«Eine glaubwürdige Kultur zeigt sich nicht auf Plakaten, sondern im Alltag»
Philip Morris International durchläuft eine radikale Transformation: weg vom Zigarettengeschäft, hin zu rauchfreien Alternativen. Frédéric Patitucci, Chief People & Culture Officer, spricht im Interview über Kulturwandel, Employer Branding und warum HR in seinem Unternehmen längst keine administrative Dienstleistung mehr ist, sondern strategischer Treiber des Wandels.

Frédéric Patitucci hat in Frankreich, Rumänien, der Schweiz, Russland sowie in verschiedenen Märkten Asiens und Afrikas gearbeitet. (Bild: PMI)
HR Today: Herr Patitucci, Sie sind seit fast drei Jahrzehnten in verschiedenen HR-Funktionen bei Philip Morris International (PMI) tätig. Was begeistert Sie an Ihrer Arbeit und am Unternehmen?
Frédéric Patitucci: Am 1. Dezember dieses Jahres feiere ich mein 34-jähriges Jubiläum bei PMI. Ich kam damals von Kraft International. Seitdem habe ich eine äusserst vielfältige interne Laufbahn hinter mir: fünf Jahre in Frankreich, danach Stationen in Rumänien, auf dem Schweizer Markt sowie in der globalen HR-Organisation für PMI Operations, dort mit Verantwortung für Osteuropa, Afrika, den Nahen Osten, China und das Duty-Free-Geschäft. Es folgten fünf Jahre in Russland. 2016 kehrte ich im Zuge der strategischen Neuausrichtung zurück in die Schweiz, um die HR-Funktion für unsere Division für rauchfreie Produkte mitaufzubauen. Seit zwei Jahren bin ich nun Chief People & Culture Officer.
Was mich an PMI besonders fasziniert, ist der Mut, mit dem das Unternehmen bereits vor über zehn Jahren einen klaren Purpose formuliert hat: den schrittweisen Ausstieg aus dem Verkauf herkömmlicher Zigaretten. Plötzlich verkündet PMI: Wir hören auf damit. Das war ein echter Wendepunkt und löste eine kollektive Mobilisierung rund um ein gemeinsames Ziel aus. Damals waren wir ein klassisches Tabakunternehmen mit einem einzigen Produkt. Heute verfügen wir über ein stark wachsendes Portfolio an rauchfreien Alternativen wie Heat-not-Burn-Produkten, Nikotin-Pouches oder E-Vapes – und mit Aspeya bewegen wir uns zudem in Richtung Consumer Healthcare und Wellness. Was heute Realität ist, hätte vor einem Jahrzehnt kaum jemand für möglich gehalten.
Eine solche Transformation verändert sicher auch das Employer Branding grundlegend. Wie gelingt es Ihnen, diese zu vermitteln, ohne dabei Produkte zu bewerben?
Eine sehr berechtigte Frage. Unser Verhaltenskodex verbietet es uns ausdrücklich, Produkte im Employer Branding zu nutzen – das schliesst jede Form von Werbung aus. Was wir jedoch tun dürfen – und auch gezielt einsetzen –, ist, die Hintergründe und Ziele der Transformation zu erläutern. Unser Employer Branding basiert aber nicht auf technischen oder wissenschaftlichen Details, sondern auf der übergeordneten Vision: dem vollständigen Ausstieg aus dem Zigarettengeschäft innerhalb der nächsten 10 bis 15 Jahre in einigen Ländern. Diese Mission hat eine enorme Anziehungskraft – insbesondere auf die Generationen Y und Z, die stark sinn- und zweckorientiert denken.
«Unsere konsequente Haltung spricht sich herum – und macht uns als Arbeitgeber besonders für werteorientierte Talente attraktiv.»
– Frédéric Patitucci, Chief People & Culture Officer, Philip Morris International
Der Entscheid war damals ein radikaler Schritt: Im Jahr 2014 erzielten wir 28 Milliarden US-Dollar Umsatz mit Zigaretten – und trotzdem entschied sich PMI bewusst, dieses Geschäftsmodell sukzessive zu ändern. Ohne Garantie auf Erfolg. Heute stammen bereits 40 Prozent unseres Umsatzes aus rauchfreien Produkten. Weltweit nutzen fast 40 Millionen Konsumentinnen und Konsumenten diese Alternativen, in über 23 Märkten erzielen wir mehr als die Hälfte des Umsatzes aus dem rauchfreien Segment – und das trotz teils erheblicher regulatorischer Hürden. Diese konsequente Haltung spricht sich herum – und macht uns als Arbeitgeber besonders für werteorientierte Talente attraktiv.
