Motivation und Einsatzbereitschaft

Wenn Mitarbeiter mehr arbeiten, als sie müssten

Vor allem der Stolz auf sich und ihre Leistung sind es, die Berufstätige dazu verleiten, mehr und Besseres abzuliefern, als die Vorgesetzten von ihnen erwarten. Diese Haltung ist besonders bei älteren Arbeitnehmern zu beobachten.

Stolz und Kundenbetreuung motivieren mit 52 Prozent mehr als die Hälfte der Angestellten, regelmässig Bestleistungen zu erbringen. Das hat eine Umfrage des Personaldienstleisters Adecco unter britischen Büromitarbeitern ergeben.

Der Antrieb, ihr Bestmögliches zu leisten, war am offenkundigsten unter Mitarbeitern über 45: 40 Prozent der Antwortenden, die oft mehr leisten, als von ihnen erwartet wird, fallen in die Altersklassen 45-54 und 55+. Über 50 Prozent der älteren Mitarbeiter haben Kundenbetreuung, Teamwork und Selbstverwirklichung als Antriebskräfte angegeben, die an sie gestellten Erwartungen zu übertreffen.

Harte Zeiten fördern Einsatzbereitschaft

Für jüngere Mitarbeiter, die ihre Karriere aufbauen, spielen auch finanzielle Belohnungen eine Rolle. Dennoch gaben mehr als 40 Prozent von ihnen ihr Selbstwertgefühl als Hauptgrund an, Bestleistungen zu erbringen.

Die Umfrage hat gezeigt, dass das Gefühl, stolz auf sich zu sein, insgesamt der einflussreichste Faktor war. Damit verbunden war die Anerkennung des Vorgesetzten: Über ein Drittel der Befragten in allen ausser der höchsten Alterskategorie bezeichnete diese Anerkennung als massgeblich, die sogenannte Extrameile zu leisten.

Und wie sieht es bei uns aus? «Auch im Schweizer Arbeitsmarkt lässt sich eine Tendenz feststellen, bei der gerade in wirtschaftlich bewegten Zeiten Faktoren wie überdurchschnittliche Einsatzbereitschaft, Eigenverantwortung, Entwicklungsmöglichkeit, Loyalität, Flexibilität und geographische wie geistige Mobilität eine entscheidende Rolle sowohl auf Arbeitnehmer- wie auch Arbeitgeberseite spielen», sagt José M. San José, Mediensprecher Adecco Switzerland. Werte wie Nachhaltigkeit und Wertschätzung seien für Arbeitnehmer weitere wichtige Punkte, welche auch auf dem Schweizer Arbeitsmarkt gesucht seien, was einen vermehrten Wertediskurs innerhalb der Unternehmen auf den Plan rufen dürfte.

Arbeitsmarktfähigkeit wird wichtiger als Arbeitsplatzsicherheit

Der Schweizer HR-Barometer des Lehrstuhls Human Resource Management der Universität Zürich und des Instituts für Arbeitspsychologie der ETH Zürich wird in der nächsten Ausgabe, die Ende Jahr erscheint, Zahlen zur wahrgenommenen Leistung der Schweizer Angestellten liefern. Was jedoch heute schon klar ist: «Je besser der psychologische Vertrag des Mitarbeiters erfüllt ist, desto grösser ist sein Commitment gegenüber dem Arbeitgeber, und desto grösser ist auch seine Bereitschaft, mehr zu geben, als von ihm verlangt wird», sagt Anja Feierabend, Oberassistentin am Lehrstuhl Human Resource Management der Universität Zürich und Projektleiterin des HR-Barometers.

Ein gut erfüllter psychologischer Vertrag bedeutet, dass der Mitarbeiter vom Unternehmen erhält, was er von diesem erwartet. Anja Feierabend: «Zum psychologischen Vertrag gehören interessante Arbeitsinhalte, Entwicklungsmöglichkeiten, die Möglichkeit, seine Fähigkeiten vielfältig einzusetzen, die Möglichkeit, Eigenverantwortung zu übernehmen, eine angemessene Entlöhnung, Loyalität – also ein Arbeitgeber, der hinter einem steht und seine Versprechen hält –, und Arbeitsplatzsicherheit.» Allerdings findet bezüglich Sicherheit ein Wandel statt: «Zunehmend wichtiger als die Arbeitsplatzsicherheit wird in der heutigen Arbeitswelt die Arbeitsmarktfähigkeit angesehen, und damit die Unterstützung des Arbeitgebers bei der Weiterbildung», so Anja Feierabend. Ebenfalls zentral fürs Commitment seien zudem die Möglichkeit der Partizipation und regelmässige Rückmeldungen und Leistungsbeurteilungen.

«Das Allerwichtigste ist Wertschätzung»

Diese wissenschaftlich erhobenen Faktoren spiegeln sich in der Praxis wider. Vreni Hartmann: «Meine bisher gemachten Erfahrungen als HR-Verantwortliche der Suva St. Gallen zeigen, dass eine interessante Tätigkeit mit Weiterentwicklungsmöglichkeiten die Leistungsbereitschaft der Mitarbeitenden fördert. Ebenso können Wertschätzung für die gute Leistung durch Lohnerhöhung oder Beförderung, aber auch Motivation sowie entsprechende Feedbacks durch Vorgesetzte dazu beitragen.»

Für Ruth Eberhard, Personalleiterin bei der Osterwalder St. Gallen AG, treiben folgende Punkte die Mitarbeiter zu Extraleistungen an: Loyalität zum Unternehmen, ein respektvoller und angenehmer Umgang untereinander, die Unternehmenskultur, Spass an der Arbeit durch Wertschätzungskultur, Zusammengehörigkeitsgefühl (Teamgedanke, gemeinsame Anlässe), ein Bonussystem und die Förderung von Mitarbeitern durch neue Aufgaben, Projektverantwortung etc. Ruth Eberhards Fazit: «Soft Facts sind oft viel wichtiger als Lohn oder Arbeitsplatzumgebung. Das Allerwichtigste ist Wertschätzung.»

Die Bedeutung der leistungsbereiten älteren Mitarbeiter, welche in der UK-Umfrage hervorgehoben wird, spricht auch Adecco-Mediensprecher José M. San José an: «Gerade ältere Mitarbeitende mit ihrem langjährigen Know-how und ihrem spezifischen Fachwissen nehmen eine wichtige Komponente im Arbeitsmarkt ein.» Auch wenn der Sinneswandel bezüglich der Einstellung von älteren Mitarbeitenden in der Schweiz vorderhand noch auf sich warten lasse: «Längerfristig betrachtet dürfte den Firmen nichts anderes übrig bleiben, als sich dem demografischen Wandel anzupassen.»

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Franziska Meier ist Redaktorin und Produzentin mit langjähriger Erfahrung im Zeitungs- und Zeitschriftenbereich. Als Chefredaktorin des Magazins «fit im job» sowie als Fachredaktorin der Zeitschrift «HR Today» hat sie sich auf das Thema «Mensch, Arbeit & Gesundheit» spezialisiert. Zu ihren journalistischen Schwerpunkten gehören insbesondere Persönlichkeitsentwicklung, Coaching, Stressprävention und betriebliches Gesundheitsmanagement. Achtsamkeit praktiziert sie manchmal im Schneidersitz, öfter jedoch auf ihren Spaziergängen rund um den Türlersee.

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