Recruiting

Suchen und Finden im Web 2.0

Die Rekrutierung von neuen Mitarbeitenden wird immer schwieriger. Medienkanäle, die bis anhin funktionierten, generieren nicht mehr die gleiche Menge an qualifizierten Bewerbern. Viele fragen sich: Wo sind die Bewerber geblieben? Die Antwort lautet: Sie sind immer noch da, nur müssen sie über zusätzliche und zunehmend beliebte Kanäle aus dem Web-2.0-Umfeld angesprochen werden.

Neue Formen der Ansprache werden ausprobiert. Die Inserate werden diversifizierter platziert. Mitunter werden ganze Kampagnen gefahren, um die Rückläufe zu erhöhen und zugleich aus der Masse der Arbeitgeber herauszustechen. Bei jeder Vakanz muss man sich fragen, wo die am besten geeigneten Bewerber gefunden werden können und wie man sie individuell ansprechen kann. Es werden vermehrt nicht nur die grossen horizontalen, sondern auch verschiedene vertikale Online-Plattformen belegt. Erste Firmen haben damit begonnen, zusätzlich im Web 2.0 angesiedelte Applikationen zu nutzen, um neue Mitarbeitende zu rekrutieren.

Die Web-2.0-Applikationen, die heute in der Rekrutierung hauptsächlich eingesetzt werden, sind Videos, Rekrutierungsblogs und Stelleninserate auf Social-Networking-Plattformen. Bei der Frage, ob sich der Einsatz von Web 2.0 im Recruiting auszahlt, stellt sich für die rekrutierenden Firmen natürlich als Erstes die Frage, ob die User entsprechende Angebote überhaupt nutzen bzw. inwieweit die Schweizer Internet User bereits mit den gängigen Web-2.0-Anwendungen vertraut sind. 

Wie beliebt sind 
Web-2.0-Anwendungen?

Eine Studie von styropor.digital, von konsumfreu(.)de und von web2com kann uns zu diesen Fragen einige Antworten liefern. Mittels einer Online-Befragung sind die im Internet-Marketing tätigen Firmen im vergangenen Herbst der Frage nachgegangen, wie gut die Schweizer Internet User Web-2.0-Anwendungen kennen und wie intensiv sie diese nutzen.

Ein erstes interessantes Ergebnis der Studie: Obschon die Medien zuweilen den Eindruck vermitteln, Web 2.0 sei ein Hype und die meisten Leute wüssten mit dem Begriff gar nichts anzufangen, gaben zumindest alle Umfrageteilnehmer an, schon von Web 2.0 gehört zu haben. Auch die Fragen zu der Definition wurden von einer grossen Mehrheit richtig beantwortet. Obschon die Ergebnisse aufgrund der Tatsache, dass sich die Umfrageteilnehmer selbst selektierten und diese ausschliesslich im Web rekrutiert wurden, keine absolut repräsentative Gültigkeit haben, wird klar: Web 2.0 ist weitgehend bekannt.

Wikis, Blogs und RSS-Feeds 
als Informationsquelle

Weiterhin zeigen die Umfrageergebnisse, wie wichtig das Internet bei der Informationsbeschaffung ist. So nutzen mehr als neun von zehn der Umfrageteilnehmern das Internet täglich zur gezielten Informationssuche. Ein Nutzungsmotiv, das bereits vor Web 2.0 vorrangig war. Wenig erstaunlich ist auch, dass Suchmaschinen und die Website der Anbieter an vorderster Stelle rangieren, wenn es darum geht, Online-Dienste zur Informationssuche einzusetzen. Aber die spezifischen Web-2.0-Anwendungen holen auf: Bereits an dritter Stelle werden Wikis genannt, und auch Blogs und RSS-Feeds werden von rund einem Viertel der Befragten bei der Informationsbeschaffung herangezogen.