Wie stellen Sie sicher, dass der neue Purpose tatsächlich in die Unternehmenskultur einfliesst?
Eine sehr wichtige Frage – denn eine glaubwürdige Kultur zeigt sich nicht auf Plakaten, sondern im Alltag. Natürlich gab es bei PMI immer eine starke Unternehmenskultur. Doch mit der strategischen Neuausrichtung wurde diese Kultur zu einem echten Hebel der Transformation. In den letzten 8 Jahren haben wir rund 35 Prozent unserer Führungskräfte von ausserhalb rekrutiert. Für viele war der Einstieg nicht einfach: Unsere Unternehmenskultur war historisch gewachsen, stark ausgeprägt – fast schon hermetisch. Typisch für die Tabakindustrie war lange Zeit eine gewisse Abschottung nach aussen, ein Denken in «Wir gegen den Rest der Welt». Deshalb haben wir damit begonnen, unsere Kultur bewusst zu kodifizieren. Heute basiert sie auf drei klar definierten Werten: «We care», «We are game changers» und «We are better together». Diese Werte sind nicht nur Teil unserer Kommunikation – sie durchdringen sämtliche HR-Kernprozesse: von Talent Attraction über die Gestaltung der Jobinterviews und die Personalentwicklung bis hin zu Performance Management und Vergütungssystemen.

Geld und Position motivieren gemäss Frédéric Pattituci nur kurzfristig. (Bild: PMI)
Ein zentrales Element ist unser zweidimensionales Beurteilungssystem. Mitarbeitende werden nicht nur daran gemessen, was sie erreichen – das macht 70 Prozent der Bewertung aus –, sondern auch daran, wie sie ihre Ziele erreichen. Die verbleibenden 30 Prozent fliessen über die gelebten Werte in die Leistungsbeurteilung ein. Wer seine Ziele zwar erreicht, sich dabei aber nicht im Einklang mit unseren kulturellen Prinzipien verhält, wird dies bei der Jahresbeurteilung erfahren. Das sorgt für Verbindlichkeit und stellt sicher, dass unser Purpose nicht zur leeren Hülle wird, sondern in der Organisation verankert ist.
Wie stellen Sie sicher, dass die kulturelle Passung bereits im Bewerbungsprozess zuverlässig erkannt wird?
Um ehrlich zu sein: Das war ein Lernprozess. Anfangs sind wir davon ausgegangen, dass externe Kandidatinnen und Kandidaten automatisch die passenden Werte mitbringen – das war eine naive Annahme. Heute legen wir deshalb grossen Wert darauf, die kulturelle Passung bereits im Rekrutierungsprozess systematisch zu prüfen. Unsere drei zentralen Werte – «We care», «We are game changers», «We are better together» – sind jeweils mit drei konkreten Verhaltensankern hinterlegt. Das ergibt insgesamt neun klar definierte Verhaltensweisen, die wir bei jeder Neueinstellung evaluieren. Fachliche Exzellenz allein genügt nicht.
«Wir arbeiten mit jährlichen 360-Grad-Feedbacks, die für alle Führungskräfte verpflichtend sind – auch für mich.»
– Frédéric Patitucci, Chief People & Culture Officer, Philip Morris International
Wenn jemand kulturell nicht passt – so brillant die Person auch sein mag –, dann stellen wir sie nicht ein. Punkt. Das war früher definitiv anders. Und auch bei der internen Talententwicklung spielt das «Wie» eine entscheidende Rolle. Wir arbeiten mit jährlichen 360-Grad-Feedbacks, die für alle Führungskräfte verpflichtend sind – auch für mich. So schaffen wir eine konsistente, wertebasierte Feedbackkultur, die nicht nur Leistung, sondern auch Verhalten sichtbar macht und langfristig entwickelt.
PMI wurde zum neunten Mal als «Top Employer» ausgezeichnet. Was macht das Unternehmen so attraktiv für Talente?
