Zürich (sda). Die über 700 Millionen Stunden Freiwilligenarbeit pro Jahr entsprechen etwa neun Prozent der geleisteten Erwerbsarbeitsstunden, wie Professor Markus Freitag von der Universität Bern am Freitag anlässlich der Präsentation des Freiwilligen-Monitor Schweiz 2016 in Zürich erklärte. Dies entspreche 5,5 Prozent des Bruttoinlandprodukts. «Tendenziell nimmt das freiwillige Engagement ab», sagte Freitag weiter. So sank die Anzahl Personen, die beispielsweise in einem Verein tätig sind, im Vergleich zum letzten Freiwilligen-Monitor aus dem Jahr 2010 von 26 auf 25 Prozent.
Die Zahl der Personen, die sich in einem gewählten Amt engagieren, ging von 13 auf zehn Prozent zurück. Ebenfalls sank die Zahl der Menschen, die im Jahr 2014 Geld gespendet haben. Im Jahr 2010 waren es noch 77 Prozent, nun 71. «Das ist aber auch konjunkturabhängig», relativierte Freitag. Einzig die informelle Freiwilligkeit, also beispielsweise das Hüten fremder Kinder, ist von 29 auf 38 Prozent angestiegen und bewegt sich damit wieder auf dem Niveau des ersten Freiwilligen-Monitors aus dem Jahr 2007.
Allerdings werden insgesamt pro Person weniger Stunden geleistet. So hat sich der Anteil derjenigen, die mehr als 20 Stunden tätig sind, halbiert. «Heute muss das Ende des Diensts absehbar sein», sagte Freitag. Die Tendenz geht daher eher in Richtung projektbezogenes Engagement.
Jüngere weniger engagiert
Die Studie zeigt, dass vor allem die 15- bis 34-Jährigen weniger engagiert sind und auch weniger spenden. So ist der typische Freiwillige laut Freitag zwischen 40 bis 64 Jahren alt, Deutschschweizer, gebildet und sozial eingebunden. Er ist aktiv, gesellig, freundlich und weist eine hohe Belastbarkeit und Stressresistenz auf.
Die Mehrheit ist dabei in den Bereichen Sport, Hobby, Kirche oder Kultur engagiert. Zudem sind das politische Vertrauen, Interesse und die Beteiligung an der Politik bei Freiwilligen stärker ausgeprägt. «Man spricht bei freiwilliger Arbeit nicht umsonst vom sozialen Kitt der Gesellschaft», sagte Freitag.
Internet als Betätigungsfeld
Zum ersten Mal wurde auch die Freiwilligkeit im Internet untersucht. Es zeigte sich, dass sich jeder vierte in der Schweiz Wohnhafte freiwillig im Internet engagiert. Dabei geht es meistens um das Gründen und Moderieren von Facebook-Gruppen oder die Pflege von Webseiten von Vereinen oder Organisationen. Jeder dritte junge Erwachsene kombiniert dabei seine Online-Freiwilligkeit mit einem sogenannt «realweltlichen Engagement».
Die Motivation unterscheidet sich bei den bis 34-Jährigen jedoch von den älteren Menschen. Während diese die Arbeiten als Herzensangelegenheit betrachten oder sich individuell selbst verwirklichen wollen, erwarten die Jungen einen persönlichen Nutzen aus ihrer Tätigkeit. Sie wollen beispielsweise ihre Kenntnisse erweitern und wünschen sich Zeugnisse oder Ausweise über ihr Engagement.
Geld hingegen ist kein Anreiz für freiwilliges Engagement. Vielmehr würden sich die Freiwilligen mehr Anerkennung für die geleistete Arbeit, flexible Zeitfenster, eine aktive Mitsprache oder fachliche Unterstützung wünschen.
Es ist nach 2007 und 2010 die dritte Ausgabe des Monitors. Die Zahlen für die aktuelle Ausgabe wurden Ende 2014 erhoben. Dabei wurden gesamtschweizerisch Personen ab 15 Jahren nach ihren Tätigkeiten befragt. Der Freiwilligen-Monitor wird von der Schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft (SGG) initiiert und getragen.