Das sich verändernde Verhalten bei der Informationssuche kann grundsätzlich auch auf die Stellensuche übertragen werden. Während früher bei der Stellensuche die Stellenanzeigen der Zeitungen und/oder Online-Stellenplattformen durchsucht wurden und man sich auf den Corporate Websites der Firmen informierte, wird heute eine grössere Anzahl an Informationsquellen verwendet. Das nach wie vor bedeutendste Tool zur Informationssuche sind Suchmaschinen. Mit einem bedeutenden Unterschied zu früher: Auf den vordersten Plätzen der Ergebnisse rangieren (neben den Corporate Websites der Unternehmen) häufig Blogs, Wikis und Bewertungsplattformen, die Informationen zu dem entsprechenden Unternehmen beinhalten. Für die rekrutierenden Unternehmen ist es daher – auch im Sinne von Employer Branding – von zunehmender Bedeutung, ob und wie sie auf diesen neuen Informationsplattformen dargestellt werden.

Stelleninserate im Videoformat

In der oben genannten Studie wurden die User zu den populärsten Web-2.0-Applikationen befragt – die Ergebnisse lassen sich wie folgt zusammenfassen (siehe Abbildung 1):

Die beliebteste respektive am häufigsten genutzte Web-2.0-Applikation sind Online-Videos (YouTube, MyVideo, Swissclips, Clipfish usw.), gefolgt von Social Networking (Xing, Facebook, LinkedIn usw.), Photo Sharing (Flickr, Meinbild usw.) und Blogs. All diese Dienste werden von deutlich mehr als der Hälfte der Befragten mehr oder weniger regelmässig genutzt.

Nachdem Online-Videos zu den am meisten genutzten Anwendungen im Web 2.0 gehören, erstaunt es nicht, dass immer mehr Firmen dieses Instrument auch zu Rekrutierungszwecken einsetzen. Die Videos werden in erster Linie auf den eigenen Corporate Websites und auf klassischen Stellenplattformen platziert. Horizontale Online-Plattformen wie jobs.ch und monster.ch bieten seit einiger Zeit die Möglichkeit an, neben klassischen Stelleninseraten auch Videos zu publizieren. Daneben treten neue Plattformen wie talenters.ch auf den Markt, die sich ausschliesslich auf Stelleninserate im Videoformat spezialisieren. Darüber hinaus nutzen bereits heute erste Unternehmen die Möglichkeit, die Videos zusätzlich auf so bekannten Plattformen wie YouTube einzustellen, um dadurch die Reichweite zu erhöhen.

Gezielter Einsatz von Netzwerken

An zweiter Stelle auf der Beliebtheitsskala von Web-2.0-Applikationen rangieren gemäss der Studie die sozialen Netzwerke – vier von fünf Umfrageteilnehmern sind auf mindestens einem der zahlreich vorhandenen Netzwerke angemeldet. Diese Zahl ist auf den Gesamtmarkt bezogen mit grosser Wahrscheinlichkeit nicht repräsentativ, eine Vergleichsstudie von Result, durchgeführt auf dem deutschen Markt, kam aber immerhin zu dem Ergebnis, dass 50 Prozent der User Social-Networking-Plattformen nutzen. 

Soziale Netzwerke sind für das Recruiting geradezu prädestiniert – schliesslich ermöglichen sie einen direkten und sehr persönlichen Kontakt zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Bis vor kurzem war dann auch die persönliche Kontaktaufnahme die präferierte und gleichzeitig einzige Möglichkeit, Social-Networking-Plattformen im Recruiting einzusetzen. Zwischenzeitlich haben die ersten Plattformen aber damit begonnen, ihre diesbezüglichen Möglichkeiten zu kommerzialisieren. So bietet Xing, das für die Schweiz bedeutendste Business-Netzwerk, seit einem halben Jahr ein professionelles (kostenpflichtiges) Angebot für Stelleninserate an. Angemeldete User haben die Möglichkeit, Inserate zu schalten, die dann im Sinne von Targeting zielgenau bei den Usern eingeblendet werden, deren Profil zum Anforderungsprofil der ausgeschriebenen Stelle passt.

