Betriebliches Gesundheitsmanagement

Steuergruppe BGM: Wenn Vielfalt zum Stolperstein wird

Immer mehr Firmen setzen ein betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) um. Dabei sollen die Mitarbeiter in geeigneter 
Form eingebunden werden. In mittleren und grösseren Unternehmen verantwortet dies die BGM-Steuergruppe. Deren Zusammensetzung ist ein zentraler Erfolgsfaktor – vier Stolpersteine und Lösungsansätze.

Die BGM-Steuergruppen sind in ihrer Vielfalt oft ein Abbild des Betriebes und dessen Kultur und Subkulturen. In der Praxis zeigen sich daher verschiedenste Herausforderungen respektive Stolpersteine. Denn durch die Diversität kann es zu Konflikten kommen. Ein Beispiel: Frauen und Männer haben ein unterschiedliches Verständnis von Gesundheit (relevante Aspekte, Aktivitäten etc.). Dasselbe gilt für verschiedene Altersgruppen, Hierarchiestufen, Ausbildungsniveaus etc.

Diese Unterschiede sollten angesprochen werden. Eine einfache Möglichkeit: Frauen und Männer unterhalten sich getrennt zu den wichtigsten Gesundheitsthemen sowie deren Lösungsansätzen. Sie werden staunen!
Werden solche Unterschiede gezielt genutzt, ist dies  ein Gewinn. Dafür muss man sie aber auch kennen. Deshalb hier die wichtigsten Stolpersteine aus der Praxis:

Stolperstein 1: Die «Projektgruppe BGM» wird zur «Steuergruppe BGM»

Die Situationsanalyse zu Beginn des «Projektes BGM», die Erarbeitung eines Konzepts mit BGM-Zielen und -Prozessen und schliesslich die BGM-Einführung sollen mit einer Projektgruppe begleitet werden. In dieser Gruppe, meist von einer Person aus dem HR geleitet, sind verschiedenste Bereiche und Hierarchiestufen vertreten.

Wunderbar, wenn nach erfolgreichem Projektabschluss alle bei der BGM-Umsetzung weiter mitarbeiten möchten. Aber macht dies auch Sinn? Die Steuergruppe BGM soll im Wesentlichen die «Passung» zwischen Gesundheits- und Unternehmensstrategie sicherstellen, jährliche Ziele inklusive benötigter Ressourcen definieren und die Umsetzung überwachen. Die Gruppe sollte also zumindest aus Vertretern der GL, des HR und von Bereichs-/-Abteilungsleitungen bestehen. Weiter sind – wenn vorhanden – die Verantwortlichen für Arbeitssicherheit, Organisationsentwicklung und Mitarbeitervertreter integriert.

Betriebliches Gesundheitsmanagement und dessen Steuerung

Im betrieblichen Gesundheitsmanagement (BGM) geht es um ein umfassendes Konzept zur Prävention und Gesundheitsförderung, das sowohl die Arbeitsbedingungen als auch das individuelle Gesundheitsverhalten berücksichtigt (Definition gemäss Gesundheitsförderung Schweiz). Der Erfolg eines BGM wird mittels Beachtung der folgenden Kriterien sichergestellt:

  • 
klares Commitment der GL
  • 
Zielorientierung und Systematik (Bedarfsermittlung, Planung, Umsetzung, Controlling)
  • 
Verankerung im Management-/Controllingprozess
  • 
Ganzheitlichkeit der Massnahmen (Kombination von Verhältnis- und Verhaltensaspekten)
  • 
regelmässige Bewertung durch die GL

Im BGM-Kriterium Nummer 3 des Qualitätssiegels Friendly Work Space (www.gesundheitsfoerderung.ch/label) wird die Planung und Steuerung im BGM wie folgt beschrieben: «Für eine erfolgreiche und nachhaltige Implementierung von BGM in der Organisation ist eine Organisationsstruktur für BGM aufzubauen … Je nach Grösse verfügt die Organisation über eine(n) BGM-Verantwortliche(n) … oder eine BGM-Fachstelle. Als Steuerungsgremium ist eine Steuergruppe BGM (o.ä.) einzusetzen.»

Stolperstein 2: Die Steuergruppe widerspiegelt nicht die konkreten Machtverhältnisse

Eine sorgsam aufgestellte Steuergruppe BGM kann mit der Situation konfrontiert werden, dass die oben beschriebene Passung zwar formal vorhanden ist, aber das BGM bei wichtigen Entscheiden trotzdem nicht oder nur ungenügend beachtet wird.

