Gleichstellung

Wie Männer zu Allys werden

Ein Augenrollen hier, eine Unterbrechung da. Die Arbeitswelt wirkt auf Frauen und Männer unterschiedlich. Männer können als Verbündete eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe fördern – indem sie konsequent offene und subtile Formen von Sexismus und Diskriminierung adressieren und damit Ressourcen für den Unternehmenserfolg freisetzen. 

Haben Sie auch schon erlebt, dass eine Arbeitskollegin im Meeting unterbrochen wurde oder ein Kollege einen sexis­tischen Spruch machte? Haben Sie zugeschaut oder haben Sie interveniert? Hier machen Männer als Verbündete den Unterschied.

Allys setzen sich für unterrepräsentierte Gruppen ein, ohne dieser anzugehören. In Situationen, in denen sie Diskriminierung oder Sexismus beobachten, sprechen sie dies an. Dabei geht es nie darum, sich ins Zentrum zu stellen, sondern für andere da zu sein, falls notwendig und gewünscht. Im Unternehmenskontext steht immer eine systemische Veränderung hin zu einer inklusiven Unternehmenskultur im Fokus.

Mit Männern in einer aktiven Rolle eine inklusive Unternehmenskultur gestalten


Männer sind im obersten und mittleren Management in der Mehrheit. Entsprechend dem Gender Intelligence Report 2025 sind es je rund drei Viertel. Die Entwicklung einer inklusiven Unternehmenskultur gelingt aus diesem Grund nur mit den Männern in einer aktiven Rolle. Ist diese für sie attraktiv genug? Ja, aber Männer stehen vor Widersprüchen, Ängsten und Widerstand. Deshalb braucht es einen geschützten Rahmen, in dem sie offen über Privilegien, Macht, Männlichkeit und die persönliche Entwicklung zum Ally reden können. 

Immer mehr Männer sind bereits als Allys im Alltag aktiv, vom CEO, der seit über zehn Jahren Top-Sharing fördert, bis zum Vater, für den das 50/50-Modell in der Sorgearbeit nicht verhandelbar ist. Einzelne Vorbilder helfen, aber sie reichen nicht aus. Unternehmen müssen Allyship einerseits von ganz oben vorleben und andererseits zum Bestandteil des Führungs-ABCs machen. Eine Möglichkeit dazu stellen spezifische Trainings dar. Denn Allyship bedeutet eine persönliche Entwicklung: von der Reflexion bis zum aktiven Handeln.

Das Bild zeigt Konrad Weber (links) und Pirmin Meyer, zwei junge Männer mit dunklen Hemden und Shirts, Brille und kurzen dunklen Haaen. Beide lächeln in die Kamera. Text: Konrad Weber ist Vater einer Tochter, Strategieberater und Foresight-Experte sowie Mitgründer der Plattform «allyship.ch». Pirmin Meyer ist Vater von zwei Söhnen, Strategieberater für Kultur, Reputation und Stakeholder Management sowie Mitgründer der Plattform «allyship.ch». Beide lernten sich im Vorstand des Vereins WE/MEN kennen, der sich seit sechs Jahren für einen positiven Dialog über Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen engagiert.


Bisher fehlte Männern der Dialog-Raum, um in aller Ruhe und vertieft darüber zu diskutieren und zu reflektieren, wie die stimmige Rolle als Ally und Führungskraft aussieht, wie sie Widerstände überwinden können und gemeinsam als Allys Wirkung entfalten.

Es braucht weitere Pioniere, wie die AXA Schweiz, bei der die beiden Autoren im September 2025 ein Training mit männlichen Führungskräften durchführen durften. Es ist faszinierend, mitzuerleben, wie im vertraulichen und offenen Dialog zwischen Männern der Wille zur Veränderung und die eigene Rolle als männlicher Ally plötzlich besprechbar und verständlich werden.

Männliche Allys ermöglichen ein ganzheitliches Diversity Management 


Unternehmen stehen heute vor zahlreichen Herausforderungen, die sie alle gleichzeitig managen müssen: Fachkräftemangel und Fluktuation, Regulierung und Transparenz, Effizienz und Innovation sowie das Ermöglichen von neuen Arbeitsformen. Es erstaunt bei dieser Ausgangslage, dass in der Schweiz gemäss Gender Intelligence Report 2025 nur rund die Hälfte der Unternehmen eine explizite Strategie für Diversity, Equity und Inclusion aufweisen und wiederum nur rund die Hälfte davon diese in der Gesamtstrategie verankern. 