Wenn Menschen ein Jobangebot erhalten, zählen zunächst zwei Dinge: die Position und das Gehalt. Das ist nachvollziehbar. Doch Geld motiviert meist nur kurzfristig. Langfristige Zufriedenheit entsteht durch ein inspirierendes Umfeld, individuelle Entwicklungsmöglichkeiten und eine gelebte Unternehmenskultur. Was uns bei PMI besonders auszeichnet, ist die Art, wie wir Menschen integrieren und entwickeln. Für neue Führungskräfte haben wir ein strukturiertes «Hypercare»-Onboarding-Programm eingeführt, das über zwölf Monate läuft. Darüber hinaus nehme ich mir alle zwei Wochen Zeit, um mich virtuell mit unseren neuen Mitarbeitenden weltweit zu treffen – oft sind das einige Hundert auf einmal. In diesen Sitzungen sage ich stets: «Fokussieren Sie sich in den ersten sechs Monaten auf das Notwendigste – und nehmen Sie sich Zeit zu lernen. Lernen Sie, was vor und nach Ihrem eigenen Verantwortungsbereich passiert.» Unsere Erfahrung zeigt: Nach 18 bis 24 Monaten wissen die meisten sehr genau, in welche Richtung sie sich innerhalb des Unternehmens entwickeln möchten. Und dann unterstützen wir sie aktiv dabei, diesen Weg zu gestalten – sei es über digitale Lernplattformen, Mentoring-Programme, internationale Einsätze oder Short- und Long-Term-Assignments. PMI ist in gewisser Weise wie eine offene Universität.
PMI ermöglicht auch internationale Mitarbeitendenmobilität?
Ja, nehmen Sie mich als Beispiel: Ich habe in Frankreich, Rumänien, der Schweiz, Russland sowie in verschiedenen Märkten Asiens und Afrikas gearbeitet. Diese Erfahrungen haben mich nicht nur fachlich weitergebracht, sondern auch persönlich geprägt.
«Heute sind es fast 34 – und ich spüre immer noch Aufregung, wenn ich morgens ins Büro gehe.»
– Frédéric Patitucci, Chief People & Culture Officer, Philip Morris International
Ich habe gelernt, mein Ego zurückzunehmen und mit Offenheit auf Menschen zuzugehen. PMI hat mir gezeigt, was gelebte Inklusion wirklich bedeutet – weit über Geschlecht oder Ethnie hinaus. Ursprünglich wollte ich 3 Jahre bleiben. Heute sind es fast 34 – und ich spüre immer noch Aufregung, wenn ich morgens ins Büro gehe.
Wie gelingt es Ihnen, den Puls der Belegschaft in aller Welt zu fühlen?
Ich bin sehr viel unterwegs. Allein in den letzten drei Wochen war ich in sechs Ländern: unter anderem in den USA und mehreren asiatischen Märkten. Natürlich erfordert das physische und mentale Ausdauer – aber es gibt mir auch enorm viel Energie. Hier in Lausanne arbeiten rund 2000 Mitarbeitende. Doch 95 Prozent unserer Belegschaft sind ausserhalb der Schweiz tätig. Deshalb ist physische Präsenz für mich zentral. Ich führe regelmässig Townhall-Meetings durch, nehme an 1:1-Gesprächen teil und besuche unsere lokalen Standorte persönlich. Ein Beispiel: In Indonesien beschäftigen wir rund 30 000 Festangestellte – zusätzlich sind etwa 60 000 Menschen über unsere Lieferkette mit PMI verbunden. Unser Anspruch dort ist weit mehr als wirtschaftlich: Wir wollen ein verlässlicher gesellschaftlicher Akteur sein, der das Land unterstützt und mitgestaltet. Wenn man diesen Purpose vor Ort spürt, versteht man auch die Energie, die unsere Teams weltweit antreibt. Das direkte Erleben dieser Realität ist durch nichts zu ersetzen.
Das klingt sehr positiv. Aber der Umgang mit so vielen Kulturen bringt sicher auch Herausforderungen mit sich?
Absolut – und das ist gut so. Wir haben bei PMI zwar eine gemeinsame Unternehmenskultur, die wir als «PMI DNA» bezeichnen, aber wir sind mit unseren Produkten in rund 180 Ländern tätig. Jeder Markt bringt seine eigene kulturelle Realität mit. Es wäre vermessen, zu versuchen, eine einheitliche Kultur über alle Länder zu stülpen. Was wir deshalb tun, ist Folgendes: Wir definieren verbindliche kulturelle Grundprinzipien, lassen aber bewusst Raum für lokale Interpretation und Anpassung. Das ist essenziell für Glaubwürdigkeit und Akzeptanz.
Haben Sie ein Beispiel?
