Unter Palmen

Workation: Jobtraum oder rechtliche Falle?

Dolce Vita und gleichzeitig arbeiten: davon träumen so manche. Wer nicht aufpasst, läuft aber Gefahr in rechtlich schwierige Fahrwasser zu geraten. Eine Studie zeigt, was die Probleme sind – zwei Expertinnen ordnen ein. 

Workation ist in aller Munde und boomt – doch je länger der Auslandaufenthalt, desto grösser die rechtlichen Risiken. Ein Compliance Check der OST – Ostschweizer Fachhochschule im Auftrag von Abraxas zeigt: Ohne klare Regeln drohen beispielsweise Doppelversicherungen, Steuerfallen und Datenschutzprobleme. Wie Unternehmen Workations rechtssicher gestalten können – und wo die Grenzen liegen.

Arbeiten, wo andere Ferien machen – diese Vorstellung beflügelt viele Mitarbeitende. «Workation» heisst das Schlagwort, das bei vielen für leuchtende Augen sorgt. Die Arbeit dorthin zu verlegen, wo Hobby, Freizeit oder Genuss vor der Türe liegen, ist der Traum vieler. Ein paar Monate von Barcelona aus arbeiten, den Feierabend am Strand von Thailand geniessen oder die Berge Albaniens als Kulisse fürs Homeoffice: Der Tapetenwechsel verspricht Motivation, Kreativität und eine bessere Work-Life-Balance. Für Unternehmen bietet Workation zudem ein Plus in der Arbeitgeberattraktivität.

Doch so verlockend das Bild ist: Je länger und internationaler die Workation, desto komplexer werden die rechtlichen Fragen. Arbeitsrecht, Sozialversicherungen, Steuern, Ausländerrecht und Datenschutz – alle diese Felder greifen ineinander und bergen Risiken. Das zeigt ein aktuelles Beratungsprojekt «Compliance Check» der OST – Ostschweizer Fachhochschule, erstellt im Auftrag der Abraxas Informatik AG. 

Sind längere Aufenthalte möglich?


Abraxas beschäftigt über 1’000 Mitarbeitende und erbringt IT-Dienstleistungen für Behörden und Verwaltungen in der ganzen Schweiz. 

Workations sind dort bereits Realität: Im Rahmen eines Pilotprojekts wurde einzelnen Mitarbeitenden ermöglicht, innerhalb der EU Workations von bis zu acht Wochen zu absolvieren. Das Echo darauf ist sehr positiv und weckte den Wunsch in der Belegschaft nach längeren Aufenthalten.

Deshalb wollte Abraxas prüfen: Lassen sich Workations auf drei oder gar sechs Monate ausdehnen, auch ausserhalb der EU? 

Ein Studierendenteam aus dem Studiengang Management & Recht untersuchte die rechtlichen Rahmenbedingungen in der EU und in Drittstaaten wie Türkei, Albanien, Kosovo, Serbien und Thailand. Das Ziel: Handlungsempfehlungen für die Praxis.

Kernbefunde: Wo die Risiken lauern

Die Analyse machte deutlich: Workation ist kein verlängerter Homeoffice-Aufenthalt, sondern mit vielfältigen rechtlichen Herausforderungen verbunden. Einige Schlaglichter:

  • Arbeitsrecht: Im Ausland gilt das Territorialitätsprinzip – also primär das Recht des Gastlandes. Schweizer Regeln lassen sich zwar vertraglich vereinbaren, doch zwingende lokale Vorschriften (zum Beispiel Arbeitszeiten, Ruhepausen) bleiben gültig.
  • Sozialversicherungen: Schon nach 60, 90 oder 180 Tagen kann eine Pflicht zur Unterstellung im Gastland entstehen. Ohne A1-Bescheinigung innerhalb der EU, die bestätigt, dass ein Arbeitnehmer im Heimatland versichert ist, oder ohne bilaterale Abkommen in Drittstaaten drohen doppelte Versicherungen oder Deckungslücken.
  • Steuern: Ab 183 Tagen Aufenthalt – oder bei wirtschaftlichen Verknüpfungen – kann Steuerpflicht im Gastland entstehen. Besonders heikel: Wiederholte Auslandseinsätze oder die Miete eines Büros können als Betriebsstätte gewertet werden und eine Steuerpflicht für das Unternehmen selbst auslösen.
  • Ausländerrecht: Viele Staaten unterscheiden klar zwischen touristischen und geschäftlichen Aufenthalten. Arbeits- oder Aufenthaltsbewilligungen sind oft zwingend. Einige Länder bieten spezielle «Digital Nomad Visa» an, die aber jeweils eigene Auflagen mit sich bringen.
  • Datenschutz: Der Schutz sensibler Kundendaten ist kritisch. Schweizer Unternehmen unterliegen auch im Ausland dem Schweizer Datenschutzgesetz. Verletzungen können hohe Bussen zur Folge haben. VPN-Verbindungen, klare Vorgaben zum Arbeiten in Coworking-Spaces oder ein Verbot privater Geräte sind unverzichtbar. Je nach Kundenverträgen (Ort der Leistungserbringung) können Workations problematisch sein – insbesondere bei Funktionen, die Kundendaten bearbeiten. 

Handlungsempfehlungen für die Praxis


Aufgrund des Compliance Checks empfiehlt das Studierendenteam ein mehrstufiges Vorgehen, um die Risiken im Griff zu haben:

  1. Umfassendes Workation-Reglement, das Rechte und Pflichten für beide Seiten klärt – von Arbeitszeit bis Versicherung.
  2. Strukturierte Einzelfallprüfungen mit Checklisten (siehe Abbildung unten), bevor ein Aufenthalt genehmigt wird.
  3. Schulungen für Mitarbeitende und Vorgesetzte, um Risiken in Datenschutz, IT-Sicherheit und rechtlichen Grundlagen bewusst zu machen.
  4. Dokumentation sämtlicher Aufenthalte – Reisedaten, Arbeitsorte, Tätigkeiten – um im Streitfall rechtlich abgesichert zu sein.
Die Grafik zeigt eine Pyramide mit 4 Ebenen. Von unten nach oben: Rechtlich fundiertes Workation-Reglement, Strukturierte Einzelfallüberprüfung, Schulungen, Dokumentation.

Idealtypischer Umsetzungspfad für die Realisierung von Workation in der Praxis

Workation wird so zu einem modernen Instrument der Mitarbeitendenbindung – statt zum unkalkulierbaren Risiko. Die Faustregel lautet: Je grösser die geografische und rechtliche Distanz zur Schweiz, desto höher der administrative Aufwand.


Sechs Monate in der EU, drei in Drittstaaten


Der Compliance Check zeigt: Unternehmen können längere Workations einsetzen – bis zu sechs Monate sind zumindest in der EU meist realisierbar, wenn entsprechende Vorkehrungen getroffen werden. In Drittstaaten wie Thailand oder Serbien hingegen steigen Komplexität und Risiko rasch an, wenn drei Monate überschritten werden. Der Aufwand kann dann unverhältnismässig werden.

Compliance Checks 


Im Departement Wirtschaft der OST – Ostschweizer Fachhochschule erarbeiten Studierendenteams echte und bezahlte Consulting-Aufträge von Unternehmen und Organisationen, eng betreut durch Coachs – sogenannte Praxisprojekte. Ein Fünftel der Studienzeit wird dafür aufgewendet. Dieses System ist schweizweit einzigartig. Ein besonderes Format der Praxisprojekte sind die Compliance Checks – erarbeitet von Studierendenteams des Studiengangs Management & Recht. Das Kompetenzzentrum Wissenstransfer & Innovation (WTT) der OST koordiniert die Praxisprojekte. 

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