Checkliste

Arbeitszeugnisse schreiben

Welche Arten von Zeugnissen gibt es? Wann dürfen Kritikpunkte und Fehlverhalten im Arbeitszeugnis erwähnt werden? Was gehört nicht in das Dokument? Unsere Checkliste hat die Antworten.

Im rechtlichen Sinn gilt das Arbeitszeugnis als Urkunde und ist ein Beschäftigungs- sowie Befähigungsnachweis. Es dient künftigen Arbeitgebern als Entscheidungshilfe. Die gesetzlichen Vorgaben sind in OR 127, 328b, 330a, 346a und DSG 12 zu finden.

Anspruch

Arbeitnehmende können jederzeit vom Arbeitgeber ein Zeugnis verlangen, das über Art und Dauer des Arbeitsverhältnisses sowie über Leistungen und Verhalten Auskunft gibt.

Arten von Zeugnissen

Arbeitszeugnis

Das qualifizierte Schlusszeugnis ist eine mehr oder weniger ausführliche Qualifikation über Leistung und Verhalten. Bei vorhandenem Zwischenzeugnis wird folgender Satz angefügt: «Für die Zeit bis….. verweisen wir auf das/die entsprechende/n Zwischenzeugnis/se.»

Bei kurzer Anstellungszeit

Aufgrund der kurzen Anstellung ist eine Arbeitsbestätigung angebracht. Verlangen Arbeitnehmende dennoch ein qualifiziertes Zeugnis, wird dieses entsprechend kurz ausfallen. Vermerk: «Aufgrund der kurzen Anstellungsdauer können wir keine umfassende Qualifikation abgeben.»

Biographisches Zeugnis

Diese Form ist für sogenannte «High Potentials» oder «zu fördernde Mitarbeitende mit hohem Entwicklungs-Potential» am aussagekräftigsten. Die ausgeübten Tätigkeiten und im Laufe der Zeit übernommene Aufgaben / Projekte werden chronologisch und gleichzeitig mit der entsprechenden Qualifikation wiedergegeben.

Einfaches Zeugnis

Die Arbeitsbestätigung enthält lediglich Informationen zu Personalien, Anstellungsdauer, Funktion und ev. Kurzumriss der Hauptaufgaben. Auf Wunsch der Mitarbeitenden ist eine Arbeitsbestätigung jederzeit auszustellen, auch wenn ein Arbeits- oder Zwischenzeugnis besteht oder gleichzeitig verlangt wird.

Lehrzeugnis

Gesetzlich besteht nur ein Anspruch auf ein Schlusszeugnis und/oder eine Arbeitsbestätigung mit den erforderlichen Angaben über den erlernten Beruf.

Zeugnis für Temporäre Mitarbeitende (Drittfirmen)

Für den Einsatzbetrieb besteht keine Pflicht, er kann jedoch, mit dem Hinweis der temporären Vertragsform, freiwillig ein Zeugnis ausstellen.

Zwischenzeugnis

Ein Zwischenzeugnis kann durch Mitarbeitende jederzeit und ohne Begründung verlangt werden. Dieses gibt die Qualifikation über einen gewissen Zeitraum ab und soll alle formalen Bedingungen eines Schlusszeugnisses erfüllen. Die Formulierung ist in der Gegenwartsform, da die Anstellung noch besteht.

Ein Zwischenzeugnis sollte automatisch erstellt werden bei:    

  • Wechsel des Vorgesetzten
  • Funktionswechsel
  • Beförderung / Rückstufung
  • Übernahme des Unternehmens
  • Alle 3-5 Jahre (vor allem wenn keine Qualifikationen durchgeführt wurden)

Bausteine eines Arbeitszeugnisses

Koordinaten

  • Angaben des Arbeitgebers (in der Regel Briefbogen) sowie Arbeitsort
  • Name und Vorname Arbeitnehmende
  • Geburtsdatum, Heimatort oder –land (keine Adresse!)
  • Dauer der Anstellung, Beschäftigungsgrad in Prozent bei Teilzeit
  • Ev. Hinweis auf Zwischenzeugnis/se

Funktion

  • Funktion, Funktionswechsel
  • Beförderungen / Rückstufungen mit Daten
  • 6-10 Hauptaufgaben

Fach-Kompetenz (vorhanden/erworben)

  • Fachwissen und Berufserfahrung
  • Aus- und Weiterbildung intern und extern während der Anstellung
  • Management-Fähigkeiten ab Stufe Kader
  • Spezialkenntnisse: Fremdsprachen, Informatik usw.
  • Sonderaufgaben: Projekte, Aufträge

 Leistung

  • Qualitativ und quantitativ
  • Arbeitsweise wie z.B. Zeitmanagement, Organisation, Zielerreichung
  • Arbeitsverhalten wie z.B. Stresstoleranz, Flexibilität, Zuverlässigkeit

Verhalten

  • Verhalten gegenüber Vorgesetzten, Kollegen, Dritten
  • Führung: Anzahl Mitarbeitende, Führungsstil, Vertrauen, Vorbild, usw.
  • Ausdrucksvermögen / Kommunikation
  • Kunden-Orientierung
  • Integrität, Loyalität

Schluss

  • Kündigungsgrund fakultativ
  • ev. Geheimhaltungspflicht / Konkurrenzverbot
  • Dank, Wertschätzung und Wünsche
  • Firma, Unterschriften, Datum

Gebote zum Inhalt

Das Arbeitszeugnis hat folgenden Kriterien zu entsprechen:

  • Individualität
  • Klarheit
  • Objektivität
  • Vollständigkeit
  • Wahrheit
  • Wohlwollen

Individualität

Charakteristisch bezüglich der ausgeübten Funktion, der branchenüblichen Formulierungen und der Persönlichkeit des Mitarbeitenden. Mittels spezifischer Software erstellte Zeugnisse genügen diesem Anspruch oft nicht.

