Streikdrohung bei Lidl in Wädenswil
Und das ausgerechnet vor dem 1. Mai: Weil einem Filialleiter ohne guten Grund gekündigt worden sei, wollen alle 32 Mitarbeitenden ab Freitag aus Solidarität in den Streik treten – trotz Friedenspflicht im Gesamtarbeitsvertrag. Alle Infos zu Hintergründen, Reaktionen und möglichen Folgen.

Gemäss GAV dürfen Mitarbeitende von Lidl Schweiz nicht in den Streik treten: Der Firmensitz von Lidl Schweiz in Weinfelden. (Bild: Joachim Kohler / Wikimedia)
Mit einem orangen Zettel beim Eingang informiert die Belegschaft ihre Kunden über den Schritt. «Achtung! Ab Freitag bleibt die Filiale für unbestimmte Zeit geschlossen. Grund: Unser (sic!) Filialleiter wurde nach 14 Jahren gekündigt. Das ist aus unserer Sicht unerklärlich!», steht auf dem Flyer.
Der «Tages-Anzeiger» und der «Blick» berichten, Hintergrund der Kündigung sei eine Versetzung. Lidl habe dem langjährigen Mitarbeiter angeboten, eine andere Filiale zu übernehmen. Falls er aber das Angebot ablehne, erhalte er die Kündigung, erzählte eine Stammkundin gegenüber dem «Blick». Dieser aber habe in der Wädenswiler Filiale bleiben wollen und habe darum die Kündigung erhalten. «Die Kassiererin hat geweint, als ich mit ihr gesprochen habe», erzählt die Stammkundin dem «Blick».
«Wenn es sein muss, dann gehen wir eben alle mit ihm unter», zitiert der «Tages-Anzeiger» eine Angestellte. Eine andere Angestellte sagte, die Mitarbeitenden seien sehr traurig über die Kündigung ihres Chefs, den sie in höchsten Tönen lobt.
Der Schritt zum Streik sei aber weder mit den Gewerkschaften noch mit Lidl Schweiz selbst abgesprochen, schreibt der «Tages-Anzeiger» weiter.
Die Gewerkschaft Syna, die als Sozialpartnerin den gerade erst erneuerten Gesamtarbeitsvertrag für Mitarbeitende zusammen mit KV Schweiz und Lidl Schweiz ausgehandelt hatte, zeigt sich erstaunt, wie schnell es in diesem Fall zu einer Eskalation gekommen sei, heisst es auf Anfrage von HR Today. Man sei am Montagabend von Lidl Schweiz diesbezüglich kontaktiert und informiert worden. Der Schritt zum Streik sei weder mit der Gewerkschaft noch mit Lidl Schweiz abgesprochen worden.
Streikende müssen eventuell mit Kündigung rechnen
«Eskalation ist nicht in unserem Sinne», sagt Fabio Iseini, Regionalleiter Olten, Solothurn und Bern sowie Co-Betreuer des Ressorts «Branche Lidl Schweiz» bei der Syna. Man suche wenn immer möglich das Gespräch und sei aktuell bemüht, sich eine Übersicht über die Gesamtsituation zu verschaffen und zu prüfen, ob die in den Medien kolportierten Hintergründe zur Kündigung stimmen würden. Man sei mit den potenziell Streikenden in Kontakt getreten, könne dazu aber noch nichts Konkretes sagen. So oder so stünde bereits im Mai der nächste Austausch zwischen Lidl Schweiz und Syna an, bei dem auch CFO Stefan Kopp und HR-Chef Stefan Andexer zugegen sein werden. Dabei würden Angelegenheiten wie auch jene von Wädenswil zur Sprache kommen. Aufgrund der aktuellen Ereignisse überlege man sich, die Sitzung eventuell vorzuverlegen.
Trotz der Existenz dieses Gesprächsgefässes möchten die Angestellten der Lidl-Filiale in Wädenswil streiken. «Das ist nicht unser Weg», sagt Iseini, «aber es ist natürlich schön zu sehen, wie sehr die Mitarbeitenden zusammenstehen, das ist ein starkes Zeichen für die Teamkultur bei Lidl Schweiz».
Ihre Solidarität könnte die Angestellten nun aber teuer zu stehen kommen. «Aus unserer Erfahrung kann es in solchen Fällen zu fristlosen Kündigungen kommen», so Iseini.
Der Grund: Der zwischen der Syna, Lidl Schweiz und KV Schweiz ausgehandelte GAV enthält eine Klausel zur «absoluten Friedenspflicht». Das heisst, die Vertragspartner und Mitarbeitenden «verzichten auf Kampfmassnahmen jeder Art». Der von den Mitarbeitenden angedrohte Streik widerspricht somit den Vereinbarungen aus dem GAV.
Zwar sind Gewerkschafts- und Koalitionsfreiheit sowie das Streikrecht verfassungsrechtlich garantiert, historisch aber durch das Prinzip der Sozialpartnerschaft geprägt, das vorsieht, dass zwischen Arbeitnehmenden und Arbeitgebern konsensorientiert verhandelt wird. Darum ist die Friedenspflicht Bestandteil vieler Gesamtarbeitsverträge in diversen Branchen – und ebenfalls verfassungsrechtlich verankert. Zum Beispiel besteht bei Coop oder Migros ebenfalls eine absolute Friedenspflicht. In manchen Fällen existiert aber keine absolute, sondern nur eine relative Friedenspflicht. Die relative Friedenspflicht betrifft nur Kampfmassnahmen bei Angelegenheiten, die im Gesamtarbeitsvertrag geregelt sind.
Lidl Schweiz möchte das Problem im «im Dialog» lösen
In einer Stellungnahme von Lidl Schweiz heisst es, Mitarbeitenden werde nicht grundlos gekündigt und man versuche solche Situationen «im Dialog» lösen und lege «Wert auf Fairness und Vertrauen». Auf den konkreten Fall könne man aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes nicht näher eingehen. Die Filiale bleibe am Freitag aber offen. Bereits am Montagnachmittag sei der Flyer mit der Streikankündigung entfernt worden, dies von einem Lidl-Regionalleiter, wie der «Blick» berichtet.
Während Streiks in Deutschland im Zuge von Tarifkonflikten 2023 und 2024, von dem mehrere Detailhändler betroffen waren, hatten Lidl-Filialen aber dennoch geöffnet und die Auswirkungen auf die Kundschaft waren marginal. Wie genau man das geschafft hat, wurde damals nicht öffentlich kommuniziert.
Was die Vorkehrungen sind, die Lidl Schweiz nun treffen könnte oder, wie man mit Mitarbeitenden umgeht, sollten sie dennoch in den Streik treten, ist unklar. Für Präzisierungen zum Vorgehen war Lidl Schweiz am Dienstag nicht zu erreichen.