Gesundheit

Vom Umgang mit den drei 
Zeiten in unserem Leben

Unsere heutige Gesellschaft ist ohne den Zeitbegriff nicht lebensfähig. Doch kennen wir eigentlich den Unterschied zwischen der Zeit und der Uhr? Ist Zeit Geld? Und wenn ja – warum?

Viele Menschen fühlen sich gestresst und wie in einem Hamsterrad gefangen. Die Uhren gehen uns auf den Wecker. Am liebsten würden wir sie abschaffen. Bevor Sie jedoch das Kind mit dem Bad ausschütten, möchte ich Ihnen einen Hinweis geben, wo wir bei der Suche nach Entschleunigung bisher zu wenig hingeschaut haben.

Kennen Sie den Unterschied zwischen der Zeit und der Uhr? Haben Sie sich auch schon überlegt, warum Zeit Geld ist? Nach sieben Jahren Tätigkeit als Zeitforscher bin ich in der Lage, diese Fragen zu beantworten. Mir wurde bewusst, dass wir der zunehmenden Zeitarmut keineswegs hoffnungslos ausgeliefert sein müssten. Es reicht, wenn wir uns bewusst werden, dass es drei Arten von Zeit gibt. Zwischen diesen drei Arten von Zeit bestehen Wechselwirkungen und diese sollten wir in der Tiefe verstehen, bevor wir nach Lösungen für die Linderung der allseits beklagten Zeitnot suchen. Die drei Arten von Zeit sind: die Uhrenzeit, die Zeit des Lebens und die Zeit der Wirtschaft.

Halten wir diese drei Arten von Zeit konsequent auseinander, gewinnen wir interessante Einsichten und neue Lösungsansätze, wie wir aktuelle soziale Probleme konfliktarm lösen können.

Die Uhrenzeit

Die Uhrenzeit benannten die antiken Griechen nach dem Gott Chronos. Sie ist per definitionem nichts anderes als die Bewegung von Planeten im Raum. Die Erde dreht sich um die eigene Achse, der Mond dreht sich um die Erde, die Erde dreht sich um die Sonne und aus allen diesen Bewegungen leiten wir die Minute, die Stunde, den Tag, den Monat und das Jahr ab. Den Gott Chronos hören wir bei der Uhrenzeit dann noch heraus, wenn wir Ereignisse chronologisch sortieren. Mit Uhren und Kalendern bilden wir also bloss die naturgegebene Planetenbewegung symbolisch ab. Uhren und Kalender abzuschaffen, ist deshalb mit Sicherheit kein sinnvoller Weg, unsere Zeitprobleme zu lösen. Schliesslich drehen sich die Planeten weiter – mit und ohne Uhren, mit und ohne Kalender. Die Uhrenzeit läuft – ob wir wollen oder nicht.

Die Zeit des Lebens

Die Lebenszeit betrifft alle Lebewesen: Menschen, Tiere und Pflanzen. Lebewesen heissen so, weil sie leben. Und sie unterscheiden sich von verstorbenen Lebewesen dadurch, dass sie – solange sie leben – mit etwas ausgestattet sind, das man als Lebensenergie bezeichnen könnte. Dieser Lebensenergie geben unterschiedliche Kulturen unterschiedliche Namen. Chinesen sprechen vom Chi, Inder vom Prana, Psychologen von der Psyche und Pfarrer oder Seelsorger von der Seele, wenn sie von dieser Lebensenergie sprechen.

Wenn wir zulassen, dass wir durch unsere Arbeitswelt in einen 7-Tage-24-Stunden-Rhythmus gezwängt werden, werden wir seelisch oder psychisch krank. Unsere Lebensenergie kommt durcheinander. Wir brennen aus – erleiden ein Burnout. Mit Meditation, Qigong, Shiatsu, Psychopharmaka, Psychiatern, Psychologen und anderen «Heilverfahren» versuchen wir dann, unsere Lebensenergie in Schwung zu halten.

Die Zeit der Wirtschaft

Die Feststellung, dass wir unsere Lebensenergie nicht übernutzen sollten, führt uns direkt zur dritten Art von Zeit: die Zeit der Wirtschaft. Und es ist präzis die Zeit der Wirtschaft, die uns zunehmend unter Druck setzt: Zeit ist Geld. Haben Sie sich auch schon gefragt, warum Zeit Geld ist? Wenn Sie nun gleich die Antwort auf diese Frage lesen, werden Sie erstaunt sein, wie einfach sie ist. Zeit ist Geld, weil wir das Geld aufgrund verschiedener Gesetzmässigkeiten und Vereinbarungen an die Uhrenzeit gekoppelt haben. Diese Koppelmechaniken sind überall dort zu finden, wo Buchhalterinnen und Buchhalter «Fixkosten» verrechnen. «Fixe Kosten» heissen fix, weil sie «fixiert» oder «festgemacht» sind an der Uhrenzeit – also an den Planetenbewegungen. Zu diesen Koppelmechaniken gehören beispielsweise der Hypothekarzins, die Leasingprämie, der Monatslohn, der Stundenlohn, die Monatsprämie und der Mietzins.

Die Erde dreht sich um die eigene Achse, der Mond dreht sich um die Erde, die Erde kreist um die Sonne und synchron mit diesen Bewegungen werden Stundenlöhne, Tageslöhne, Monatslöhne, Monatszinsen, Jahreszinsen, Monatsprämien, Jahresprämien und Leasinggebühren auf bestimmte Termine hin fällig.

Sozialpartnerschaft neu beleuchten

Dabei ist es wichtig zu erkennen, dass diese Fixkosten immer auf eine Beziehung hindeuten: Beziehungen zwischen Arbeitgebenden und Arbeitnehmenden, Kapitalbesitzenden und Schuldnern, Steuererhebern und Steuerzahlenden. Diese sozialen Beziehungen können wir plötzlich neu verstehen, und wir sehen Sozialprobleme in einem neuen Licht. Wer beispielsweise als Hypothekarschuldner fixe Kosten hat, sieht seine wirtschaftliche Existenz in einer Wirtschaftskrise bedroht. Wer fixe Einnahmen erhält, hat es da komfortabler, vor allem weil wir die Gesetze so formuliert haben, dass fixe Einnahmen auch in einer Wirtschaftskrise gesetzlich eingefordert werden dürfen. Wie also könnten Fixkostenzahlende und Empfänger von fixen Einnahmen ihre Sozialpartnerschaft neu definieren?

Das Hamsterrad gemeinsam stoppen

Die Fixkostenspirale, in der wir alle stecken, ist gleichsam die Treibermechanik für unser Hamsterrad. Ein Moratorium für Zinsen, aber auch Reduktion von Millionengehältern für Manager sind mögliche Lösungsansätze zum Ausstieg aus dem Hamsterrad. Statt in Krisenzeiten noch teurere Manager einzukaufen, sollten die Löhne eingefroren oder umverteilt werden. Besserverdienende könnten einer Person, welche aufgrund ihrer sozialen Lage eine Lohnerhöhung bräuchte, um in der Wirtschaftskrise zu überleben, etwas von ihrem fixen Einkommen abgeben. Solche kleinen Taten können freiwillig innerhalb eines Unternehmens umgesetzt werden und im Ergebnis Grosses bewirken. Dort, wo dies gelebte Praxis ist, können soziale Beziehungen besser gelingen.

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Text: Ivo Muri

Ivo Muri ist Zeitforscher im luzernischen Sursee und beschäftigt sich mit Gesellschaftsfragen. Er gibt sein Wissen in Seminaren und Referaten weiter. www.ivomuri.ch

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