Gesundheit

Wenn das vollgestopfte Bücherregal den Gedankenfluss blockiert

Was die Akupunktur für den menschlichen Körper ist, bewirkt Feng Shui für Wohn- und Arbeitsräume: Es bringt die 
Energien in den Räumen wieder zum Fliessen. Das fördert die Kreativität, steigert die Leistungsfähigkeit und verschafft 
gute Laune. Dafür braucht es wenig – ein Schreibtisch an der richtigen Stelle kann bereits Wunder wirken.

Feng Shui ist kein asiatisches Reisgericht und auch keine neue fernöstliche Kampfsportart. Feng Shui bedeutet vielmehr wörtlich übersetzt «Wind und Wasser» und befasst sich mit den Gesetzmässigkeiten des Fliessens von 
Energie. Allerdings steht die Energie hier nicht für die Elektrizität, die aus der Steckdose kommt. Gemeint ist vielmehr jene universelle Kraft, die die Welt bewegt. Im alten Indien nannte man diese Energie «Prana», in Japan «Ki» und in China «Chi». Nach dieser viele tausend Jahre alten Vorstellung besteht nicht nur der gesamte Kosmos aus dieser Substanz, Chi fliesst auch im Menschen und lenkt unsere seelische und geistige Entwicklung.

Gute Lage – gute Laune

Feng Shui orientiert sich an der Natur, die nur fliessende Bewegungen kennt. Analog zu einem mäandrierenden Fluss sollen alle Bewegungsabläufe innerhalb eines Gebäudes in sanft fliessender Weise erfolgen. Raumanordnung und Möblierung sollen dazu beitragen, dass jeder Teil der Wohnung oder des Büros gleichmässig mit Chi versorgt wird. Denn freies Zirkulieren und optimale Versorgung aller Raumbereiche mit viel gutem Chi führen zu Gesundheit, Wohlbefinden und Erfolg – so jedenfalls die reine Lehre.

Wem das alles zu unwissenschaftlich oder gar esoterisch vorkommt, der möge an eine mittlerweile auch von der Schulmedizin akzeptierte Heilmethode denken: die Akupunktur. So wie der Akupunkteur durch Nadelstiche an bestimmten Punkten den Energiefluss im Körper anzuregen und zu beeinflussenversucht, bedient sich der Feng-
Shui-Praktiker ganz ähnlicher Hilfsmittel, zum Beispiel gewisser Gegenstände, um das Chi eines Ortes ins Fliessen zu bringen.

Die in der westlichen Hemisphäre bekannteste Richtung des Feng Shui ist die so genannte Formschule. Sie besagt, dass die Formen und die Beschaffenheit der Umgebung die darin lebenden Menschen prägen und beeinflussen – positiv, aber auch negativ. Die Wahl des «richtigen Standorts», sei es zum Leben oder Arbeiten, sowie die optimale Nutzung des dort vorhandenen energetischen Potenzials sind die wichtigste Aufgabe der Feng-Shui-Analyse.

Dabei lässt sich ein aus Sicht der Formschule guter Standort sehr leicht erkennen, die Kriterien sind auch dem Skeptiker durchaus einsichtig – entsprechen sie doch in etwa dem, was auch ein Immobilienmakler als «gute bis sehr gute Lage» bezeichnen würde. Der ideale Bauplatz sieht demzufolge wie folgt aus:

  • Möglichst freier und ungestörter Blick nach vorne, am besten Richtung Süden auf ein Gewässer.
  • 
Schutz nach hinten, zum Beispiel durch einen Hügel oder Bäume.
  • 
Stabilisierende Elemente an der Seite, beispielsweise Häuser, Bäume, die aber nicht höher als das eigene Gebäude sein sollten.

Dieses Prinzip wird im Feng Shui als Lehnstuhlprinzip bezeichnet: eine stabile Rückenlehne, zwei seitlich stabilisierende Armlehnen und offen nach vorne.

Nun besteht die Welt nicht aus lauter nach Süden ausgerichteten Hanglagen mit Seeblick – und die Arbeitswelt schon gar nicht. Ist Feng Shui also eher etwas für «Gutbetuchte»? Mitnichten, denn oft reichen ein paar kleine Veränderungen in den Innenräumen aus, um die Lebensenergie Chi so zu lenken, dass Orte der Kraft beziehungsweise Orte der Ruhe entstehen. Grundsätzlich gilt: Das Chi soll frei und ungehindert durch die Räume fliessen können.

Das Chi fliessen lassen

Ein beengender Eingangsbereich zum Beispiel blockiert den Energiefluss, das Chi kann erst gar nicht in den Raum gelangen. Persönliche Stagnation könnte die Folge für denjenigen sein, der in einem solchen abgeschnittenen Raum leben und arbeiten muss. Aber auch anderes stört den freien Energiefluss durch die Räume: Ballast, Gerümpel, Schmutzecken, nicht funktionierende Dinge usw. sind Energiefresser und wirken sich negativ auf das Chi aus.