In diesem Fall wurden die bestehenden Machtverhältnisse nicht genügend beachtet. Ein Ansatz wäre hier die Zusammenstellung der Gruppe anhand von Überlegungen zu Macht und Einfluss: Wer ist dem BGM wohlgesinnt, wer kann Finanzmittel sprechen, wer hat grossen Einfluss bei Entscheiden in der GL, wer muss immer zuerst angehört werden …?

Ein einfaches, ergänzendes Hilfsmittel zu diesen Überlegungen ist das sogenannte Kräftebild gemäss Nicolai Andler (siehe Kasten «Literatur»), womit formelle und informelle Kommunikations-, Einfluss- und Verhaltensmuster dargestellt werden können: Basierend auf dem bestehenden Organigramm und der Definition der wichtigsten Stakeholder werden in einer Skizze die Beziehungen zwischen verschiedenen Personen sowie deren Macht und Einfluss abgebildet.

Der Einbezug der Mitarbeitenden respektive der Zielgruppen würde hier zum Beispiel mittels Gesundheitszirkeln, Gruppeninterviews oder Projektgruppen, die sich befristet für ein Thema engagieren, erfolgen.

Stolperstein 3: Die Erwartungen und Kompetenzen sind nicht geklärt

Teilnahmegrund und Motivation der einzelnen Gruppenmitglieder sind unterschiedlich: Im Idealfall ist es ein Engagement zum Wohl der Mitarbeitenden und des Betriebs, im schlechtesten Fall ist der Einzelne zwangsdelegiert oder es geht um die Verhinderung unliebsamer Aktivitäten (etwa Führungsverantwortung). Wichtig ist daher zu Beginn die Klärung der gegenseitigen Erwartungen, der Kompetenzen sowie der Zusammenarbeitsregeln. Dies kann mittels der Übung «Team-Akkordeon» erfolgen (siehe Kasten).

Stolperstein 4: «In der Steuergruppe arbeite ich auch noch mit»

Die heutige Arbeitswelt ist vielfältig und interessant – manche verlieren die Übersicht über ihre diversen Projekte innerhalb des Betriebs. Und die Zeit ist immer knapp. Deshalb sollte bei der Zuteilung oder Annahme einer neuen Tätigkeit immer auch der notwendige zukünftige Zeitaufwand geklärt werden. Liegt dieser nicht im Promillebereich, muss konsequenterweise eine andere Aufgabe beendet oder abgegeben werden. Leider ist hier der zunehmend seltenere Idealfall beschrieben, und die Teilnahme an der Steuergruppe bedeutet für viele Zusatzarbeit.

Ob freiwillig oder unfreiwillig Mitglied der Steuergruppe BGM – der eigentliche Job geht immer vor. Entsprechend wird die Gruppenleitung immer wieder mit der Situation konfrontiert, dass nur die Hälfte an der Sitzung erscheint, Termine nicht eingehalten werden, das Engagement ausserhalb der Sitzung rudimentär ist etc. Hier gilt es Mass zu halten: Weniger ist mehr respektive maximal vier Sitzungen pro Jahr sollten reichen. Auch können Aufgaben delegiert werden: Die Aufgabe der Steuergruppe ist nicht hauptsächlich die Umsetzung von BGM, sondern dessen Steuerung (Zielsetzung, Massnahmenplanung und Budgetierung, Ergebniskontrolle und Berichterstattung).

Weiter ist es Aufgabe der Leitung sicherzustellen, dass sich die Gruppe immer wieder auf die wichtigsten Ziele fokussiert.

Ein letzter Tipp: Gönnen Sie sich regelmässig eine Freude und feiern Sie Ihre Erfolge!

Literatur

Nicolai Andler: Tools für Projektmanagement, Workshops und Consulting. Kompendium der wichtigsten Techniken und Methoden. Die 5., erweiterte Auflage ist für August 2013 geplant: ca. 480 Seiten, 150 Abbildungen, 55 Tabellen.

 

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Hansjörg Huwiler

Hansjörg Huwiler ist Teamleiter Corporate Health bei AEH (www.aeh.ch). Nebst seiner Arbeit als BGM-Berater ist er als Assessor Friendly Work Space für Gesundheitsförderung Schweiz tätig. Basierend auf langjähriger Erfahrung bei Beratung und Umsetzung zum BGM hat die AEH ein BGM-Komplettsystem entwickelt, das die im Beitrag genannten Kriterien abdeckt, und bietet sie als Cloud­lösung unter dem Namen smart-bgm an.

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