Psychologie im Management

Die emotionale Magie der OKRs

Objective Key Results (OKRs) werden als das neue Wundermittel gegen die wachsende Komplexität im Management gehandelt. Doch vielerorts werden sie den Erwartungen noch nicht gerecht. Dies liegt meist nicht an missglückter Anwendung, sondern an mangelndem Verständnis für die emotionale Seite der OKRs.

Ein OKR besteht immer aus

  • einem «Objective» – einem angestrebten Zielzustand
  • und zugehörigen «Key Results» – Schlüsselergebnissen, die nach und nach gebündelt das Objective realisieren.

Ein solches Objective kann etwa lauten:

«Ein neuer, einfacher Leitfaden macht unseren Service im Schnitt 20 Prozent effizienter. Deshalb, können wir drei Viertel aller Kundenanliegen binnen 30 Minuten lösen.»

Als Key Results dazu taugen:

  1. Kundenumfragen im Service ergeben eine gesteigerte Zufriedenheitsquote von 7 auf 8,5 von 10 möglichen Punkten.
  2. Die Quote umgehender Lösungen von Anfragen ist von 60 auf 75 Prozent gestiegen.
  3. Die durchschnittliche Bearbeitungszeit ist von 20 auf 16 Minuten gesenkt worden.

Was ist gut daran und was nicht? Formal genügt es den Kriterien, die an ein gutes OKR gestellt werden. Das Ziel ist deutlich formuliert, die Schlüsselergebnisse sind messbar und hinreichend, um das Wunschergebnis zu realisieren. Doch werden die Mitarbeitenden für das Objective emotional «brennen» und alles dafür in die Waagschale werfen wollen?

Die Wirkung von Emotionen im Management

Emotionen spielen im Management häufig eine untergeordnete Rolle, weil Führungskräfte im «harten Geschäft» mit Logik überzeugen wollen, statt das Herz zu begeistern. Leider reicht das Rationale allein nicht aus, um grösseren Ambitionen den nötigen Schwung für den Start und den andauernden Elan aller Beteiligten zu geben – über alle Hindernisse und Rückschläge hinweg.

Arbeitet die Führung bewusst mit Emotionen, verstärkt sie treibende («Booster») und bremsende («Bremser») Gefühle. Die nachfolgende Abbildung zeigt, dass Vertrauen, Leidenschaft und Neid Top-Emotionen sind, die bei vollem Schub keine Bremswirkung haben. Stolz, Angst und Zufriedenheit wirken weniger stark, steigern aber ebenso die Anziehungskraft der Ziele. Die Spitzenbremser sind Verzweiflung, Schuld und Scham. Glück und Freude bremsen zwar nicht, verfliegen aber schnell und sind keine nachhaltigen Booster.

OKR

Objectives mit Magie und Anziehungskraft

Um solche Magie mit OKRs herbeizurufen, müssen sie zwei Voraussetzungen erfüllen. Erstens müssen sie lebendig vorstellbare Zukunftsbilder und zweitens emotional mitreissende Booster-Emotionen aktivieren. So könnte das Objective im vorgenannten Beispiel lauten:

«Wir sind stolz auf das begeisterte Feedback unserer Kunden, weil unser Service jetzt…» – «Mit den neuen, offenen Kanälen zu den Fachabteilungen, die dem Support Vorfahrt gewähren, müssen wir keine verärgerten Anrufer mehr vertrösten und sind viel motivierter, uns um die Anliegen zu kümmern.»

Ein greifbares Szenario vor dem inneren Auge macht die Zukunft fühlbar und löst allein durch die Vorstellung bereits die Emotionen aus, die später eintreten sollen. Eine wichtige Regel dabei lautet, das Objective im Präsens zu formulieren, so als sei die Zukunft schon da, damit sie sich maximal erstrebenswert anfühlt. Wenn Lust und Neugier ebenso voll aktiviert sind wie die Zuversicht, gemeinsam diese «goldene Zukunft» wahr werden zu lassen, nehmen Teams jede Unbequemlichkeit auf dem Weg in Kauf und wachsen weit über das bisher Erlebte hinaus.

