Personalrisikomanagement

«Seidenraupenbauern kann man nicht rekrutieren»

Im Freilichtmuseum Ballenberg gibts Berufe, die gibts gar nicht mehr. Genau das ist die besondere Herausforderung für HR-Leiterin Marianne von Niederhäusern. Rekrutieren ist in Hofstetten 
im Berner Oberland, wo die Ballenberg-Verwaltung sitzt, auch Artenschutz. Erfolge sind überlebenswichtig für den Betrieb.

Frau von Niederhäusern, Sie suchen Spinner, Hutmacher, Köhler und Schindler – Ballenberg hängt davon ab, ob Sie auf dem Personalmarkt erfolgreich sind.

Marianne von Niederhäusern: Es ist eine Tatsache, dass die Generation, die diese Handwerke noch beruflich ausgeübt hat, am Aussterben ist. Daher ist es umso wichtiger, dass wir uns bemühen, das Know-how zu bewahren und weiterzugeben. Wir hoffen, dass uns das auch in Zukunft noch gelingen wird. Bisher hatten wir immer das Glück des Tüchtigen, ausgezeichnete Handwerkerinnen und Handwerker zu finden. Viele unserer Mitarbeitenden sind auch durch ihr Hobby zu ihrer Tätigkeit bei uns gekommen, wie beispielsweise die Klöpplerinnen, die Weberinnen und der Korber. Gerade die Hutmacherin, eine jüngere Frau, verfügt aber über eine Berufsausbildung.

Woher nimmt der Ballenberg fähiges Personal mit heute exotischen Fertigkeiten?

Bei Bedarf schalten wir ein Inserat in der regionalen Tageszeitung und auf unserer Website. Viele der seltenen Handwerker haben wir aber durch Mundpropaganda gefunden. Oft haben die Mitarbeitenden jemanden im Bekanntenkreis, der sich auch für die Materie interessiert. Solche Personen werden dann eben angelernt. So gesehen sind wir auch eine Ausbildungsstätte für die eigenen Handwerker. Was man auf dem Markt nicht findet, muss man selber ausbilden.

Auf dem Ballenberg existiert auch ein Kurszentrum – Sie rekrutieren hier also auch gleich?

Das Kurszentrum bietet eine Vielzahl von Lehrgängen in den unterschiedlichsten Tätigkeitsfeldern an. Es ist nicht auszuschliessen, dass sich hier Kontakte ergeben, die später zu einer Anstellung führen. Es ist jedoch nicht so, dass wir den Kursteilnehmern auflauern, um sie anzuwerben.

Sind Fähigkeiten Angelernter so wertvoll und nachhaltig wie von klassisch ausgebildeten Fachkräften?

Unser Hauptthema ist die Bewahrung und Vermittlung der ländlich-bäuerlichen Kultur. Früher wurden auf einem Bauernhof viele dieser Tätigkeiten ausgeübt, ohne dass die Leute einen Berufsabschluss darin gehabt hätten. Es gehörte einfach dazu, dass man gewisse Fertigkeiten anzuwenden wusste. Von daher ist es nicht falsch, wenn wir bei gewissen Berufen auch mit Angelernten arbeiten. Wir legen natürlich grossen Wert auf hohe Qualität und erwarten ein gewisses Niveau bei der Arbeit.

Zur Person

Marianne von Niederhäusern ist 51 Jahre alt. Die HR-Fachfrau mit eidgenössischem Fachausweis und ausgebildete Bäuerin arbeitet seit August 2012 im Freilichtmuseum Ballenberg als Leiterin Personal, Finanzen und EDV. Sie hat drei erwachsene Töchter. In ihrer Freizeit treibt sie Sport, reist gerne und malt. (sr)

Welche sind die heute exotischsten Fachleute, die der Ballenberg beschäftigt und entsprechend rekrutiert?

Diese Saison haben wir das Glück, immer donnerstags einen gelernten Seiler bei uns zu haben. Dann zeigen wir verschiedene textile Techniken, die man nicht mehr kennt, wie zum Beispiel Filochieren, Frivolité sticken, Posamenten.

Wo inseriert man, wenn man «Seidenraupenbauern» rekrutieren muss? Solche Leute beschäftigen Sie ja auch.

Seidenraupenbauern kann man nicht rekrutieren. In unserem Haus von Novazzano wurde ursprünglich Seide produziert, das wollten wir wiederaufnehmen. Die Projektleiterin hat sich das Wissen durch Recherche und Nachforschung angeeignet. Das Ziel war, die Seidenraupenzucht so zu zeigen, wie sie in der Schweiz gemacht wurde. Nicht so, wie sie in China bekannt ist. Die Arbeit hat sich gelohnt. Die Ökonomische Gesellschaft Bern hat uns einen Orden für dieses Projekt verliehen.

Wie gehen Sie damit um, dass mittelfristig gewisse Berufsfähigkeiten nicht mehr vorhanden sein werden?

Wir versuchen, diese Fähigkeiten weiterzugeben. Falls wir tatsächlich etwas suchen sollten, das niemand mehr kann, wird sich die Sache wahrscheinlich ähnlich entwickeln wie bei den Seidenraupen. Dann muss man sich das Wissen beschaffen und ausprobieren. Es kann aber gut sein, dass mittel- bis langfristig gewisse Handwerksvorführungen nicht mehr möglich sein werden. Unsere Aufgaben als Museum sind das Erforschen, Sammeln, Bewahren und Vermitteln der ländlich-bäuerlichen Schweizer Kultur, also auch des traditionellen Handwerks.

Ist Personal aus dem Ausland für einen der Swissness verpflichteten Betrieb wie Ballenberg denkbar?

Schon in früheren Jahrhunderten vermittelten Ausländer in der Schweiz Handwerkstechniken. Wieso soll das heute nicht stattfinden? Wenn es in Zukunft der Sache dienen würde, nämlich der Bewahrung von traditionellem Handwerk, dann sind auch Fachkräfte aus dem Ausland herzlich willkommen.

  • Das Interview wurde schriftlich geführt.

Das Freilichtmuseum Ballenberg ist während der Saison bis zum 31. Oktober täglich von 10 bis 17 Uhr geöffnet. Weitere Infos zum Freilichtmuseum erhält man im Internet über www.ballenberg.ch.
 

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