vereinbarkeit von Beruf und dem Leben mit kleinen Kindern legen oder sich gleichzeitig um die Karrieremöglichkeiten «rangeln», kann auch das anspruchsvoll für das HRM und die Führung werden.

Mit «Alt» …

Auslöser für diese demografische Entwicklung und eine sich ändernde Zusammensetzung der Generationen im Unternehmen zugunsten einer älteren oder älter werdenden Belegschaft sind die seit Jahren niedrige und sinkende Geburten­rate und eine höhere Lebenserwartung. Dieses Phänomen wirkt auch auf die Anzahl an Personen im erwerbsfähigen Alter, die dem Arbeitsmarkt potenziell zur Verfügung steht. In ganz Europa wird derzeit das Pensionsalter erhöht oder über die Erhöhung diskutiert.

Die Zeit der (arbeitsmarktpolitisch motivierten) Frühpensionierungen ist vorbei und gleichwohl ist es so, dass wir circa zehn Jahre vor dem offiziellen Pensionsalter in der Schweiz ungefähr einen Drittel der Mitarbeiter vorzeitig aus dem ­Arbeitsleben ausplacieren (im Vergleich dazu sind es gemäss Eurostat 2010 in Deutschland über 40 Prozent und in Italien über knapp 65 Prozent). Dieses frühzeitige Ausscheiden hängt von arbeitsmarktlichen Gegebenheiten, der Situation im Unternehmen / am Arbeitsplatz sowie von der persönlichen Situation ab.

Gesundheitsbedingte Austritte aus dem Erwerbsleben ­nehmen ab dem 50. Lebensjahr zu. Ab dem 60. Lebensjahr kommen zunehmend persönliche und familiäre Gründe dazu. Es ist aber auch so, dass knapp ein Drittel der frühpensionierten Personen aufgrund von Umstrukturierungen des Jahrgangs den Job verliert (alle Angaben vgl. Sake 2006) und es ist ein offenes Geheimnis, dass die Jobsuche 50+ weit anspruchsvoller ist als in jüngeren Lebensjahren.

Noch herrscht die bilanzwirtschaftlich vermeintlich kluge Praxis vor, ältere Mitarbeitende durch jüngere zu ersetzen. Zumindest haben es ältere Mitarbeitende schwerer, die Stelle zu wechseln, einen neuen Job zu bekommen. Auch bei den teuren und umfangreicheren Weiter­bildungen wird gerne lieber in jüngere «High-Potentials» in­vestiert.

Doch gerade die Gruppe der älteren Mitarbeitenden hat für ein Unternehmen viele Vorteile aufzuweisen. So gingen in eigenen Befragungen von über 600 Führungspersonen in der Schweiz, in Deutschland, Italien und Finnland die Befragten davon aus, dass die älteren Mitarbeitenden eine sehr hohe Loyalität gegenüber dem Unternehmen haben, weniger häufig die Stelle wechseln als jünger Kolleg/-innen und ihre Leistungsfähigkeit derjenigen der jüngeren Kollegen entspricht. Insgesamt sprechen wir also von einer leis­tungsfähigen, loyalen Mitarbeitergruppe, die uns im Unternehmen erhalten bleibt und die wir bislang wenig beachtet haben in Führung und HRM. Sie wird künftig die grösste Gruppe im ­Unternehmen darstellen.

Und die «Die-bleiben-uns-ja-ohnehin-erhalten»-Mentalität verbaut uns die Chance, aus dem Potenzial dieser Genera­tion mehr zu machen. Aus der Psychologie der Lebensspanne wissen wir, dass die Entwicklung mentaler Fähigkeiten unterschiedlichen Alterungsprozessen unterliegt und ein Ausgleich stattfindet zwischen Fähigkeiten, die im Alter eher abnehmen (zum Beispiel Reaktionszeiten) und denjenigen, die zunehmen (zum Beispiel Erfahrungswissen). Mit Blick auf bestimmte Kompetenzen und Fähigkeiten wie der Ausgewogenheit von Entscheidungen bedeutet Älterwerden auch «besser werden». Und ein wichtiger Aspekt für ein langes Berufs­leben ist die Arbeits- und Arbeitsmarktfähigkeit.

… und «Jung»  …

Ein weiterer Zukunftstrend, der unser Arbeits­leben massiv beeinflussen und uns noch lange erhalten bleiben wird, ist die zunehmende Flexibilisierung des Arbeitslebens mit seinen neuen Arbeitsformen wie etwa flexiblere Formen der Arbeits­organisation, die digitale Vernetzung: «always on» als Arbeitsform. Und gerade die «­Digital Natives», die wie selbstverständlich als «Generation App» aufwuchs und sich wie selbstverständlich wischend im digitalen Umfeld bewegt, damit aufgewachsen ist oder aufwächst, hat hier ihre Vorteile und findet sich oftmals rascher zurecht oder nutzt diese Arbeits- und Kommunikationsformen häufiger und selbstverständlicher.