Ich erinnere mich gut an eine Situation aus meiner Zeit als HR-Verantwortlicher für Osteuropa, Afrika und den Nahen Osten. Ich war stolz, in Senegal ein Pensionssystem eingeführt zu haben – ein echtes Benefit-Instrument zur langfristigen Absicherung. Die Reaktion der Mitarbeitenden war jedoch ernüchternd: «Frédéric, danke – aber unser Hauptproblem ist, dass uns ein Dach für unsere Familie fehlt.» Diese Rückmeldung war für mich ein Wendepunkt. Sie hat mir gezeigt, wie wichtig es ist, wirklich hinzuhören, bevor man Massnahmen implementiert. Heute ist unser Ansatz klar: Benefits sind lokal verankert, aber gewisse Mindeststandards gelten global. Dazu gehören, wenn möglich, beispielsweise Gesundheitsvorsorge, Unfallversicherung und Pensionsleistungen. Darüber hinaus gestalten wir unsere Angebote so, dass sie auf die realen Bedürfnisse der Menschen vor Ort eingehen – nicht aus unserer westlich geprägten Perspektive heraus, sondern im direkten Dialog mit den Teams. Nur so entsteht eine Unternehmenskultur, die global verbindet, aber lokal respektiert wird.
Diversität ist ein vielschichtiges und oft kontrovers diskutiertes Thema. Wie positioniert sich PMI in diesem Spannungsfeld?
Bei PMI liegt unser Schwerpunkt auf der Förderung eines fairen und kollaborativen Arbeitsumfelds, das auf unseren Werten und Geschäftsprioritäten beruht. Wir sind nach wie vor davon überzeugt, dass dieses Umfeld der Schlüssel ist, um die Vielfalt des Denkens, der Innovation und der Verbraucherorientierung freizusetzen. PMI hat die Diversität in ihrer DNA: Unsere Belegschaft vereint Menschen aus 133 Nationen. Vielfalt ist bei uns kein Zielzustand – sie ist bereits Realität. Deshalb brauchen wir keine Quotenregelung, um Diversität zu erzeugen. Doch reicht es nicht, verschiedene Nationalitäten oder Hintergründe im Unternehmen zu haben – man muss sie aktiv einbinden und ihren Perspektiven Raum geben. Das gilt für kulturelle Herkunft ebenso wie für Geschlecht, Denkweise oder Erfahrungshintergrund. Unser Ziel ist es, allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Möglichkeit zu geben, sich entsprechend ihrer Fähigkeiten und ihres Potenzials zu entwickeln und erfolgreich zu sein. Unsere Konsumentinnen und Konsumenten sind global und vielfältig – also muss auch unsere Organisation global und vielfältig sein. Wir setzen deshalb gezielt auf lokale Managementteams in unseren Märkten. Denn wer die kulturellen und gesellschaftlichen Eigenheiten eines Landes wirklich verstehen will, muss tief in der lokalen Realität verwurzelt sein.

Frédéric Pattituci möchte Räume schaffen, in denen man über alles sprechen kann. (Bild: PMI)
Auch an unserem Hauptsitz in Lausanne zeigt sich diese Diversität: Wir vereinen hier fast 80 Nationalitäten – ein echtes Privileg. In gewisser Weise ist es wie ein kleines Weltuniversum mitten in der Schweiz – ein Umfeld, das täglich interkulturellen Austausch fördert und neue Perspektiven eröffnet. Beispielsweise bringen wir gerade 280 Führungskräfte aus aller Welt zu einem intensiven Programm an das IMD (International Institute for Management Development) in Lausanne. Über drei Tage hinweg setzen sie sich dort mit den zentralen Fragen der Führung im Zeitalter von generativer künstlicher Intelligenz (GenAI) auseinander: Welche Kompetenzen brauchen wir? Welche Haltung? Und wie bleibt Führung menschlich in einer zunehmend technologisierten Arbeitswelt? Unser Leadership Development Framework umfasst verschiedene Module: «Essentials» für neue Führungskräfte, «Advance» für erfahrene Leader mit Potenzial und «Accelerate» für Talente mit globaler Perspektive. Alle Programme sind bewusst interdisziplinär und international zusammengesetzt – eben weil gelebte Inklusion nicht bei der Herkunft aufhört, sondern durch Perspektivenvielfalt entsteht.
Was tut PMI im Bereich Gesundheit und Wellbeing?
Unser Ansatz basiert auf drei miteinander verbundenen Ebenen: körperliche Gesundheit, psychisches Wohlbefinden und Selbstverwirklichung. Ein zentrales Element ist dabei die konsequente Förderung von Erholung. Hier in der Schweiz setzen wir beispielsweise durch, dass Mitarbeitende mindestens zwei Wochen Ferien am Stück nehmen. Auch steht nicht die Anwesenheit im Büro im Mittelpunkt, sondern das erzielte Resultat. Wenn die Aufgaben effizient in sechs Stunden erledigt sind – grossartig. Wenn es mal zwölf Stunden sind, ist das auch in Ordnung. Entscheidend ist: Danach muss es auch wieder ruhigere Tage geben – für die Balance.
