Wie Führung und Coaching die Leistung steigern
Coaching stärkt Führungskräfte, fördert Mitarbeitende und schafft ein Umfeld, in dem Spitzenleistungen möglich werden. Albina Koch, Präsidentin der International Coaching Federation, zeigt auf, wie es sich gezielt in der Unternehmenskultur verankern lässt.

Coachinnen und Coaches helfen dabei, Spitzenergebnisse zu erzielen – sowohl im Sport wie auch im Business.
Ruth Chepngetich stellte in Chicago mit einer Marathonzeit unter 2:10 Stunden einen neuen Weltrekord auf – eine herausragende Leistung! Die Ziellinie eines Marathons ist ein inspirierendes Sinnbild für unternehmerischen Erfolg – denn hinter jeder Spitzenleistung steht nicht nur eine Einzelperson, sondern ein engagiertes Team. Wie im Sport müssen diverse Disziplinen (Physis, Psyche, Technologie) perfekt zusammenwirken, um zum entscheidenden Moment Höchstleistung zu erbringen.
Was macht eine erfolgreiche Kultur aus?
Eine Rekordläuferin benötigt dieselben grundlegenden Erfolgsfaktoren wie ein Unternehmen, das am Markt erfolgreich ist: Vision, Ehrgeiz, Disziplin und Teamgeist im Sportkontext respektive Vision, Mission, Strategie, Organisation und Teamarbeit im Business-Kontext. All dies entfaltet die volle Wirksamkeit erst durch Führung und menschliches Engagement. Die Art der Führung ist dabei entscheidend für den langfristigen und nachhaltigen Erfolg. Spannend hierbei ist, dass Führungskompetenz durch das eigene Verhalten geprägt wird – sie ist nicht fremdbestimmt
Führungskräfte, die ihr Team mit Anerkennung, klarer Kommunikation und Vorbildverhalten prägen, schaffen eine positive Führungskultur. Diese ist ein wesentlicher Bestandteil der gesamten Unternehmenskultur, die sich aus Werten, Normen, Verhaltensweisen, Ritualen, Symbolen, Kommunikation und der gemeinsamen Geschichte der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zusammensetzt. Sie entsteht organisch und ist das Ergebnis von Interaktionen und Erfahrungen innerhalb der Organisation. Die Führung spielt dabei eine entscheidende Rolle, da sie bestimmt, wie Entscheidungen getroffen werden, wie die Kommunikation abläuft und wie die Mitarbeitenden miteinander umgehen. Eine positive Führungskultur fördert ein positives Umfeld, in dem Vertrauen, Transparenz und Zusammenarbeit gedeihen – Faktoren, die den Prozesserfolg, die Produktivität und die Geschäftsresultate massgeblich beeinflussen. Wichtig hierbei ist: Sowohl die Organisationskultur als auch die Führungskultur können und sollten aktiv entwickelt werden.
Was muss Führung heute leisten?
Die enorme Technologisierung in den letzten 20 Jahren und die zunehmende Komplexität vieler Themen erfordern ein Umdenken in der Führung: Nebst der Steuerung von dynamischen Prozessen sowie der Flexibilität und Agilität wird es immer wichtiger, Mitarbeitende zu befähigen und Vertrauen aufzubauen. Führungskräfte müssen sich stärker auf eine partizipative und offene Führungskultur konzentrieren, in der Mitarbeitende ermutigt werden, Verantwortung zu übernehmen und eigene Ideen einzubringen. Gleichzeitig müssen sie mit Unsicherheit umgehen und eine klare Vision vermitteln können, um in einer sich ständig wandelnden Umgebung Orientierung zu bieten.
Von Führungskräften wird heute verlangt, dass sie neue Ziele und Datenpunkte erreichen, die Produktivität steigern und gleichzeitig glückliche und engagierte Mitarbeitende hervorbringen (Transformation). Hier hat der Leistungssport einen anderen Abzweiger genommen, obwohl auch dort geschärfte Methoden der Datenanalyse genutzt werden, um Massnahmen abzuleiten. Im Unterschied zum Business werden diese jedoch selektiv umgesetzt, abgestimmt auf den aktuellen Leistungszustand der Athletin oder des Athleten. Diesen zu kennen, ist die zentrale Aufgabe der Coachin oder des Coachs. Ist der Leistungszustand unbekannt oder wird er vermutet, führt das häufiger zu Überbelastung, seltener zu Unterforderung. Beide Effekte verhindern Erfolg.
Im Business-Kontext bedeutet das: Bevor die Produktivität gesteigert, Ziele erreicht, Veränderungen erfolgreich umgesetzt und ein zufriedenes Arbeitsumfeld geschaffen werden können, muss die Führungskraft sowohl ihren eigenen Leistungszustand als auch den ihres Teams genau kennen. Sie muss das Ziel klar vor Augen haben und genau abwägen, welche Ressourcen für die angestrebte Veränderung nötig sind, welche Kompetenzen ihr Team dafür braucht und welche Schritte eine Balance zwischen Herausforderung und Machbarkeit schaffen. Coaching ist deshalb das zentrale Element bei jeder erfolgreichen Transformation.