Persönliche Ansprache

Ein weiterer Vorteil: Hinter jedem Stelleninserat steht nicht nur ein Arbeitgeber, sondern immer auch das Profil des Mitgliedes von Xing. So ist die Ansprache viel persönlicher und der Stellensuchende kann sich sehr schnell ein Bild von seinem Gesprächspartner machen – und umgekehrt. Bereits sind über 700 Inserate für Stellen aus der Schweiz ausgeschrieben. Aber auch auf anderen Plattformen boomt der Stellenmarkt. Dank den hinterlegten persönlichen Profilen ist die Matching-Qualität sehr hoch. Für den Arbeitnehmer bieten Social-Networking-Plattformen spannende Informationen über einen neuen Arbeitgeber, da man bereits im Web neue Arbeitskollegen kennen lernen kann.

Blogs bieten viele Möglichkeiten

Mit zu den bekanntesten und beliebtesten Web-2.0-Anwendungen gehören Blogs (regelmässig aktualisierte Websites, bei denen die Beiträge umgekehrt chronologisch geordnet sind). Gemäss der oben genannten Studie von styropor.digital et. al. lesen zwei Drittel der Befragten mindestens einmal im Monat in Blogs. Noch überwiegt zwar der private Nutzungszusammenhang – aber auch Firmen haben diese Form der Kommunikation für sich entdeckt und betreiben eigene Blogs, sei es für die interne oder die externe Unternehmenskommunikation. Blogs sind für die Rekrutierung aus zweierlei Gründen von Bedeutung. Sie werden von Suchmaschinen sehr schnell gefunden und weit oben gelistet. User, die über Suchmaschinen nach einer Firma suchen, werden daher auch Blog-Posts zu der entsprechenden Firma finden und die Informationen, die sie dort finden, in ihre Beurteilung über die Firma mit einfliessen lassen. Aus diesem Grund ist es für die rekrutierenden Firmen wichtig zu wissen, was über sie in externen Blogs geschrieben wird – ein professionelles Monitoring von sozialen Medien drängt sich an dieser Stelle nahezu auf.

Darüber hinaus steht den Firmen natürlich auch die Möglichkeit offen, ein eigenes Blog zu betreiben, um darüber mit potenziellen Bewerbern zu kommunizieren. Sogenannte Rekrutierungsblogs erfreuen sich zunehmender Beliebtheit. Da berichten Mitarbeitende über ihre Arbeit in der Firma. Sie bieten sich als Gesprächspartner an und man kann mit ihnen Kontakt aufnehmen. In der Hochschulrekrutierung werden Blogs bereits sehr erfolgreich eingesetzt. Trainees berichten über ihren Alltag in der Firma, über Projekte in die sie eingesetzt werden, und darüber, wie die Zusammenarbeit innerhalb der Firma funktioniert. Diese Blogs bieten einem potenziellen Bewerber die Möglichkeit, bereits vor dem ersten Vorstellungsgespräch hinter die Kulissen der Firma zu schauen, erste Eindrücke zu gewinnen und sich mit den Mitarbeitern auszutauschen und Fragen zu stellen.

Wer tummelt sich im Web 2.0?

Gemäss der Studie ist Web 2.0 in den meisten Nutzergruppen angekommen, wenn auch unterschiedlich ausgeprägt. Die Autoren der Studie haben vier Nutzertypen identifiziert:

  • Die Freaks (21 Prozent) nutzen das Web 2.0 aktiv und häufig und sind auch neusten Anwendungen gegenüber aufgeschlossen. In dieser Gruppe sind überdurchschnittlich viele selbständig Erwerbende und jüngere männliche User anzutreffen.
  • 
Die Interaktiven (16 Prozent) nehmen aktiv am Web 2.0 teil, betreiben Blogs, laden Fotos und Filme ins Netz und bringen sich in Social-Networking-Plattformen ein.
  • 
Die wenig Affinen (35 Prozent) nutzen die einfacheren und klar verständlichen Angebote des Web 2.0.
  • 
Die spannendste Zielgruppe für die Rekrutierung stellen die «Konsumenten» dar. Dies sind 28 Prozent der befragten Personen. Diese nutzen das Web 2.0 hauptsächlich passiv als Informationsquelle. Unter diesen Usern befinden sich auffällig viele Angestellte mit Vorgesetztenfunktion.

