Politische Herausforderungen und HR

Mitreden statt zuschauen

Mit den Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbänden hat 
das HR eine starke Vertretung in der Schweizer Politik. Bleibt die Frage, ob es nicht auch eine Lobby für ganz 
konkrete HR-Anliegen braucht. Eine solche fehlt oft vor 
allem im eigenen Unternehmen, wo die HR-Sicht im 
Verwaltungsrat zu wenig gut vertreten ist.

«Das HR hat keine Lobby.» Die Antwort von Matthias Mölleney auf die Frage, ob das Personalwesen politische Interessenvertreter hat, ist kurz und bündig. Auch den Grund dafür kennt der Präsident der Zürcher Gesellschaft für Personalmanagement (ZGP) und Leiter des Centers for Human Resources Management and Leadership an der Hochschule für Wirtschaft Zürich (HWZ): «Das Selbstverständnis des HR ist zu sehr nach innen fokussiert; mit dem Thema Lobby haben sich Personalverantwortliche bisher zu wenig befasst.»

Etwas anderer Meinung ist Bruno Staffelbach, Inhaber des Lehrstuhls Human Resource Management an der Universität Zürich: «Das HR hat genügend Lobbys in Form der verschiedenen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen.»

Stellt sich die grundsätzliche Frage, ob das HR überhaupt eine Lobby braucht. «Das HR alleine nicht», sagt Mölleney. Er sieht keinen Grund für das HR, die politische Agenda zu beeinflussen. Gehe es jedoch um Themen, die sowieso in der Öffentlichkeit diskutiert werden – wie die 1:12- oder die Abzocker-Initiative – müsste das HR mitdiskutieren und sich einbringen. «Das wäre Aufgabe der ZGP», gibt sich der Präsident selbstkritisch. Das Thema Lobbying stehe aber bereits auf der Agenda des Verbandes. «Statt im stillen Kämmerlein der Unternehmen zu reden, müssten die HR-Leute mit Fakten und Informationen an die Öffentlichkeit treten, damit in der Politik fundierter Entscheidungen getroffen werden können.» Das findet auch Bruno Staffelbach: «Bei Fach- und Sachthemen haben HR Professionals durchaus etwas zu sagen, nur hört man sie nicht.» Gerade bei Themen wie dem Fachkräftemangel oder dem Generationenkonflikt sei es wichtig, dass das HR den politischen Entscheidungsprozess mitgestalten könne und diese Debatten nicht einfach passiv geschehen lasse, ergänzt Mölleney. «Das HR ist schlecht beraten, wenn es da einfach nur zuschaut.»

Keine Lobby im Verwaltungsrat

Damit das HR mitgestalten könne, müsse sich in der Öffentlichkeit aber auch das Bild von der Personalarbeit wandeln, gibt Mölleney zu bedenken: «Sie muss mehr Gewicht bekommen und mehr Wertschätzung erhalten.» Ein Umdenken ist auch in den Firmen selber nötig. Es liege an ihnen, Personalchefs mehr in die Öffentlichkeit zu locken. «In der Schweiz gibt es mit einer Ausnahme keinen Verwaltungsrat, der aktive Erfahrungen im HR-Management hat», kritisiert Mölleney. Dabei geht es in den allermeisten Fällen, wenn Verwaltungsräte medial an den Pranger gestellt werden, um HR-Themen wie Boni, Löhne und Ähnliches. Deshalb müsste in diesen Gremien jeweils mindestens eine Person sitzen, die fundierte Erfahrungen im Human Resources Management besitzt. Warum dem derzeit nicht so ist, darüber kann Mölleney nur spekulieren: «Entweder wird das HR als nicht so wichtig angesehen, weswegen sich gute Kandidaten nicht für eine HR-Laufbahn entscheiden. Oder das HR wird deswegen als unwichtig eingeschätzt, weil sich zu wenige Top-Leute für eine HR-Laufbahn entscheiden.» Dass ein Personalchef zum CEO befördert werde, sei sehr unwahrscheinlich. Was auch damit zu tun habe, dass das HR innerhalb des eigenen Unternehmens im eigenen Verwaltungsrat keine Lobby habe, die sich für Belange des Personalwesens einsetzt.

Das liegt gemäss Bruno Staffelbach auch daran, dass HR viel zu administrativ betrachtet wird. «HR ist nicht einfach das, was die Personalabteilung tut. HRM ist eine Führungsaufgabe – auf der strategischen Ebene und in der Linie!»

Für eine erfolgreiche politische Lobbyarbeit sind aber auch Visionen nötig: Fragen, wie das HR Management in 20 Jahren aussehen solle, müssten beantwortet werden. «Ein Lobbyist muss wissen, wofür er lobbyiert», sagt Mölleney. Deshalb brauche er eine Idee, wie das HR im Jahr 2030 funktionieren soll. Davon ist das Personalwesen in vielen Firmen jedoch noch weit entfernt, es ergibt sich kein einheitliches Bild und es herrscht kein Grundkonsens, in welche Richtung es gehen soll. Einen Grund für dieses Problem sieht Bruno Staffelbach in der grossen Diversität der Schweizer Firmen, was einen einheitlichen Auftritt erschwere. Zudem dürfe man nicht vergessen, dass die 
HR Professionals sowohl für die Linie da seien als auch für die Beschäftigten, woraus sich dann verschiedene Zielkonflikte ergeben könnten. Deshalb sei es wichtig, dass die Geschäftsbeziehungsweise die Unternehmensleitung sich um ihr eigenes  Human Resource Management kümmert.

Forschung statt Politik

Mölleney sieht auch die Wissenschaft in der Pflicht: Die Forschung müsse sich die Frage nach der Zukunft des HR stellen und sie zu beantworten versuchen. Dies geschehe unter anderem über die Aus- und Weiterbildung an den Universitäten und Fachhochschulen. «Wenn der Weg über die Forschung funktioniert, braucht es gar kein politisches Lobbying», ist Mölleney überzeugt. Politische Einflussnahme betrachtet der ZGP-Präsident eher skeptisch: «Die Politik muss sich in Bezug auf die Führung von Unternehmen eher raushalten statt einmischen.» Die Politik brauche es für den gesellschaftlichen Bewusstseinswandel. «Für die konkrete HR-Arbeit braucht es jedoch eigentlich keine Lobby», resümiert Mölleney.

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