Die Macht hoher Ambitionen

Im Idealfall stellen Objectives und Key Results anspruchsvolle Aufgaben dar, die nur durch besondere Anstrengungen zu erfüllen sind. Getreu der Regel, dass ein Pferd nur so hoch springt, wie es muss, sollte die Latte im Zielbild nicht zu niedrig liegen. Wenn im Unternehmen dabei die Werte Vertrauen, Leidenschaft, Fehler- und Lernkultur schon fest verankert sind, darf der Anspruch auch weiter gesteigert werden.

Weil das OKR-Prinzip nicht primär auf Perfektion, sondern auf Fortschritt abzielt, werden sich alle bemühen, um dem Zielbild so nah wie möglich zu kommen. Dabei werden sie mehr erreichen, als wenn die Vorgaben angenehm zu erfüllen sind. Im Kontrast dazu können zu niedrige Ansprüche dazu führen, dass nach dem leichten Passieren der Ziellinie kein wirklicher Einsatz mehr in noch bessere Resultate investiert wird.

Emotional wirkt nur, was in Sicht ist

Auch Vorhaben, die über mehrere Jahre laufen, zeichnen sich durch ein grosses, konkret vorstellbares Zielbild am Ende aus. Spätestens nach sechs Monaten ohne emotional erfahrbare Resultate verliert ein Objective seine Attraktivität. Deshalb werden komplexe Projekte auf Objectives von höchstens Halbjahresdauer heruntergebrochen. So kommen Erfolgserlebnisse regelmässig, lösen positive Gefühle aus und führen bei Hindernissen zu Motivation, statt zu entmutigen.

Aktivitäten sind Silber, Wirkung ist Gold

Erfolgreiche Objectives liefern als Outcome oder Impact stets ein vollendetes Ergebnis mit einer betriebswirtschaftlich relevanten Wirkung. Ihre Key Results stellen entweder einen Output oder ein Outcome dar.

Folgende Übersicht erklärt mit Beispielen, was gemeint ist:

  • INPUT = Key Actions: Verkaufsschulungen werden gebucht und finden statt.
  • OUTPUT = Key Result: Die Verkäufer besitzen neues Wissen über erfolgreiches Verkaufen.
  • OUTCOME = Objective/Key Result: Der Vertrieb setzt die erlernten Methoden ein, und die Quote vollendeter Anrufe steigt.
  • IMPACT = Objective: Die gesteigerte Quote der vollendeten Anrufe resultiert in höhere Umsätze.

Als erreichte Ziele liefern nur Outcome und Impact einen Grund für Erfolgsgefühle – für Stolz, Leidenschaft und Vertrauen in Team und Führung. Input und Output können zwar auch motivieren, sind aber meistens zu trocken, weil sie Zahlen, Daten, Fakten und konkrete Ansprüche enthalten, mit denen eine emotionale Verbindung schwer fällt.

Vergleichbar ist das mit der Besteigung eines Berges. Sie beginnt mit einer Planung und einem Training (Input), nach denen die Route feststeht und die nötige Fitness erarbeitet ist (Output). Der Aufstieg gelingt über das rechtzeitige Erreichen der Basislager auf verschiedenen Höhen (Outcome) und führt zum Erreichen des Gipfels auf 8.000 Metern Höhe, das Ruhm einträgt sowie Glück und Stolz vermittelt.

Magische OKRs in Stichpunkten:

  • Ein gutes Objective läuft nicht länger als drei, maximal sechs Monate.
  • Objectives sind überambitioniert, um maximalen Schub zu erzeugen.
  • Sie werden in einem Prozess vom Team selbst definiert.
  • Sie bestehen immer aus Impact oder Outcome.
  • Key Results werden in monatlichen Sprints verfolgt.
  • Sie müssen messbar sein und jedes Key Result muss in seinem Zyklus unbedingt vorankommen.
  • Sie bestehen immer aus einem Output oder Outcome.
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Matthias Kolbusa ist Strategie- und Veränderungsexperte, Unternehmer, Managementautor und Vortragsredner. Sein aktuelles Buch: «Management beyond Ego – Teams in der neuen Arbeitswelt zu grossartigen Erfolgen führen».

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