HR Today Nr. 7&8/2021: Leadership – Coachen statt befehlen

Führungskräfte als Rollenmodelle

Integrität, Ethik und Verantwortungsbewusstsein sind Werte, die immer mehr Unternehmen in ihrer Kultur verankern möchten. Damit das gelingt, ist das Führungsverhalten zentral.

Rechtswidriges Verhalten, Missbrauch oder Fehlverhalten am Arbeitsplatz sind in den letzten Jahren häufiger in den Medienfokus gerückt, wenn sich die Skandale auf organisatorischer Ebene ereignen. Um solche Vorfälle zu umgehen und einen damit einhergehenden Reputationsverlust zu verhindern, verändern viele Unternehmen ihre Unternehmenskultur und versuchen, diese mit Werten wie Integrität oder Verhaltensethik zu entwickeln.

Für eine Veränderung der Unternehmenskultur ist das Führungsverhalten ein bedeutendes Element, da Führungskräfte als Rollenmodelle agieren, die mit ihren Einstellungen und ihren Verhaltensweisen den akzeptierten Rahmen bewusst oder unbewusst aufzeigen. Zentrale Personen haben im Arbeitsleben somit eine Vorbildfunktion, da Mitarbeitende durch Beobachtung deren Verhalten lernen (Bandura, 1977, 1986). Dadurch tragen Führungskräfte die Unternehmenskultur in die Gesamtorganisation (Schein & Schein, 2018).

Führungskräfte als Vorbild

In einer Studie beschreiben Ogunfowora und Kolleginnen und Kollegen (2021) mit dem Modell der sozialen Lerntheorie, wie Führungskräfte als ethische Rollenmodelle die Mitarbeitenden zu moralisch mutigen Verhaltensweisen inspirieren. Solche Verhaltensweisen zeichnen sich dadurch aus, dass Mitarbeitende in ihrem Unternehmen bewusst agieren und beobachtetes Fehlverhalten adressieren, selbst wenn das für die eigene Karriere oder Person ein Risiko bedeutet. Führungskräfte als ethische Rollenmodelle können vorgeben, wie und wann moralisch zu handeln ist. Die Studie zeigte auch, dass Menschen durch Beobachtung von Vorbildern lernen, insbesondere wenn das beobachtete Verhalten positive Konsequenzen für ihr Vorbild hat. Zudem fördert die ethische Vorbildfunktion einer Führungskraft moralisch mutige Verhaltensweisen, indem sie die moralische Verantwortung der Mitarbeitenden und deren empfundene Verpflichtung gegenüber der Organisation stärkt. Besonders Mitarbeitende mit einem hohen Selbstwirksamkeitsgefühl verhielten sich gemäss der Studie vermehrt moralisch und mutig.

Wie lassen sich diese Erkenntnisse nun in der Praxis anwenden? Die wissenschaftliche Forschung zeigt, welche Führungsstile eine moralische Komponente beinhalten beziehungsweise sich besonders gut eignen, um das Selbstwirksamkeitsgefühl der Mitarbeitenden sowie moralisch mutige Verhaltensweisen zu fördern. Der ethische Führungsstil beinhaltet beispielsweise schon per Definition eine moralische Komponente. Er zeichnet sich durch angemessenes Verhalten in persönlichen Handlungen und zwischenmenschlichen Beziehungen sowie durch die Förderung solchen Verhaltens bei Mitarbeitenden aus (Brown et al., 2005; 2006). Wird die Führungskraft als Vorbild wahrgenommen, hat dieser Führungsstil einen besonders positiven Effekt auf die Einstellungen und Arbeitszufriedenheit der Mitarbeitenden (Ogunfowora, 2014).