Klarheit

Arbeitszeugnisse müssen klar und eindeutig abgefasst sein. Verschlüsselte Aussagen, sogenannte Codierungen, sind zu vermeiden. Empfehlenswert ist eine der folgenden Vermerke: «Die Firma XY bekennt sich zur Abfassung uncodierter Arbeitszeugnisse» oder «Das Unternehmen XY bekennt sich zu transparenten Zeugnissen. Eine Interpretation nach allfälligen Codes wäre willkürlich und nicht im Sinne der Verfasser.» Die Aussagen im Zeugnis werden nicht interpretiert und sind somit wortwörtlich zu verstehen.

Objektivität

Objektive und sachliche Formulierungen sind zu verwenden. Subjektiv-emotionelle Wertehaltungen gehören in den Schluss-Satz.

Vollständigkeit

Es müssen alle für die Beurteilung der Leistung, des Verhaltens und der Führung wichtigen Aspekte erwähnt werden. Das Zeugnis darf keine Lücken enthalten. Das sogenannt «beredete Schweigen» (keine Aussage ist auch eine Aussage) kann folgendes bedeuten: ungenügende Leistung / Verhalten / Kompetenzen / Führung / war für diese Funktion nicht von Bedeutung / ungeübter Zeugnis-Ersteller.

Wahrheit

Alle für die ausgeübte Funktion relevanten Aspekte und für das Verhalten bedeutenden Merkmale sind zu erwähnen. Somit auch gravierende negative Aspekte, wie z.B. ungenügende fachliche Qualifikationen oder schwerwiegende Probleme in der Zusammenarbeit. Grundsätzlich gilt Wahrheit vor Wohlwollen.

Wohlwollen

Das berufliche Fortkommen der Arbeitnehmenden darf nicht erschwert werden. Die positiven Aspekte sind hervorzuheben. Negative Qualifikationen dürfen nur dann in das Zeugnis aufgenommen werden, wenn sie trotz wohlwollender Beurteilung für das gesamte Arbeitsverhältnis prägend waren.

Negative Formulierungen

Ein qualifiziertes Arbeitszeugnis darf und muss auch negative Tatsachen erwähnen, soweit dies für die Gesamtbeurteilung massgebend ist.

Folgendes darf in der Regel nicht erwähnt werden

  • Ereignisse aus dem Privatleben
  • Freistellung
  • Gewerkschaftstätigkeit
  • Behinderung oder psychische Erkrankung
  • Straftaten, welche das Arbeitsverhältnis nicht tangieren usw.
  • Bemerkungen zu geheilten Gesundheitsproblemen, die vor der Absenz und nach der Genesung keine Auswirkungen hatten

Folgendes muss in der Regel erwähnt werden

  • Strafrechtlich relevantes Verhalten zu Lasten des Arbeitgebers
  • Sexuelle Belästigung
  • Mehrfache Missachtung von berechtigten Weisungen und Vorschriften
  • Wenn ein starker Einfluss auf Leistung oder Verhalten über längere Zeit vorhanden war, oder die Funktion so nicht mehr ausgeführt werden konnte
  • Krankheitsabsenzen, wenn diese im Verhältnis zur Anstellungsdauer beachtlich waren. Nicht die Dauer der Krankheit ist massgebend, sondern das Verhältnis zwischen Absenz und Anstellungsdauer.

Haftung des Arbeitgebers

Wer ein falsches/unzulängliches/verspätetes oder gar kein Arbeitszeugnis ausstellt, kann schadensersatzpflichtig werden.

Sprache

Grundsätzlich wird das Zeugnis in der Sprache des Arbeitsortes abgefasst. Arbeitnehmende haben in der Regel keinen Anspruch auf Übersetzung.

Umfang

  • 1 Seite für weniger gut qualifizierte Mitarbeitende oder bei einer Anstellungsdauer von etwa einem Jahr
  • 2 Seiten für gute bis sehr gute Mitarbeitende, Kader und Geschäftsleitung

Unterschrift/en

In der Regel unterzeichnen ein unterschriftsberechtigtes Kadermitglied und die Personalverantwortliche.

Verjährung

Der Anspruch auf ein Zeugnis verjährt zehn Jahre nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Es besteht somit eine Aufbewahrungspflicht eines zweiten Originals oder mindestens einer Kopie.

Zeugnis-Checkliste

  • Stimmen die Angaben des Erhebungsbogens (für Vorgesetzte) mit dem Zeugnis überein
  • Sind die Gebote eingehalten: wahr, klar, wohlwollend, objektiv, individuell, vollständig
  • Stimmt die Gewichtung der Kompetenzen mit dem Job überein
  • Wurden Qualifikationen und besondere Vorkommnisse (Verwarnungen) berücksichtigt
  • Stimmt der Umfang mit der Anstellungsdauer und Funktion überein
  • Daten / Darstellung / Seitenumbruch / Keine Schreibfehler (4-Augen-Prinzip)
  • Sind negative Formulierungen beweisbar

Übergabe

  • Zwischenzeugnis: Gemäss Lehrmeinung innert 14 Tagen nach Anfrage der Mitarbeitenden.
  • Arbeitsbestätigung/Schlusszeugnis: Vor dem Austrittsgespräch, am letzten Arbeitstag oder spätestens bei Vertragsende persönlich oder per Post.

 

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Corinne Strigl ist Spezialistin für Organisation und Durchführung von firmeninternen / offenen HR-Fachseminaren, Prüfungsexpertin, HF-Dozentin, Leiterin Weiterbildung HR Bern. www.strigl-hrm.ch

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