HR Today Nr. 9/2017: Next Generation Leadership

Nachhaltiger Führen: Stimmen zum Projekt

Stimmen zum unkonventionellen Weiterbildungsprogramm, in dessen Rahmen Führungstalente von Grossfirmen wie Hilti oder Swisscom virtuell und vor Ort gemeinsam mit einheimischen Unternehmern ein Lernzentrum in Kambodscha eröffnen. Die HR-Veratwortlichen, der Coach, der Bookbridge-Gründer, ein kambodschanischer Schuldirektor und ein Englischlehrer.

«Bookbridge schärft das Bewusstsein für das eigene Handeln und trägt zur Verankerung des nachhaltigen Denkens bei.»

Lisa Burgholzer, HR Business Partner, Hilti

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Frau Burgholzer, wie wählt Hilti die Personen aus, die am Capability-Programm teilnehmen?
Lisa Burgholzer: Grundsätzlich können sich alle Mitarbeitenden für einen der Plätze in ihrer Marktorganisation bewerben. Man sollte seit mindestens einem Jahr in seiner Position sein, darin Fuss gefasst haben und die Hilti-Kultur verstehen. Der Beweggrund, weshalb jemand an diesem Programm teilnehmen möchte, ist ein entscheidender Faktor. Zwei Dinge sind uns dabei wichtig: Erstens, dass man der Gesellschaft etwas zurückgeben will im Einklang mit der Kultur, der Strategie und den Werten von Hilti. Zweitens, dass man die Teilnahme für seine eigene persönliche Entwicklung nutzt.

Inwiefern passt Bookbridge zu Hilti?
Die vier Grundwerte, die Hilti tragen, sind Mut, Integrität, Commitment und Teamarbeit. Sie sind das Fundament unserer Strategie: Wir haben klar definiert, dass wir eine bessere Zukunft bauen wollen für alle. Hilti steht für nachhaltiges Wachstum ein und engagiert sich in lokalen und globalen Projekten, die diese Werte pflegen. Dass wird von allen Ebenen sehr geschätzt.

Wie unterstützt Bookbridge die Mitarbeitenden in ihrer persönlichen Entwicklung?
Bei Hilti haben wir für alle Mitarbeitenden einen klar definierten Entwicklungsprozess. Bookbridge hilft, Kenntnisse, Stärken und Entwicklungsbereiche weiter zu fördern. Ein grosser Mehrwert des Programms besteht darin, dass die Kandidaten mit unterschiedlichen Charakteren, Meinungen und Ansichten umzugehen lernen. Dies stärkt den Diversitäts-Gedanken und öffnet den Denkhorizont. Bei Bookbridge kann man seine unternehmerische Denkweise auf die Probe stellen und viel über sich und sein Verhalten lernen. Das Programm schärft das Bewusstsein für das eigene Handeln und dessen Auswirkungen auf andere. Damit trägt es zur Verankerung des nachhaltigen Denkens in unserem Unternehmen bei.

 

«In kurzer Zeit extrem viele Lernerfahrungen in Social Entrepreneurship und Intercultural Leadership»

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Mania Hodler, Head of Talent & Skills Management, Swisscom

Frau Hodler, wie ist das Capability-Programm von Bookbridge ins Weiterbildungs-Portfolio der Swisscom eingebettet und wie ist die Nomination organisiert?
Mania Hodler: Bis Ende 2016 konnten die Linienverantwortlichen ihre besten Mitarbeitenden für das Programm nominieren. Seit 2017 steht es allen zur Bewerbung offen. Es wird aber immer noch vom Talentmanagement der HR-Abteilung aus beworben, weil wir es für ein einzigartiges Angebot halten. Alle anderen Weiterbildungen zur Talentförderung führen wir inhouse durch.

