BGM-Special 2021

Wenn am Flughafen plötzlich alles stillsteht

Marie Guérin ist seit 2016 Personalleiterin am Flughafen Genf. Sie erzählt, wie die Personalabteilung während der Pandemie dazu beigetragen hat, den Betrieb am Laufen zu halten und wie sie die Gesundheit und die Sicherheit der 1100 Mitarbeitenden sicherstellten.

Die Schweizer Zivilluftfahrt verzeichnete 2020 ein katastrophales Jahr. Innerhalb weniger Tage brach der gesamte Flugverkehr ein: Die Passagierzahlen gingen um 70 Prozent zurück (siehe Box). Die Turbulenzen wirkten sich jedoch (noch) nicht auf die Anzahl Stellen aus. Da die Lohnfortzahlung dank Kurzarbeit zu 100 Prozent garantiert war, mussten trotz Aktivitätenrückgang keine betriebsbedingten Entlassungen angekündigt werden. «Wir haben jedoch keine Neueinstellungen vorgenommen und Abgänge nicht ersetzt», erklärt Marie Guérin, Personalleiterin am Flughafen Genf. Die Antragsfrist für die Frühpensionierung wurde zudem bis Ende Sommer 2020 verlängert, wodurch sich etwa zehn weitere Mitarbeitende für eine Überbrückungsrente zur AHV entschieden. «2021 wiederholen wir das.» Weiter hätte der Flughafen etwa 30 befristete Arbeitsverträge nicht verlängert.

Projekteinfrierung und weitere Massnahmen

Um die Kosten zu senken, ergriff der Flughafen Genf weitere drastische Massnahmen. Zahlreiche vor der Krise begonnene Projekte, insbesondere im Bereich Infrastruktur, wurden revidiert, verschoben oder auf Stand-by gesetzt. «Unser Flughafen ging in den Winterschlaf. Wir haben nur dringende und notwendige Aktivitäten durchgeführt», erklärt Guérin. «Bei den Aus- und Weiterbildungen fanden nur jene statt, die zwingend erforderlich waren, um eine Lizenz oder eine spezifische Zertifizierung aufrechtzuerhalten. Wann immer möglich im Fernunterricht.»

Ab den ersten Wochen der Krise hat die Covid-Taskforce Schutzkonzept für Fluggäste und Mitarbeitende definiert und umgesetzt. «Unsere oberste Priorität ist und bleibt die Gesundheit und die Sicherheit unserer Teams», betont Marie Guérin. Wenngleich durch die vorhandenen Technologien schnell auf Homeoffice umgestellt werden konnte, eignete sich diese Arbeitsform nur für rund 380 Mitarbeitende, etwas mehr als ein Drittel der Gesamtbelegschaft. «Die Art unserer Tätigkeiten wie die Anlagenwartung, der Terminalbetrieb und die Passagierabfertigung erfordert von vielen Mitarbeitenden, vor Ort zu sein.» Allerdings hätte der Flughafen die Tätigkeiten und Arbeitszeiten an das tatsächliche Passagieraufkommen und die BAG-Massnahmen angepasst. «Die meisten Mitarbeitenden sind von Kurzarbeit betroffen, in bestimmten Dienstleistungsbereichen bis zu 70 Prozent.»

Unterschiedliches Erleben der Situation

Die Turbulenzen hatten nicht bei allen die gleichen Auswirkungen. «Während einige Mitarbeitende in ihrem Arbeitsleben kaum eine Veränderung wahrgenommen haben, fühlten sich andere an den Rand gedrängt, weil sie sich gerne eingebracht und die stärker Beschäftigten unterstützt hätten. Diverse Teams hatten zudem das Gefühl, mehr leisten zu müssen als jene, die «freigestellt» wurden. Das Management hat deshalb seine Kommunikation von Beginn an verstärkt, um zu verdeutlichen, dass die Anstrengungen kollektiv und solidarisch getragen würden.

Bei der Flexibilisierung der Arbeit habe der Flughafen Genf durch die HR-Prozessentwicklung einen grossen Sprung nach vorne gemacht. Die Kommunikationsmittel und das Homeoffice-Modell hätten sich dank neuster Technologien bewährt: «Je nach Aufgabe arbeitet man sogar effizienter, wenn man nicht vor Ort ist.» Eine neue Art der Organisation, mehr Flexibilität, ein etabliertes Vertrauensverhältnis und somit ein ausgewogeneres Verhältnis zwischen Privat- und Arbeitsleben. «Diese Freiheit bedeutet auch mehr Verantwortung», betont Marie Guérin.

Umfragen und Neustart

Die HR-Abteilung hat Mitte März 2021 monatliche Pulse-Umfragen eingeführt, um mit drei bis vier gezielten Fragen die Stimmungslage der Mitarbeitenden zu ermitteln. Damit möchte die Personalabteilung herausfinden, wie die Mitarbeitenden diese ungewöhnliche Zeit beruflich erleben, und sicherstellen, dass ihnen ausreichende und angemessene Kommunikationsmittel und Informationen zur Verfügung stehen. «Sollte das nicht der Fall sein, werden wir korrigierende Massnahmen einleiten.» Parallel dazu wagt die HR-Leitung einen Blick in die Zukunft. «Wir müssen bereit sein, wenn es wieder losgeht. Das bedeutet, dem Personal zuzuhören und dafür zu sorgen, dass die begleitenden Massnahmen angemessen sind.»

Flughafen Genf

Die Auswirkungen der Pandemie auf den Flugverkehr des Flughafens Genf waren 2020 enorm. Die Passagierzahlen sanken um 68,8 Prozent, der Umsatz von 17,9 Millionen (2019) auf 5,6 Millionen Franken. Der Einbruch des Flugverkehrs verursachte zudem 2020 einen Verlust von 130 Millionen Franken. Ein ähnliches Passagieraufkommen wie 2019 wird erst wieder 2024 erwartet. Die Anzahl der Mitarbeitenden blieb den Umständen entsprechend jedoch einigermassen stabil, sank aber bis Jahresende von 1140 auf 1073. 2020 feierte der Flughafen sein 100-jähriges Bestehen. Das Unternehmen trägt seit 2014 das Label «Friendly Work Space».

 

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Marc Benninger ist Chefredaktor der französischen Ausgabe von HR Today.

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