Darüber hinaus führen wir regelmässig Präventionskampagnen durch und bieten Webinare zu Themen wie Schlaf, Ernährung oder Achtsamkeit an. In über 40 Ländern ermöglichen wir medizinische Vorsorgeuntersuchungen – freiwillig, aber niederschwellig zugänglich. Ein weiterer zentraler Baustein ist unser Employee-Assistance-Programm, das allen Mitarbeitenden weltweit offensteht. Es bietet anonyme, professionelle Unterstützung – sowohl bei privaten als auch bei beruflichen Herausforderungen. Ergänzt wird dies durch ein globales Netzwerk von über 300 Wellbeing Champions, die die Teams aktiv für das Thema sensibilisieren, Unterstützung leisten und als erste Anlaufstelle fungieren. Zudem sehen wir die persönliche Entwicklung als einen wesentlichen Bestandteil von Wellbeing. Dazu gehören transparente Karrierepfade, regelmässiges, konstruktives Feedback und vielfältige Lernangebote – sowohl online als auch in Präsenz.
Viele Menschen tun sich schwer, über psychische Belastungen zu sprechen. Wie kann dem entgegengewirkt werden?
Wir haben seit Jahren eine Speak-up-Policy, die vom CEO und dem Executive Team getragen wird. Alle Führungskräfte werden darin geschult, wie sie ein Umfeld schaffen, in dem Mitarbeitende ihre Meinung sagen dürfen – oder sogar müssen, wenn etwas nicht stimmt. Das allein reicht natürlich nicht, klar. Deshalb haben wir das «PMI DNA»-Framework eingeführt, das die psychologische Sicherheit in den Teams gezielt stärkt.
«Ich wünschte mir, dass Führungskräfte mehr Verantwortung für die Nachfolgeplanung übernehmen.»
– Frédéric Patitucci, Chief People & Culture Officer, Philip Morris International
Wir arbeiten daran, dass es keine Tabuthemen gibt – selbst unser Kerngeschäft. Unsere Leader-Programme setzen genau da an: Räume schaffen, in denen man offen sprechen kann – über alles. Wenn es trotzdem zu Problemen kommt, gibt es drei Meldekanäle: die direkte Führungskraft oder deren Vorgesetzte, unsere Compliance-Stelle oder unser HR. In Fällen, in denen unsere Werte verletzt würden, handeln wir konsequent – auch bei Senior Executives. Alle müssen verstehen: Kulturbruch hat Konsequenzen.
Wie handhaben Sie Hybrid- und Flex-Work bei PMI?
In den USA haben viele Unternehmen ihre Mitarbeitenden wieder ins Büro beordert – teils mit grossem Widerstand. Wir verfolgen einen anderen Weg. Unsere Philosophie lautet: Flexibilität mit Klarheit. Natürlich gibt es Rollen, die physische Präsenz erfordern, etwa in der Forschung oder im Verkauf. Gleichzeitig funktionieren viele Funktionen remote sehr gut, etwa in der Softwareentwicklung. Wir differenzieren konsequent nach Tätigkeitsprofilen. Ein gutes Beispiel findet sich in Asien: Dort testen wir in einigen Märkten ein 3,5-Tage-Modell – inklusive freiem Freitagnachmittag. In Lausanne arbeiten unsere Teams typischerweise an zwei Tagen pro Woche im Büro, drei Tage im Homeoffice. Interessanterweise kommen viele freiwillig häufiger ins Büro. Trotz aller Technologie bleibt der Mensch ein soziales Wesen. Er sucht Austausch, Zugehörigkeit und ein Gemeinschaftsgefühl. Was sich aber grundlegend verändert hat, ist der Führungsstil: Früher war er oft direktiv geprägt. Heute geht es darum, Vertrauen zu schaffen, Orientierung zu geben – und Ergebnisse zu ermöglichen, ohne physisch ständig präsent zu sein. Führungskräfte müssen inspirieren, nicht kontrollieren. Das verlangt neue Kompetenzen, aber auch ein neues Selbstverständnis.
Als Abschlussfrage: Wenn Sie einen Wunsch für die Zukunft der Arbeitswelt frei hätten – was würden Sie gern verändern?
Dass Führungskräfte mehr Verantwortung für die Nachfolgeplanung übernehmen. Denn: Succession Planning ist keine Aufgabe von HR – es ist gelebte Führung. Oft höre ich: «Ich habe niemanden in der Pipeline.» Meine Gegenfrage lautet dann: «Was haben Sie konkret dafür getan?» Wer Führung wirklich ernst nimmt, sieht es als eine der zentralen Aufgaben, den Folgegenerationen den Weg zu ebnen – gezielt, strukturiert und frühzeitig. Nicht irgendwann. Sondern jetzt.