Arbeit und Recht

Lange Bedenkfrist im öffentlichen Personalrecht für fristlose Entlassung

Urteil des Bundesgerichts vom 27. Januar 2014 (8D_5/2013).

Das Urteil

Die Klägerin war Chefapothekerin eines Spitals. Im August 1997 eröffnete sie ohne die Spitalleitung oder den Verwaltungsrat darüber zu informieren ein Konto. Ihre Stellvertreter hatten jeweils eine Vollmacht. Das Konto wurde mit Zahlungen von Pharmaunternehmen gespiesen und diente vor allem dazu, Kosten für Aus- und Weiterbildung und Informatik zu decken. Zusätzlich bezog die Klägerin von diesem Konto Pikettentschädigungen. Zur Vorfinanzierung einer Operation gewährte sie sich ausserdem im April 2006 ein Darlehen über CHF 28 000, welche sie im Juli 2006 wieder zurückbezahlte, nachdem sie die Kosten von ihrer Versicherung zurückerstattet erhalten hatte.

Im April 2006 erfuhr die Spitalleitung erstmals von der Existenz des Kontos und eröffnete eine Administrativuntersuchung. Am 7. Juli 2006 verfügte das Spital ausserdem eine sofortige Dienstenthebung und stellte die Lohnzahlungen ein. Die Arbeitnehmerin überreichte dem Spitaldirektor am 2. August 2006 ein Schreiben, in dem sie sich über die gegen sie eröffnete Administrativuntersuchung beschwerte und eine Persön­lich­keitsver­letzung wegen Diskriminierung, Mobbing, Machtmissbrauch und versuchter Kriminalisierung geltend machte. Tags darauf reichte das Spital Strafanzeige gegen die Mitarbeiterin ein. Im November 2006 wurde die Klägerin schliesslich wegen schwerer Verletzung der Treuepflicht durch das Führen einer «schwarzen Kasse» fristlos ent­lassen und im Strafverfahren später wegen ungetreuer Geschäftsbesorgung verurteilt.

Gegen die fristlose Entlassung führte sie Beschwerde an den Staatsrat des Kantons Freiburg und das Kantons­gericht Freiburg und schliesslich an das Bundesgericht. Die Klägerin machte geltend, dass zwischen der Entdeckung des Kontos und der fristlosen Entlassung sechs Monate lagen und eine so lange Bedenkfrist mit der Rechtsprechung nicht vereinbar sei. Ausserdem sei ihr das rechtliche Gehör mit Bezug auf die fristlose Entlassung nicht gewährt worden und sie machte eine Persönlichkeitsverletzung geltend. Das Bundesgericht wies die Beschwerde vollumfänglich ab. Es hielt fest, dass zwischen der Dienstenthebung und Einstellung der Gehaltszahlungen und der fristlosen Entlassung zwar vier Monate lagen, diese Zeit aber nicht übermässig lange gewesen sei. Die Arbeitgeberin hätte sich für diese Entscheidung unter den gegebenen Umständen und angesichts des laufenden Strafverfahrens gar noch länger Zeit nehmen können. Schliesslich konnte es für die Klägerin nach der Dienstenthebung und Einstellung der Gehaltszahlungen und nachdem die Auflösung des Arbeitsverhältnisses auch schon in Aussicht gestellt worden war, auch keinen Zweifel daran geben, dass sie entlassen werden würde.

Konsequenz für die Praxis

Im privaten Arbeitsrecht wäre eine Bedenkfrist von vier Monaten für eine ausserordentliche Kündigung unvorstellbar. Dort gelten zwei bis drei Tage seit Kenntnis des die ausserordentliche Kündigung rechtfertigenden Grundes als maximale Bedenkzeit. Wird die Kündigung dann nicht ausgesprochen, ist offensichtlich die Weiterführung des Arbeitsverhältnisses bis zur ordentlichen Auflösung nicht unzumutbar. Der vorliegende Entscheid des Bundesgerichts im öffentlichen Personalrecht stellt übrigens kein Novum dar, sondern bestätigt die bisherige Praxis.

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Yvonne Dharshing-Elser arbeitet als Anwältin in der Steuer- und Rechtsabteilung der OBT AG in Zürich. Sie berät vorwiegend KMU in Fragen des Arbeits-, Vertrags- und Gesellschaftsrechts.

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