Warum beteiligt sich Swisscom ausgerechnet an diesem Projekt und was zeichnet das Programm besonders aus?
Bookbridge bietet innerhalb eines sehr kurzen Zeitrahmens extrem viele Lernerfahrungen in Social Entrepreneurship und Intercultural Leadership. Sich das betriebswirtschaftliche Know-how im Kontext eines realen Businessplans anzueignen und gleichzeitig ein soziales Anliegen verwirklichen zu können, ist eine Kombination, die ich nur in wenigen Programmen vorfinde. Hinzu kommt der menschliche Aspekt. Hinter dem Capability-Programm steht eine hohe Professionalität, aber auch eine grosse menschliche Nähe. Die intrinsische Motivation von Carsten Rübsaamen, etwas Gutes für die Welt zu bewirken, ist spürbar und überträgt sich vom ersten Augenblick an auf die Teilnehmenden.

Von welchen Inhalten können die Mitarbeitenden zurück in ihrem alltäglichen Job am meisten profitieren?
Sehr bereichernd für unsere Mitarbeitenden ist der Austausch mit Personen aus anderen Unternehmen. Zudem kommen in einem Drittweltland die sogenannten «VUCA»-Kompetenzen stark zum Tragen. Wir leben in einer von Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambiguität geprägten Zeit. Unter Druck sehr agil auf Situationen reagieren zu können, davon profitieren unsere Mitarbeitenden stark, wie sie sagen.

 

«Die Teilnehmenden können sich im Programm extrem gut entwickeln, weil sie keine Chefs haben, sondern in hohem Masse selbstorganisiert agieren und kollaborieren.»

Boris Billing, Leiter Personalentwicklung bei der Zürcher Kantonalbank. Er begleitet die Teilnehmenden der Capability-Programme als Leadership-Coach, unter anderem auch in individuellen Coaching-Sessions.

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Herr Billing, wo sehen Sie im Capability-Programm die Herausforderungen in Bezug auf Leadership?
Boris Billing: Leadership hat sehr viel mit Persönlichkeit zu tun und mit der Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen. Es geht nicht nur darum, ein Team zu führen: Ich muss auch ein Thema oder ein Projekt, meinen Chef – was möglicherweise die schwierigste Aufgabe ist – und mich selbst führen. Die Teilnehmenden können sich innerhalb dieser Dimensionen im Programm extrem gut entwickeln, weil sie eben keine Chefs haben, sondern in hohem Masse selbstorganisiert agieren und kollaborieren.

Die Selbstorganisation im Projektteam hat bei vielen Teilnehmenden für Stresssituationen gesorgt. Ist sie in der Arbeitswelt tatsächlich so anwendbar?
Die Ausgangslage ist sicherlich speziell, weil das Programm zu 100 Prozent auf Selbstorganisation beruht. Es gibt einen Fall und nach dem ersten Tag die Aufforderung: «You are in the driver’s seat!». In dieser Klarheit und Ausprägung gibt es das nicht in jeder Organisation. Aber Unternehmen entwickeln sich in diese Richtung. Immer häufiger gibt es Situationen, in denen man erkennt, dass Themen nicht mehr alleine, sondern nur noch über Bereiche hinweg zu stemmen sind. Dann treffen sich Menschen an einem Tisch, die aus ganz unterschiedlichen Perspektiven auf Dinge schauen und erst mal ohne Hierarchie zusammenarbeiten müssen.

Wenn Menschen aus unterschiedlichen Lebens- und Arbeitswelten aufeinandertreffen, ist die Ausgangslage noch komplexer. Wie hat aus Ihrer Sicht die Zusammenarbeit im Cap9-Team funktioniert?
Sie war streckenweise holprig, aber sie war bereits in allen Programmen zuvor und wird in jedem weiteren Programm zu Beginn holprig sein. Jedes Team durchläuft diese Lernschleife und muss zunächst ein Vertrauensverhältnis aufbauen. Die Herausforderung besteht darin, das Verhalten des Gegenübers zu verstehen und gleichzeitig die Erwartung zu formulieren, dass mein Gegenüber dies auch tut. Das Cap9-Team hat einen guten Weg gefunden, zu akzeptieren, dass Menschen wirklich sehr unterschiedlich sind. Und es hat erkannt, dass dies hilft, ein gemeinsames Ziel erreichen zu können.

