Arbeit und Recht

Mitarbeiterumfragen sind vertraulich – 
ehemaliger CEO mit Einsichtsbegehren abgeblitzt

Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 1. November 2012 (LA120015-O/U).

Das Urteil

Der Kläger war seit 2004 für die Beklagte und vorher bereits für die Muttergesellschaft tätig. Im August 2009 wurde er zum CEO der Beklagten ernannt. Nach wenigen Monaten erhoben Mitarbeiter massive Vorwürfe zu seinem Verhalten und Umgangston, mit denen die Personalabteilung der Beklagten ihn im April 2010 konfrontierte. Nach einer kurzweiligen Verbesserung kam es wiederum zu Beschwerden. Nach einer Mitarbeiterbefragung wurde er Mitte Juli 2010 erneut mit den Vorwürfen konfrontiert.

Die Vorwürfe der Mitarbeiter reichten von frauendiskriminierenden, rassistischen, sexistischen Bemerkungen bis hin zum Prahlen mit übermässigem Alkohol- und Drogenkonsum. Anlässlich dieses Gespräches gab der Kläger teilweise zu, dass er sich nicht korrekt verhalten habe. So gab er beispielsweise zu, dass er Frauen als «Schnecken» bezeichnet und sich über Schwarzafrikaner herablassend geäussert habe. Im Anschluss an das Gespräch wurde das Arbeitsverhältnis durch die Beklagte ordentlich gekündigt. Der Kläger machte daraufhin unter anderem eine missbräuchliche Kündigung geltend und verlangte eine Entschädigung von 66 000 Franken. Er verlangte ausserdem Einsicht in die Mitarbeiterbefragungen, was die Beklagte nur dem Rechtsvertreter des Klägers, nicht aber diesem selbst und ausserdem nur in anonymisierter Form gestattete.

Die Gerichte sahen das Fehlverhalten des Klägers zumindest in der Tendenz als bewiesen an. Der Umstand, dass sich wenige Monate nach Funktionsantritt 8 von 40 Mitarbeitern massiv über den CEO beschwerten, zeige klar, dass ein schwerwiegender Konflikt bestanden habe. In dieser Situation musste die Beklagte aufgrund ihrer Fürsorgepflicht gegenüber ihren Mitarbeitern handeln. Die Beklagte hat vorliegend alles Notwendige zur Abklärung der Situation gemacht und dem Kläger auch ausreichend Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt. Dass die Beklagte dem Kläger beziehungsweise seinem Rechtsvertreter nur beschränkte Einsichtnahme der Mitarbeiterbefragungen gewährt hatte, war ausserdem nicht zu beanstanden.

Gemäss Datenschutzgesetz kann das Recht auf Auskunft über eine Datensammlung nämlich verweigert werden, wenn es überwiegende Interessen Dritter erfordern. Dabei ist eine Interessenabwägung vorzunehmen. Möglich ist, die Auskunft nur unter Auflagen und Bedingungen zu gestatten, wie es vorliegend gemacht worden ist. Um den Persönlichkeitsschutz der befragten Mitarbeiter zu gewährleisten, hätte die Beklagte gar nicht anders handeln können. Ausserdem hat der Kläger Strafanzeige gegen unbekannt wegen übler Nachrede eingeleitet. Hätte die Arbeitgeberin die Identifikation der Mitarbeiter ermöglicht, hätte sie die Strafverfolgung gegen diese gefördert und damit ihre Fürsorgepflicht verletzt. Die Klage wurde deshalb vollumfänglich abgewiesen.

Konsequenz für die Praxis

Die Personalabteilung der Beklagten hatte in diesem Fall vorbildlich gehandelt. Sie hat die Kündigung gut vorbereitet und die Interessenabwägung zwischen dem Auskunftsrecht des gekündigten Mitarbeiters und den Interessen der befragten Mitarbeiter korrekt vorgenommen und mit der beschränkten Einsichtnahme einen guten Mittelweg gefunden.

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Yvonne Dharshing-Elser arbeitet als Anwältin in der Steuer- und Rechtsabteilung der OBT AG in Zürich. Sie berät vorwiegend KMU in Fragen des Arbeits-, Vertrags- und Gesellschaftsrechts.

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