Coaching als Schlüssel zur Leistungssteigerung
Die International Coaching Federation (ICF) definiert Coaching als Prozess, der ein Team oder einzelne Mitarbeitende darin unterstützt, ihr Potenzial zu erkennen und gezielt zu nutzen. Der Fokus liegt auf einer zielgerichteten und lösungsorientierten Begleitung, bei der die coachende Person mittels Reflexionsmethoden hilft, Wege zu entwickeln, Klarheit zu gewinnen und nachhaltige Veränderungen herbeizuführen. Dies ist möglich durch den Einsatz interner oder externer Coachinnen und Coaches sowie der Führungskraft als Coachin respektive Coach.
Um ihren strategischen Business Case zu erreichen, sind Unternehmen angehalten, sich strukturiert und kontinuierlich über den Leistungszustand ihrer Teams, insbesondere ihrer Führungsteams, zu informieren. So kann eine zentrale Frage beantwortet werden: Welche selektiven Massnahmen sind erforderlich, um die gewünschte Veränderung umzusetzen – abgestimmt auf den aktuellen Leistungszustand? Coaching wird so zu einem natürlichen Kulturelement, das die Führungskompetenz steigert und die Wirksamkeit in der Umsetzung von Veränderungen erhöht.
Blick in die Praxis
Gemäss Studien der ICF und des Human Capital Institute (HCI) bestätigen 72 Prozent der Befragten eine deutliche Korrelation zwischen Coaching und einem gesteigerten Mitarbeiterengagement. Der Anteil von Unternehmen mit einem Budget für Coaching nimmt zu, von 25 auf heute 33 Prozent. Grosse Organisationen, die Coaching intern anwenden, sind unter anderem SAP, Roche, Microsoft, Johnson & Johnson, Hewlett Packard und Intel.
Intel zeigt beispielsweise, wie eine Coaching-Kultur zum operativen Gewinn beitragen kann. Anhand verschiedener Quellen (Umfragen, Mitarbeiterbindung, Mitarbeiter- und Führungskräftebewertungen) wird ein Direktbezug zu neuen Umsätzen sowie Kostenvermeidung durch geringere Fluktuation hergestellt. 91 Prozent der Teilnehmenden erreichten ihre Geschäftsziele und berichteten, dass sie durch das Coaching wertvolle Werkzeuge zur Verbesserung ihrer Führungsfähigkeiten erhielten. Im Jahr 2021 profitierten 1100 Führungskräfte von Coaching, und durch das «Turn and Teach»-Prinzip, bei dem die gecoachten Führungskräfte ihre erlernten Fähigkeiten an ihre Teams weitergeben, wurden indirekt über 11 000 Mitarbeitende erreicht. Dies zeigt, dass die Coaching-Kultur bei Intel nicht nur einzelne Führungskräfte stärkt, sondern das gesamte Unternehmen zu höheren Leistungen befähigt und den Weg für zukünftige Erfolge ebnet.
Auch bei AstraZeneca ist Coaching Teil der Führungskultur. Mit ICF-zertifizierten Coachinnen und Coaches und der Integration der ICF-Kernkompetenzen hat das Unternehmen klare, messbare Erfolge erzielt: 89 Prozent der befragten Mitarbeitenden berichteten über verbesserte Fähigkeiten und 83 Prozent über gesteigerte persönliche Entwicklungsmöglichkeiten. Zudem wurde eine Verdopplung der «Feedforward»-Gespräche – ein zukunftsgerichteter Ansatz, der gezielt die Kompetenzentwicklung fördert – verzeichnet.
Ansatz für «Coaching in Organisationen»
Um bei Anpassungen und Veränderungen zu führen, müssen Führungskräfte in der Lage sein, den Leistungszustand ihres Teams einzuschätzen sowie individuelle Talente zu erkennen und zu fördern, während sie gleichzeitig die Teamdynamik im Auge behalten. ICF Switzerland hat deshalb das Projekt «Coaching in Organisationen» initiiert, um Unternehmen bei der Implementierung von Coaching in der Führungskultur zu unterstützen. Neben Beratungsleistungen, Informationsangeboten und Workshops umfasst das Projekt regelmässige «Roundtables» für HR-Leiterinnen und HR-Leiter, an denen sie Erfahrungen austauschen und gemeinsam Lösungen erarbeiten können. Der nächste «Roundtable» ist für den 6. Mai geplant.
Anmeldungen können per E-Mail an albina.koch@coachingfederation.ch gesendet werden.
So wird Coaching als Führungselement nachhaltig verankert
Analyse und kulturelle Verankerung: Ermittlung des Reifegrads der Coaching-Kultur unter Berücksichtigung von Führungshaltungen, Kommunikationsmustern und psychologischer Sicherheit.
Strategische Ausrichtung: Verknüpfung mit der Unternehmensstrategie und Definition eines klaren Zielbilds für Coaching in der Organisation.
Systematische Implementierung: Entwicklung eines massgeschneiderten Konzepts mit Pilotierung, Kompetenzaufbau für Führungskräfte und Integration interner sowie externer Coachinnen und Coaches.
Nachhaltigkeit und Erfolgsmessung: Kontinuierliche Reflexion, Feedbackschleifen und messbare Key Performance Indicators (KPIs) zur langfristigen Verankerung und Weiterentwicklung der Coaching-Kultur.