Karriere

Talente auf Sinnsuche: 
KMU und NGO gewinnen an Profil

Banken und Beratungsunternehmen gehören bei jungen Berufstätigen und Hochschulabgängern nicht mehr zu den Top-Favoriten unter den Arbeitgebern. KMU und NGO hingegen gewinnen zunehmend an Attraktivität. Dies, weil sie Sicherheit, Bodenständigkeit und Vertrauenswürdigkeit ausstrahlen.

Zahlreiche Grossfirmen kämpfen zurzeit mit einem schlechten Geschäftsgang, darüber hinaus leidet bei vielen auch das Image als Arbeitgeber. Was die Attraktivität bei den Hochschulabsolventen betrifft, gehören neben den Grossbanken auch die Unternehmensberatungen zu den Verlierern. Dies ergibt das jüngste Absolventenbarometer, das die Stimmung derjenigen erfasst, die frisch von der Uni und der Fachhochschule kommen. Von Oktober 2008 bis Januar 2009 hat das Berliner Beratungsunternehmen Trendence Studienabgänger an 22 Schweizer Hochschulen nach ihrem Wunscharbeitgeber gefragt.

Eines der Resultate ist selbst für Oliver Viel, Director of Customer Relation bei Trendence, erstaunlich: «Die Beliebtheit der Grossbank UBS ist um die Hälfte eingebrochen. Das ist der grösste Verlust, den wir je bei einem Absolventenbarometer in Europa hatten.» 2008 hatten noch 31,5 Prozent der Befragten die Grossbank als den Arbeitgeber angegeben, bei dem sie am liebsten tätig sein würden. Heute steht die UBS mit 16,9 Prozent zwar immer noch auf Platz eins. Oliver Viel: «Sollte dieser Trend anhalten, dann könnte es unter Umständen sein, dass Banken aus den oberen Plätzen im Ranking verschwinden und gleichzeitig KMU höhere Chancen haben, an Attraktivität zu gewinnen.»

Grossfirmen müssen sich warm anziehen

Die Grossfirmen, so Viel, müssten sich jetzt warm anziehen, denn zahlreiche kleine und mittlere Unternehmen hätten gemerkt, dass sie gute Leute brauchen. Es sei erstaunlich, wie professionell KMU darangehen, Leute zu finden. «Sie scheuen sich nicht davor, an Fachhochschulen zu suchen, worüber einige Grossfirmen noch die Nase rümpfen.»

Zurzeit gehören auffällig viele Banken und Unternehmensberatungen zu den Absteigern des Rankings. Oliver Viel: «Bei den Aufsteigern sind Firmen zu finden, die Sicherheit und Bodenständigkeit ausstrahlen.» Zu den ersten zehn aufsteigenden Sternen gehören die Schweizerische Nationalbank, ABB, das Internationale Komitee vom Roten Kreuz und Google Switzerland, gefolgt von Swiss Life, Zurich Versicherungen, Zürcher Kantonalbank, SBB, Procter & Gamble und AXA Winterthur.

Oliver Viel ist der Ansicht, dass heute die nicht gewinnorientierten und gemeinnützig tätigen Organisationen vor allem deshalb besser dastehen, weil sich das Image der Grossfirmen verschoben hat: «Die Alternativen sind jetzt nicht mehr so interessant. Man glaubt, die schnelle Karriere und das dicke Gehalt seien bei den Banken nicht mehr zu finden.» Eigenschaften wie etwa Vertrauenswürdigkeit würden von den Hochschulabgängern wieder mehr geschätzt.

NGO rücken stärker in den Fokus der Absolventen

So rücken die nichtstaatlichen Organisationen (Non-Governmental Organization, kurz NGO) vermehrt ins Suchfeld der Studienabgänger. Gemäss Oliver Viel bedeutet das aber nicht, dass sich dort automatisch die richtigen Leute melden. Nach wie vor brauchen diese Organisationen Mitarbeitende, die eine gewisse Überzeugung mitbringen. Eine Befragung von Schweizer NGO zeigt, dass sich bei ihnen seit der Finanzkrise in der Rekrutierung nicht viel geändert hat. Sie setzen nicht nur auf Annoncen in Printmedien und auf dem Internet, sondern auch auf interne Netzwerke und das gute Image, das sie bei vielen Studienabgängern bereits haben.