Interessant dabei ist, dass sich Social Networking und das Teilen von Fotos durch alle Gruppen hindurch ausserordentlich grosser Beliebtheit erfreuen. Selbst bei den etwas älteren und mehrheitlich weiblichen wenig Affinen ist dieses Angebot sehr beliebt. Auch Blogs werden von nahezu allen Nutzergruppen gelesen – ausser von den wenig Affinen.

Die Lücke zwischen Erwartungen und Angebot schliessen

In Deutschland hat die Online-Stellenplattform stellenanzeigen.de im Oktober 2007 eine Umfrage über Web-2.0-Anwendungen auf Arbeitgeber-Webseiten (Podcasts, Blogs, Videos) gestartet. 18,8 Prozent der Antwortenden finden, dass solche Anwendungen überflüssig seien und für die Bewerbung nichts bringen. 19 Prozent finden die Anwendungen einfach nur zeitgemäss und sind der Ansicht, dass dies zu jeder modernen Arbeitgeber-Präsentation im Internet gehört. 62,2 Prozent sind der Meinung, dass Web-2.0-Anwendungen nur dann sinnvoll sind, wenn sie gut gemacht sind und zusätzliche Informationen oder Eindrücke bieten. Bei einer Studie von eco e.V. Arbeitskreissitzung E-Recruiting wurden 196 grosse und attraktive deutsche Unternehmen zu ihrem E-Recruiting-Verhalten befragt. Auf die Frage, ob sie Web-2.0-Anwendungen gezielt im HR-Bereich einsetzten, antworteten lediglich 20 Prozent mit Ja. Es besteht augenscheinlich eine Lücke zwischen den Erwartungen und dem Informationsverhalten der Arbeitnehmer auf der einen und den Angeboten der Arbeitgeber auf der anderen Seite – eine Lücke, die es in Zukunft zu schliessen gilt. 

Wir sind der Ansicht, dass Web-2.0-Komponenten im heutigen Mediaplan von Stelleninseraten oder bei Employer-Branding-Konzepten nicht mehr wegzudenken sind. Daher arbeitet die Prospective Media Services AG mit styropor.digital zusammen. Styropor.digital liefert ein ganzheitliches, auf den Kunden abgestimmtes Web-2.0-Konzept, das anschliessend von Prospective Media in der Mediaplanung umgesetzt und mit klassischen Medien ergänzt wird.
 

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Matthias Mäder ist Geschäftsleiter der JobIQ AG – einem Spin off der Prospective Media Services PMS AG, wo er zuvor Geschäftsleiter war. Ausserdem ist Mäder Verwaltungsratspräsident der RecruitingHUB AG und unter anderem auch als Referent und Blogger tätig. Die Prospective Media Services PMS AG ist Spezialistin für Stelleninserate, Personalmarketing und E-Recruiting Solutions.

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Simon Künzler führt gemeinsam mit Andrea Iltgen die Online-Agentur xeit und ist ein Online-Maniac. Nichtsdestotrotz testete er selbst im Sommer 2014 einen persönlichen Digital Detox. Sieben Wochen verbrachte er in Schweden ohne jeglichen Internetzugang. Gemeinsam mit Andrea Iltgen, die mittlerweile auch Offline-Wochenenden einlegt, organisiert er die erste Digital Detox-Konferenz der Schweiz.

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Andrea Iltgen

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