5 Dinge, die Unternehmen tun können:  Recruiting: auf Sprache und Transparenz in Stellenausschreibungen achten: Viele Bewerbende fühlen sich durch implizit ausschliessende Formulierungen nicht angesprochen. Unternehmen können sofort beginnen, ihre Stellenausschreibungen auf inklusive Sprache zu prüfen und Gehaltsspannen transparent zu machen. Das erhöht nachweislich die Vielfalt im Bewerbendenpool.  Onboarding: ein strukturiertes Willkommen für alle ermöglichen: Ein rein technisches Onboarding (Laptop, Zugänge, Prozesse) reicht nicht. Wer Vielfalt ernst nimmt, gestaltet den Onboarding-Prozess inklusiv und sichtbar wertschätzend. Konkret sollten standardisierte Onboarding-Programme auch durch Aspekte von psychologischer Sicherheit, der Unternehmenskultur und der zentralen Rolle von männlichen Allys ergänzt werden.  Beförderungen: Vorurteile bewusst abbauen: Beurteilungen und Beförderungen sind besonders anfällig für unbewusste Vorurteile. Indem in jedes Beförderungsgremium eine Ally-Rolle involviert wird, werden faire Bewertungskriterien ins Zentrum gestellt und Stereotype offen angesprochen.  Personalentwicklung: Zugang zu Weiterbildungen ermöglichen: Der Zugang zu Trainings und Projekten entscheidet über Karrieren und ist im Alltag trotzdem oft ungleich verteilt. Indem systematisch Geschlecht, Alter, Beschäftigungsform (Teilzeit, Remote) bei Projektvergabe getrackt wird, kann sichergestellt werden, dass niemand durch Betreuungszeiten oder flexible Arbeitsmodelle ausgeschlossen wird. Mit der Integration von Allyship in die Führungskräfteentwicklung gelingt die Verankerung in der Organisation.  Offboarding: Zugehörigkeitsgefühl trotz Abschied sichern: Der letzte Eindruck prägt, wie Mitarbeitende das Unternehmen in Erinnerung behalten und ob sie es weiterempfehlen oder nicht. Die Einführung von standardisierten Exit-Gesprächen (mit expliziten Fragen zur Wahrnehmung von DEIB-Aktivitäten und Allyship) kann helfen, bestehenden und künftigen Mitarbeitenden gleichermassen Türen zu öffnen.


Wer sich einen Wettbewerbsvorteil verschaffen will, setzt deshalb jetzt auf einen ganzheitlichen Ansatz entlang des Employee Lifecycle, vom Employer Branding über Learning und Development bis Offboarding. Prozesse, Rahmenbedingungen und Praktiken sind in der Umsetzung ein Muss. Aber es braucht mutige, männliche Vorbilder im Alltag, die den Kulturwandel gemeinsam mit anderen aktiv gestalten wollen – im Extremfall auch gegen inneren und äusseren Widerstand. DEIB-Management ist keine Frauensache, sondern Aufgabe von allen und von ganz oben. Diesen zentralen Aspekt heben die Autorinnen Eva Voss und Sonja Würtemberger in ihrem Buch «Vielfalt im Employee Lifecycle» hervor.

Männliche Allys schützen die Reputation und sichern den langfristigen Erfolg


Eine Langzeitstudie der HSG und der Deutschen Krankenkasse Barmer kommt zum Schluss, dass inklusive Führung sich positiv auf die Zufriedenheit und die Gesundheit der Mitarbeitenden auswirkt. Auch aus der Forschung von Amy Edmondson zur psychologischen Sicherheit ist bekannt, dass die Performance entscheidend davon abhängt, dass sich alle trauen, neue Ideen, Bedenken und Fehler offen mit ihren Vorgesetzten und dem Team zu teilen. Dies ist der beste Reputationsschutz für jede Organisation. In Spitälern und Flugzeugen sind ganz direkt Menschenleben betroffen, wenn der Chefarzt oder die Pilotin bei einer Fehleinschätzung der korrekten Einschätzung der Assistenzärztin oder des Co-Piloten nicht glaubt.

Männliche Allys verstehen diese Risiken und Chancen und arbeiten gemeinsam daran, dass alle gesehen, gehört und respektiert werden. Sie weisen darauf hin, wenn am Entscheidungstisch wichtige Perspektiven fehlen, und sie sprechen direkt an, wenn der Arbeitskollege der einzigen Arbeitskollegin im Boardroom mitten im Satz ins Wort fällt.

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Konrad Weber ist Vater einer Tochter, Strategieberater und Foresight-Experte sowie Mitgründer der Plattform «allyship.ch».

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Pirmin Meyer ist Vater von zwei Söhnen, Strategieberater für Kultur, Reputation und Stakeholder Management sowie Mitgründer der Plattform «allyship.ch». 

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