Ist die Gier Schuld an der VW-Abgas-Krise?

Wolfgang Schäuble glaubt, dass die Gier gewisser Manager den Abgas-Skandal beim deutschen Autobauer VW gefördert hat. Deshalb wünscht der deutsche Finanzminister innerhalb des angeschlagenen Unternehmens jetzt einen Kulturwandel.

Image
256772570.JPG

Wolfsburg/Berlin (sda/dpa). Die weltweite Abgas-Krise von VW ist nach Ansicht des deutschen Finanzministers Wolfgang Schäuble auch eine Folge von immer mehr Gier auf dem Weltmarkt. Wie schon bei der Finanzmarktkrise stelle sich heraus, dass der globale Wettbewerb, «wenn man auf dem Weltmarkt erfolgreich sein will, unglaublich brutal» sei. Immer wollten alle «die Grössten» sein, sagte Schäuble dem «RedaktionsNetzwerk Deutschland» (RND) am Mittwoch in Berlin.

Schäuble erwartet Kulturwandel

«Es ist auch die Gier nach Ruhm, nach Anerkennung. Man steht fassungslos davor und sieht doch immer wieder, wie das endet», sagte Schäuble. Als Konsequenz aus dem Abgas-Skandal erwartet Schäuble massive Veränderungen in der Unternehmensstruktur von Europas grösstem Autobauer Volkswagen. «VW wird am Ende nicht mehr das sein, was es war», betonte Schäuble. Der Staat solle aber nicht glauben, er könne alles besser machen als die Wirtschaft.

Eine Gefahr für den Wirtschafts- und Finanzstandort Deutschland sieht Schäuble durch den millionenfachen Betrug bei VW aber nicht. «Wir werden auch aus dieser Krise stärker herauskommen. Wir lernen aus Krisen», sagte er. Vor zehn Tagen war publik geworden, dass Volkswagen in den USA mit einem Computerprogramm die Abgaswerte bei Dieselwagen manipuliert hat. Weltweit sind nach Konzernangaben rund elf Millionen Fahrzeuge betroffen, davor rund 2,8 Millionen auch in Deutschland. VW drohen weltweit nun Milliardenstrafen.

Einstellungsstopp verhängt

Derweil kommen die Auswirkungen des Abgas-Skandals bei VW allmählich in der Autoproduktion und bei den Tochtergesellschaften an. Im Motorenwerk Salzgitter fährt Volkswagen die Produktion zurück. Und die VW-Finanztochter Volkswagen Financial Services hat bis zum Jahresende einen Einstellungsstopp verhängt. «Bereits mündlich gegebene Zusagen für Stellenbesetzungen sind davon aber unberührt», sagte Sprecher Stefan Voges am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur dpa. Zuvor hatte bereits die «Wolfsburger Allgemeine Zeitung» darüber berichtet. Ebenfalls sollen alle in diesem Jahr auslaufenden Verträge von Werkstudenten und Zeitarbeitern zunächst nicht verlängert werden. Nach dpa-Informationen sind knapp 30 Zeitverträge betroffen.

Am Dienstag waren die Mitarbeiter der VW-Finanztochter mit Sitz in Braunschweig auf einer Betriebsversammlung über die Massnahmen informiert worden. Ob der Einstellungsstopp zum Jahreswechsel beendet oder aber verlängert werde, sei noch nicht entschieden. Im Motorenwerk Salzgitter fährt VW angesichts des Abgas-Skandals die Produktion etwas zurück. Eine Sonderschicht pro Woche sei vorsorglich abgesagt worden, sagte eine Werkssprecherin am Mittwoch und bestätigte damit weitere Informationen der «Wolfsburger Allgemeinen».

Image ist arg ramponiert

Das Image von Europas grösstem Autobauer hat aufgrund manipulierter Diesel-Abgaswerte erheblich gelitten. Das könnte sich auch auf den Absatz niederschlagen. In Salzgitter, nach Konzernangaben eines der grössten Motorenwerke der Welt, werden täglich rund 7100 Otto- und Dieselmotoren hergestellt. In dem Werk arbeiten rund 7000 Mitarbeiter.

Städte bereiten sich auf Folgeschäden vor

Die Probleme bei VW können sich zudem über den Konzern hinaus auswirken: Städte befürchten geringere Steuereinnahmen. Nach Wolfsburg und Braunschweig verhängt nun auch Ingolstadt angesichts der VW-Abgas-Skandals eine Haushaltssperre. Für dieses und das kommende Jahr würden die Ausgaben der Stadt um 15 Prozent gekürzt. Dies sei «ausschliesslich eine Vorsichtsmassnahme», sagte ein Sprecher der oberbayerischen Stadt am Mittwoch.

Von «möglichen minderen Ausstattungen» gehe man ausschliesslich im Verwaltungshaushalt aus, aus dem laufende Kosten bezahlt werden. Bereits geplante Investitionen für die beiden Jahre seien nicht betroffen. Da nicht absehbar ist, wie sich der Skandal auf den Konzerngewinn und damit auf die Einnahmen aus der Gewerbesteuer auswirken wird, hatten auch Wolfsburg als Konzernsitz und das benachbarte Braunschweig bereits vorsorglich eine Haushaltsperre verhängt. Die VW-Tochter Audi hat ihren Sitz in Ingolstadt.