 

«Sich mit den Herausforderungen auseinandersetzen, die wir auf dieser Welt haben – das tun, finde ich, leider immer noch viel zu wenige»

Carsten Rübsamen, Carsten Rübsaamen, Gründer, bookbridge.org

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Herr Rübsaamen, vier Mal im Jahr startet bei Bookbridge ein Team ins Capability Programm. Welcher Wunsch steht bei Ihnen jeweils am Anfang?
Mein Wunsch ist, dass jeder Teilnehmende ein Gefühl dafür bekommt, dass er in seinem Leben – sei es beruflich oder privat – einen Unterschied machen kann. Dass er die Wahl hat, seinen Freundeskreis, die Familie oder das Team im Büro so oder eben anders zu führen. Und dass er auch die Möglichkeit hat, sich neben dem Beruf und der Familie für ein gemeinsames Wir auf der Welt einzusetzen und Brücken zu bauen. Viele Menschen heben sich das für ihren Ruhestand auf, oder sie spenden Geld. Aber wirklich selbst Hand anzulegen und sich mit den Herausforderungen, die wir auf dieser Welt haben, auseinanderzusetzen – das tun, finde ich, leider immer noch viel zu wenige.

Was haben Sie persönlich beim Aufbau von Bookbridge gelernt?
Zuallererst Demut. Ich habe an einer Business School studiert, an der jeder das Ziel verfolgte, der Beste zu sein. Man hat nicht wirklich gelernt zuzuhören. Und man hat auch nicht thematisiert, dass es noch eine andere Seite der Welt gibt. Demütig zu sein und zu erkennen, es gibt meine Realität und es gibt die Realität anderer – dies möchte ich weitergeben. Das Zweite ist die Bereitschaft, über den eigenen Tellerrand zu schauen und sich dabei immer wieder selbst zu reflektieren und Feedback einzuholen. Ich selbst habe mich unglaublich weiterentwickelt dadurch. Im Bereich der Hard Skills habe ich gelernt, dass mit den digitalen Tools heute sehr viel möglich ist. Man muss es wagen, sie zu nutzen, aber man muss auch die Grenzen erkennen. Und schliesslich habe ich es schätzen gelernt, Freude zu haben an den Dingen, die ich tue.

Welche Veränderung stellen Sie bei den Teilnehmenden fest, die diese Erfahrung machen?
Die Teilnehmenden erleben im Programm, wie man mit einer gemeinsamen Vision Grenzen überwinden und über Differenzen hinweg ein gemeinsames Ziel erreichen kann. Viele fragen sich danach: Was ist eigentlich meine Vision, was ist meine Rolle im Unternehmen? Zu erkennen, dass ich die Wahl habe, birgt eine unheimliche Kraft zur Veränderung. Ich kann vielleicht nicht alles auf einmal realisieren, aber ich habe dieses eine Leben, und ich kann mich bewusst entscheiden, wie ich es gestalte. Das Programm kann dazu einen Anstoss geben, oder einen Prozess, der bereits im Gange ist, verstärken. Das Gleiche passiert übrigens auch in Kambodscha, wo ein Kandidat bereits an seinem lokalen Business arbeitet und beginnt, anders zu denken und anders zu handeln. Darum geht es mir: Dinge in Gang zu setzen durch eine initiale unternehmerische Erfahrung.

 

Nachhaltiger führen

In einem unkonventionellen Weiterbildungsprogramm eröffnen Führungstalente von Grossfirmen wie Hilti oder Swisscom virtuell und vor Ort gemeinsam mit einheimischen Unternehmern ein Lernzentrum in Kambodscha. Einblick in ein erprobtes Führungsentwicklungs-Modell mit gesellschaftlichem Mehrwert. Zum Artikel

 

«Es war ein fantastisches Erlebnis»

Ravy Vang, Direktor des Salariin Kampuchea Learning Centers in Chreav, Kambodscha.