Aber auch der Zukunftstrend der «Individualisierung» mit seinem hehren Anspruch, den Vorstellungen und Ansprüchen des Einzelnen gerecht zu werden, lässt sich wohl mit einer Veränderung von Wertvorstellungen und einem stattfindenden Generations«wechsel» in den ­Unternehmen erklären. Eigenverantwortung, persönliche Wünsche und Selbstbestimmung werden zunehmend wichtiger und auch von den Mit­arbeitenden eingefordert.

… gemeinsam die Zukunft gestalten!

Das ursprünglich von Ilmarinen vorgestellte Konzept der Arbeitsfähigkeit «workability» bildet die Voraussetzung für ein langes erfolgreiches Arbeitsleben. Basis ist die körperlich-seelische Vitalität, darauf aufbauend folgen Qualifizierung und Kompetenz, dann Führungs- und Unternehmenskultur und entsprechende Arbeitsbedingungen. Sind diese Voraussetzungen nicht gegeben, wird die Beschäftigung älterer (und jüngerer) Mitarbeitender zur Herausforderung.

Gleichzeitig zur «zahlenmässigen» Veränderung des Verhältnisses verschiedener Genera­tionen in unserer Gesellschaft und zunehmend wohl auch in unserem Arbeitsleben stellen sich Generationeneffekte ein, wie die rasanten Entwicklungen in verschiedenen Lebensbereichen widerspiegeln. Wir reden von einem «Genera­tionen-Gap», der aufgrund der unterschiedlichen Werthaltungen, Interessen, Kompetenzen, Wünsche und Vorstellungen entsteht, die Angehörige einer bestimmten Generation mit ihren kulturellen Hintergründen und prägenden ­Ereignissen und Entwicklungen dieser Phase ­haben.

Unternehmen und Führungspersonen können diesen Herausforderungen mit dem Aufbau einer Führungs- und Organisationskultur, die durch Verständnis und Wertschätzung geprägt ist, begegnen. Die lebenslange Leistungsbereitschaft kann sichergestellt werden durch Gesundheitsmana­gement und die Entwicklung von Weiterbildungs- und Karrierechancen für Mitarbeitende mit 50 oder 55+. Die individualisierte und alternsgerechte Führung beachtet Informations- und Feedbackverhalten und -ansprüche verschiedener Generationen und bezieht in die Führung den Faktor Alter und Generation mit ein.

Intergenerationale Qualifizierung und Zusammenarbeit werden gefördert und vernetzt wie beispielsweise bei Mentoring- oder Beratungsprogrammen, die die Grundlage bilden, dass jüngere Mitarbeitende von älteren oder ehemaligen Mitarbeitenden Unterstützung erhalten bzw. dass deren Wissen dem Unternehmen auch längerfristig zur Verfügung steht.

Dafür wird oftmals ein Rollenwechsel vor­genommen und ehemalige Experten und Führungspersonen neu als Berater/-innen auf Zeit eingesetzt (Case: Consenec AG als Pionier auf diesem Gebiet oder ganz aktuell die Senior Experts von Daimler, die auf Zeit ins Unternehmen zurückgeholt werden).

Über all diesen Gestaltungsmöglichkeiten des Generationen-Managements steht wohl der Wunsch nach einem positiven Miteinander der Generationen und die Erkenntnis, dass es gar nicht ohne die Babyboomer und die erfolgreiche Fortsetzung der Beschäftigung mit dieser alternden Belegschaft geht – allerdings auch nicht ohne die jüngeren Generationen mit ihren Stärken und Besonderheiten.

Das Generationen-Management entwickelt das Wissen der Jüngeren und Älteren weiter und versucht, es zu vernetzen und organisa­tionsübergreifend nutzbar zu machen. Es wird Verständnis für die Anliegen verschiedener Altersgruppen oder Generationen im Unternehmen geschaffen und eine Auseinandersetzung mit diesem Thema angeregt. Aber: Erst wenn die Mitarbeitenden und Führungspersonen selber wissen, für was sie stehen und was sie ausmacht, kann ein umfassendes Generationen-Management gelingen. Es kommt also viel auf unsere Führungspersonen und HR-Mitarbeitende zu.

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Daniela Eberhardt ist Direktorin Human Resources Management der Stadt Zürich.

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