«Wir suchen nicht laufend junge Hochschulabsolventen und präsentieren uns deshalb auch nicht an Absolventenkongressen», sagt etwa Kurt Buntschu, Personalleiter des Schweizerischen Roten Kreuzes. «Bei Bedarf sprechen wir interessierte Fachkreise an, oft auch Personen, die schon für uns tätig waren.» Buntschu weiss, dass seine Organisation bei der Personalgewinnung mit ihrem Bekanntheitsgrad punkten kann: «Wenn wir gezielt Inserate schalten, gewinnen wir deshalb mehr Aufmerksamkeit.»

Auch bei Greenpeace Schweiz ist das Interesse von Hochschulabsolventen an Jobs schon seit Längerem hoch. Die meisten Bewerbungen gehen aus den Fachrichtungen Umweltengineering, Umweltschutz und Geografie ein. Vermehrt erhält die Umweltorganisation aber auch Bewerbungen von hochqualifizierten Arbeitskräften, die in der Wirtschaft gearbeitet haben, sich mit den Zielen privatwirtschaftlicher Unternehmungen jedoch nicht mehr richtig identifizieren können, wie Organization Communication Team Leader Susanne Schnyder von Greenpeace erklärt: «Mehr und mehr Menschen wünschen sich nicht nur ein professionelles Umfeld, sondern auch eine sinnvolle Tätigkeit. Und genau dies bietet Greenpeace.» Talente fördert Greenpeace auf verschiedenen Wegen: durch Weiterbildung, gezielte Karriereplanung von potenziellen Führungskräften und das Coaching von Mitarbeitenden. Da Greenpeace keine sehr hohen Saläre bezahlen könne, seien solche Entwicklungskonzepte umso zentraler.

Seit Jahren gilt auch WWF bei Hochschulabsolventen als guter Arbeitgeber. Auch in den letzten Jahren, als viele Firmen über einen Mangel an qualifizierten Bewerbern klagten, erhielt WWF Schweiz zahlreiche gute Bewerbungen auf Stellenausschreibungen. «Für Hochschulabgänger der naturwissenschaftlichen Fakultät und der Politikwissenschaften ist WWF als grosse und internationale NGO eine attraktive Adresse», sagt Mieke Eberhardt, Leiterin Human Resources von WWF Schweiz. Für die Personalgewinnung spielen bei WWF Schweiz neben Stellenausschreibungen auf der eigenen Website, in Zeitungen und auf Websites anderer NGO auch das Netzwerk von ehemaligen Praktikanten sowie interne Bewerbungen eine Rolle.

Gute Chancen auf nachhaltige Positionierung der Arbeitgebermarke

Bei Caritas haben sich im letzten halben Jahr ebenfalls vermehrt Bankleute mit einem akademischen Abschluss um eine Stelle beworben, sagt Albert Schnyder, Personalleiter von Caritas Schweiz: «Sie waren vermutlich ohne Arbeit, und so bewarben sie sich bei uns um Kaderstellen, für die sie sich im Rahmen ihrer allgemeinen Kompetenten als geeignet betrachteten.»

Nicht beklagen über mangelnde Talente muss sich Amnesty International: Das Interesse von Hochschulabsolventen an Praktika und festen Stellen bei der Menschenrechtsorganisation ist unverändert hoch. Sie ist gar in der komfortablen Lage, stets zwischen vielen gut qualifizierten Bewerbenden auswählen zu können, und dies mit einem relativ bescheidenen Personalaufwand. «In der Regel genügt die Publikation auf unserer eigenen Website sowie auf einem bis zwei dafür geeigneten NGO-Portalen, verbunden mit einem Newsletterversand», sagt Susanne Preisig, Leiterin Zentrale Dienste bei Amnesty International. In gewissen Fällen erfolge eine etwas breitere Schaltung auf einem allgemeinen Jobportal oder in der Tagespresse. An Infoanlässen, wie sie an Hochschulen durchgeführt werden, seien sie selten präsent.

Oliver Viel von der Beratungsfirma Trendence weiss, dass vielen NGO das Budget für einen stärkeren Auftritt als Arbeitgeber fehlt oder sie ohnehin genügend qualifizierte Bewerbungen erhalten. Trotzdem würde er die NGO auffordern, diese Krise als Chance zu nutzen. «Sie hätten jetzt eine gute Chance, sich auch nachhaltig als Arbeitgeber zu positionieren.» Doch er räumt ein, dass der Wille, gemeinnützig arbeiten zu wollen, als erste Bedingung vorhanden sein muss: «Es reicht nicht, zu wissen, dass die Karrieremöglichkeiten bei den Grossbanken nicht mehr so toll sind.»

Kommentieren 0 Kommentare HR Cosmos

Susanne Wagner ist freie Journalistin.

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