Weitere Forschungsergebnisse belegen, dass der transformationale Führungsstil die Befähigung der Mitarbeitenden stärken kann. Konkret entsteht dieser positive Effekt unter anderem durch die soziale Identifikation mit der Arbeitsgruppe, die zu mehr Selbstmotivation führt und den Glauben an die eigenen Fähigkeiten, die Leistung erbringen zu können, verstärkt (Kark, Boas, & Chen, 2003). Weil Führungskräfte eine wichtige Rolle für die Identifikation mit dem Team ausüben, kann dieser Führungsstil förderlich für die Mitwirkung und Motivation der Mitarbeitenden sein. Der transformationale Führungsstil zeichnet sich vor allem durch vier Verhaltensausprägungen aus: Charisma, intellektuelle Stimulierung, individualisierte Fürsorge und motivierende Inspiration. Führungskräfte, die sich diese Verhaltensweisen zunutze machen, fördern somit die Ideen und die Kreativität der Mitarbeitenden und vermitteln eine inspirierende Vision und Freude für anstehende Aufgaben.

Die zeitliche Dimension spielt ebenfalls eine Rolle: Nach drei Jahren der Zusammenarbeit kommen Mitarbeitende unethischen Aufforderungen einer Führungskraft nach, auch wenn sie mit diesen nicht einverstanden sind (Almeida et al., 2021). Folglich gilt es, den zeitlichen Rahmen und solche dyadischen Dynamiken im Auge zu behalten. Zusammenfassend schaffen Führungskräfte, die eine Vorbildfunktion ausüben und damit die wahrgenommene Selbstwirksamkeit der Mitarbeitenden positiv beeinflussen, gute Voraussetzungen, um die Unternehmenskultur in Richtung Integrität und Mitwirkung zu verändern.

Quellen:

  • Almeida, T., Abreu, F. & Ramalho, N. C. (2021). Becoming morally disengaged: How long does it take? Leadership & Organization Development Journal, Online first. https://doi.org/10.1108/LODJ-01-2020-0005
  • Bandura, A. (1977). Social learning theory. Englewood Cliffs, NJ: Prentice-Hall.
  • Bandura, A. (1986). Social foundations of thought and action. Englewood Cliffs, NJ: Prentice Hall.
  • Brown, M. E., Treviño, L. K., & Harrison, D. (2005). Ethical leadership: A social learning perspective for construct development and testing. Organizational Behavior and Human Decision Processes, 97(2), 117−134. https://doi.org/10.1016/j.obhdp.2005.03.002
  • Brown, M. E. & Treviño, L. K., (2006). Ethical leadership: A review and future directions. The Leadership Quarterly, 17(6), 595–616. https://doi.org/10.1016/j.leaqua.2006.10.004
  • Kark, R., Boas S., & Gilad C. (2003). The two faces of transformational leadership: Empowerment and dependency. Journal of Applied Psychology, 88(2): 246-255. https://doi.org/10.1037/0021-9010.88.2.246
  • Ogunfowora, B. (2014). It’s all a matter of consensus: Leader role modeling strength as a moderator of the links between ethical leadership and employee outcomes. Human Relations, 67(12), 1467–1490. https://doi.org/10.1177/0018726714521646
  • Ogunfowora, B., Maerz, A., & Varty, C. T. (2021). How do leaders foster morally courageous behavior in employees? Leader role modeling, moral ownership, and felt obligation. Journal of Organizational Behavior, Online first. https://doi.org/10.1002/job.2508
  • Schein, E. H. & Schein, P. (2018). Organisationskultur und Leadership (5. Auflage). München: Vahlen
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Cristina Pratelli ist als Beraterin und Trainerin für Leadership, Change Management, Kulturwandel und Organisationsentwicklung tätig. Sie hat über Führungsverhalten im Kontext einer CEO-Nachfolge an der Universität Bern promoviert.

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Christa Nater arbeitet am Institut für Psychologie der Universität Bern. Sie hat über die Auswirkungen von Gender-Diversity-Interventionen für Führungspositionen an der Universität Bern und der New York University promoviert.

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