Begrenzter Mitarbeiterschutz bei Massenentlassungen

Bei Massenentlassungen müssen sich Unternehmen in der Schweiz zwar an viele formale Vorschriften halten. Doch sie müssen kaum befürchten, dass sie eine solche Massnahme nicht wie geplant umsetzen können.

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Zürich (sda). Wenn ein Unternehmen in grösserem Umfang Leute entlassen will, tut es gut daran, sich an einen genauen Fahrplan zu halten. Zum ersten gilt es zu prüfen, ob überhaupt eine Massenentlassung geplant ist. Erstes Kriterium ist, dass die Entlassungen aus betrieblichen Gründen oder wegen der Aufgabe der Geschäftstätigkeit erfolgen muss. Zweites Kriterium ist die Zahl der Kündigungen. Bei Betrieben mit 100 bis 299 Arbeitnehmenden ist eine Massenentlassung bei Kündigung von zehn Prozent der Angestellten der Fall. Bei Unternehmen mit weniger oder mehr Angestellten gelten die Schwellen von mindestens 10 respektive 30 Arbeitnehmenden.

Der nächste Schritt ist die Information der Arbeitnehmerschaft. Danach muss der Arbeitgeber ein Konsultationsverfahren durchführen, das den Angestellten ermöglicht, Vorschläge zu unterbreiten, wie die Kündigungen vermieden oder deren Zahl beschränkt werden kann. Wenn ein Betrieb mehr als 250 Angestellte hat und mindestens 30 Arbeitnehmende entlassen will, muss es mit der Arbeitnehmervertretung zudem einen Sozialplan aushandeln. Als vorletzten Schritt hat das Unternehmen schliesslich die Pflicht, die Massenentlassung den Behörden anzuzeigen. Danach kann es die Kündigungen aussprechen.

Hält sich ein Unternehmen genau an diesen Fahrplan, steht einer Massentlassung nichts im Weg. Der Arbeitgeber hat dabei auch kaum Hürden zu überwinden. So ist das Konsultationsverfahren letztlich eine folgenlose Anhörung. Das Unternehmen muss zwar die Vorschläge der Arbeitnehmerschaft prüfen, doch kann er sie ohne Begründung ablehnen.

Mehr Einfluss hat die Arbeitnehmerschaft, wenn ein Sozialplan ausgehandelt werden muss. In einem solchen Fall ist eine Einigung der Sozialpartner nötig. Bei unvereinbaren Positionen entscheidet ein von beiden Parteien zusammengestelltes Schiedsgericht.

Mit diesen gesetzlichen Bestimmungen im Obligationenrecht hat die Schweiz einen vergleichbaren rechtlichen Rahmen wie die Europäische Union. Die EU hat 1998 mit der Richtlinie 98/95/EG fast deckungsgleiche Mindeststandards für Massenentlassungen in den Mitgliedsländern erlassen. Die Mitgliedsländer können jedoch darüber hinaus gehende Bestimmungen beschliessen. So hat Deutschland zum Beispiel die Schwellenwerte tiefer angesetzt. Ebenfalls leicht schärfer ist die Formulierung im EU-Recht, dass eine Konsultation das Ziel habe, «zu einer Einigung zu gelangen».