Ungünstig für das Chi sind auch scharfe Kanten und spitze Gegenstände, die keinesfalls auf schlafende oder arbeitende Menschen zeigen sollten, da sie wie ein Messer den Energiefluss abschneiden und den Menschen schwächen. Auch das Arbeiten unter Dachschrägen und Balken sollte eher gemieden werden, die drückende Wirkung belastet und lähmt die Kreativität und Leistungsfähigkeit, die Arbeit fällt schwerer. Ähnliches gilt für Bücherregale im Rücken oder überquellende Bücherbords in Kopfnähe: Beides stört erst den Energie- und dann den Gedankenfluss!

Der ideale Arbeitsplatz

Wenn Menschen ein leeres Café betreten, wird der überwiegende Teil einen Platz wählen, der möglichst schräg gegenüber dem Eingang liegt und eine Wand im Rücken bietet. So hat man den besten Überblick, sieht mögliche Gefahren frühzeitig und von hinten kann dank der Wand nichts passieren. Dieses Verhalten ist sehr menschlich und wurde in zahlreichen psychologischen Studien immer wieder beobachtet.

Insofern waren die alten Chinesen gute Psychologen, schlagen sie doch als idealen Standort des Schreibtischs genau die diagonal entfernteste Ecke von der Tür vor. Hier fühlen sich die Menschen in ihrer Mitte und agieren aus einem Gefühl der Stärke und Sicherheit heraus. Befindet sich hingegen ein Fenster oder eine Tür hinter dem Schreibtisch, so kann das zu Unsicherheiten und mangelhafter Konzentration führen – wer weiss, ob einem nicht jemand im nächsten Augenblick in den Rücken fällt. Bevor man sein Arbeitsleben in furchtsamer Anspannung verbringt, sollte man also lieber seinen Schreibtisch verrücken – allerdings nicht dorthin, wo man gegen eine Wand starrt! Die wirkt nämlich ähnlich wie das sprichwörtliche Brett vor dem Kopf – sie reduziert die Perspektive und blockiert das Denken. Überhaupt ist es wichtig, worauf man schaut, wenn man von seinem Arbeitsplatz aufblickt – entspricht das Gegenüber doch im übertragenen Sinne der eigenen Zukunft. Also schleunigst die Kaffeetasse, den Aschenbecher und das Faxgerät aus dem Blickfeld räumen und stattdessen etwas Erfreuliches, beispielsweise ein Bild oder eine Pflanze, dort positionieren.

Auch sollte der Schreibtisch nicht zu nahe an der rückwärtigen Wand stehen, denn dort fühlt sich der Mensch eingeklemmt, kann sich nicht entfalten und die Persönlichkeit verkümmert. Ob mit oder ohne Feng Shui: Bei genauerem Hinsehen erweisen sich viele der vorgeschlagenen Massnahmen zur menschengerechten Gestaltung des Arbeitsplatzes auch aus der Perspektive der Gesundheitsförderung und des Gesundheitsschutzes als sehr sinnvoll. Und warum sollten sich Feng Shui und Gesundheitsförderung dann nicht die Hand reichen …?

Zusammenfassung oder Ein Blick aufs Büro aus der Feng-Shui-Perspektive

  • 
Schreibtisch spätestens zum Feierabend 
aufräumen! Überflüssiges wegräumen, es stört den Energiefluss.
  • 
Zwei Schreibtische exakt gegenüber bedeuten Stress für die daran Arbeitenden. Besser: Schreibtische mindestens dreissig Zentimeter seitlich verrücken. Das schafft Freiraum – auch im Kopf.
  • 
Büros sollten möglichst rechteckig sein. Das 
fördert den ungehinderten Fluss des Chi.
  • 
Runde, ovale oder halbrunde Tischformen sind gut für Diskussionen, fördern die Kreativität und unterstützen die Suche nach neuen Ideen. Sachthemen und Vertragsverhandlungen ziehen sich an solchen Tischen allerdings in die Länge.
  • 
Rechteckige und quadratische Tische unterstützen eher «linkshirnige» Tätigkeiten, also 
analytische und denkorientierte Aufgaben.
  • 
Pflanzen (gesunde!) steigern die Raumenergie, sie gehören zur Feng-Shui-Lehre unbedingt dazu.

Buchtipp

Margrit Lipczinsky, Helmut Boerner: Büro, Mensch und Feng Shui.Callwey Georg D.W. GmbH, September 2000. Gebunden, 192 Seiten, ISBN 3766714228.

 

Kommentieren 0 Kommentare HR Cosmos

Dr. Peter Meier ist Anwalt im Amt für Wirtschaft und Arbeit, Ressort Arbeitsbedingungen, des Kantons Zürich.

Weitere Artikel von Peter Meier