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Herr Vang, wie kam es dazu, dass Sie bei Bookbridge zum Community Hero erkoren wurden?
Ich lernte Bookbridge über das Netzwerk von Nichtregierungsorganisationen in Siem Reap kennen. Bookbridges Country Manager Sokhan Khut hat sich bei uns nach Informationen zum Registrierungsprozess für NGO erkundigt. Er hat mir in diesem Zusammenhang von seiner Organisation berichtet, und ich habe mich daraufhin als Community Hero beworben. Ich arbeitete seit 2008 bei Salariin Kampuchea und unsere finanziellen Reserven reichten zu diesem Zeitpunkt nur noch für ein Jahr. Noch bevor ich ausgewählt wurde, habe ich eine Versammlung in der Gemeinde organisiert, um die Anliegen der Bevölkerung zu erfahren.

Wie war es für Sie und das Team South, am Programm teilzunehmen?
Für mich war es das erste Mal, dass ich mit Menschen aus unterschiedlichen Teilen der Welt über digitale Tools wie Zoom, Teamwork oder Strategyzer zusammenarbeitete. Und für die Teilnehmenden im Team South war es das erste Mal, dass sie einen Business Plan entwickelten. Es war eine grosse Herausforderung, weil wir limitiertes Knowhow mitbrachten und Schwierigkeiten mit der Abstimmung der Zeitzonen und der Geschwindigkeit der Internetverbindung hatten. Aber wir haben sehr viel gelernt in Bezug auf Kommunikation, Führungsverantwortung, Aufgabenmanagement und IT. Es war ein fantastisches Erlebnis, das Team North bei uns in Chreav zu haben.

Wie geht es nun weiter mit dem Learning Center?
Es hatten sich nach einem Monat bereits über 150 Schülerinnen und Schüler in unsere Kurse eingeschrieben. Wir bieten Englisch- und IT-Unterricht und führen ein Bibliotheks-Programm. Ausserdem haben wir mit den Kindern Kampagnen zu Umweltthemen und Littering durchgeführt. Als nächstes werden wir Chinesisch- und Hospitality-Kurse einführen und die Kindertagesstätte und den Kindergarten eröffnen. Gleichzeitig arbeiten wir am Ausbau unserer Marketing-Strategie und der Weiterbildung unserer Lehrer.

 

«Es war toll, wie sich das Team gegenseitig unterstützt und weitergebracht hat»

Bona Vin, Englisch-Lehrer im Salariin Kampuchea Learning Center in Chreav, Kambodscha.

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Herr Vin, Sie haben an der Eröffnungszeremonie des Learning Centers in Chreav eine Rede in Khmer gehalten. Was haben Sie gesagt?
Meine Rede beinhaltete zwei wichtige Dinge: Zuerst habe ich über meine Motivation gesprochen, am Capability Programm von Bookbridge teilzunehmen. Ich möchte die Vision, aus Salariin Kampuchea ein soziales Unternehmen zu machen, in Realität verwandeln. Daraufhin habe ich mich an die anwesenden Familien gewandt: «Eltern, Onkel und Tanten», habe ich gesagt, «wenn ihr euren Kindern Geld, Land oder anderes Eigentum vererbt, wird es nicht lange Bestand haben. Nur das Wissen, das sich eure Kinder aneignen, wird sie ein Leben lang begleiten.»

Was haben Sie selbst im Capability Programm gelernt?

Ich habe viel über Business Modelle, Marketing und Verkauf gelernt. Das Gute war, dass wir die Theorie gleich in der Praxis anwenden konnten. Es war toll, wie sich das Team gegenseitig unterstützt und weitergebracht hat. Ich mag die Leute, die dabei waren, sehr.

Welchen Einfluss wird das Learning Center in Ihrem Ort haben?
Ich denke, unsere Schule wird eine Vorbildfunktion einnehmen können, weil wir für Integrität und Glaubwürdigkeit stehen.

 

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Jacqueline Beck ist freischaffende Journalistin in Basel mit einem Studium der Ethnologie und Medienwissenschaft an der Universität Basel und einem Master-Studium in Kulturpublizistik an der Zürcher Hochschule der Künste.

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