Premium Porträt: Jean Schacht

Die Sicherheit im Wandel

Jean Schacht, HR Director von Protectas in der Schweiz, erläutert, wie KI die Sicherheitsberufe verändert. Zudem beobachtet er, wie sich das Verhältnis zur Arbeit bei den neuen Generationen wandelt – mit Auswirkungen auf die Unternehmenskultur des Sicherheitsanbieters.

Nicht jede Person gelangt einfach so in den Hauptsitz von Protectas in Genf. Wir klingeln an der angegebenen Adresse und werden direkt mit dem Security Operations Center (SOC) verbunden – der Alarmzentrale der 7000 Kundinnen und Kunden von Protectas in der Westschweiz (von insgesamt 12 000 in der ganzen Schweiz). Die Tür öffnet sich und HR Director Jean Schacht begrüsst uns persönlich. Fester Händedruck, offenes Lächeln – er schlägt vor, uns zuerst durch den Standort zu führen. Die Zentrale ist rund um die Uhr, sieben Tage pro Woche, in Betrieb. 

In der Schweiz bearbeitet das Unternehmen jährlich 1,6 Millionen Alarme aus seinen beiden Einsatzleitstellen in Genf und Zürich. Wir dürfen auch die Schulungsräume der firmeneigenen Akademie besichtigen (1600 Schulungen pro Jahr). «Unsere Ausbildungen sind sehr praxisorientiert – etwa 30 Prozent Theorie und 70 Prozent Praxiseinsätze», erklärt Jean Schacht. Im Untergeschoss gibt es einen Trainingsraum, in dem der Umgang mit Auseinandersetzungen und Festnahmen geübt wird. Sogar ein Schiessstand ist vorhanden: «Der Einsatz einer Schusswaffe ist immer der allerletzte Ausweg», betont der Ausbilder vor Ort. Bemerkenswert ist, dass sich das Tätigkeitsfeld von Protectas in den letzten zehn Jahren stark diversifiziert hat. 

Die klassische Sicherheitsdienstleistung mit Taschenlampe auf Kontrollrunde macht heute nur noch rund zehn Prozent der Aufträge aus. Der Rest ist eine Mischung aus mobilen Patrouillen, Flughafensicherheit, Brand- und Arbeitsschutz sowie einer Vielzahl von Dienstleistungen im Risikomanagement (im Einklang mit der Norm ISO 31000). «Unsere Tätigkeiten haben sich stark weiterentwickelt, deshalb sind in unserer Branche Aus- und Weiterbildung so wichtig», sagt Jean Schacht und bietet uns einen Kaffee an.

Neues Gleichgewicht zwischen Mensch und künstlicher Intelligenz 

Der Einzug von künstlicher Intelligenz (KI) hat auch die Sicherheitsberufe tiefgreifend verändert. ­Protectas – Teil des weltweit führenden Unternehmens Securitas AB (nicht zu verwechseln mit Securitas Schweiz) – profitiert von der Schlagkraft dieser schwedischen Gruppe, die in 44 Ländern vertreten ist. «Wir suchen ständig nach dem richtigen Gleichgewicht zwischen menschlichen Kompetenzen und technologischer Unterstützung.» 

Um den Wandel zu veranschaulichen, nennt Jean Schacht das Beispiel eines mobilen Patrouillen-teams: «Früher erhielt die betreffende Person einen Anruf aus der Zentrale und musste sofort vor Ort sein. Dabei hatte sie einen Ordner mit allen Sicherheitsprotokollen und Zugangscodes ihres Einsatzgebiets. Heute analysiert eine KI die Videobilder. Falls ein menschlicher Einsatz nötig ist, erhält die Sicherheitskraft das Protokoll und die Codes direkt aufs Smartphone. Die Arbeit ist dadurch spannender und komfortabler geworden – so gibt es keine unnötigen Einsätze mehr und praktische Infos erscheinen sofort auf dem Bildschirm.» 

Dieser Wandel erfordere eine neugierige, veränderungsbereite Haltung, betont der HR Director. «Einige Mitarbeitende hatten Angst, ihren Job zu verlieren oder durch Drohnen ersetzt zu werden. Das ist eine normale Reaktion. Meine Aufgabe ist es, ihnen die Vorteile der Technologie aufzuzeigen und sicherzustellen, dass unsere Schulungsprogramme auf die neuen Anfor­derungen zugeschnitten sind.» 

Junge Generationen verändern die Spielregeln 

Mit einem Durchschnittsalter von 32 Jahren ist das Team von Protectas in der Schweiz relativ jung. «Viele Studierende arbeiten während ihres Studiums bei uns. Wir bieten flexible Arbeitszeiten und Teilzeiteinsätze, die gut zu ihrem Lebensrhythmus passen.» Die jüngeren Generationen hätten zudem ein anderes Verhältnis zur Arbeit: «Sie interessieren sich für unsere Werte und wollen verstehen, wofür wir arbeiten. Entwicklungsmöglichkeiten und interne Mobilität sind für sie sehr wichtig. Nach drei bis vier Jahren wollen sich viele verändern oder neue Kompetenzen erlernen. Ausserdem wollen sie stärker mitbestimmen», so Jean Schacht.

Die Arbeitsorganisation hat sich in Richtung eines Fächer- beziehungsweise Matrixmodells entwickelt: eine Geschäftsleitung mit verschiedenen funktionalen Einheiten. «Diese jungen Leute jagen nicht primär dem Lohn hinterher. Sie wollen mitentscheiden, ihre Meinung einbringen und im Einklang mit der Ethik unserer Tätigkeit stehen. Wir mussten unsere Strukturen an diese Erwartungen anpassen.» Auch beim Lernen hätten sich die Präferenzen verschoben: Augmented Reality, Gamification und Praxiseinsätze kommen besonders gut an. 

Wachsende Vielfalt an Berufen 

In den letzten 20 Jahren ist die Vielfalt der Tätigkeiten gewachsen: Sicherheitsfachkraft, Empfangsdienst, Risikoüberwachung, Fachperson für Gesundheitsschutz und Arbeitssicherheit, urbane Mediation. Die Erweiterung des Angebots hängt unter anderem mit der Entwicklung der Richtlinie der Eidgenössischen Koordinationskommission für Arbeitssicherheit (EKAS) zusammen, die Unternehmen verpflichtet, die Sicherheit und die Gesundheit ihrer Mitarbeitenden zu gewährleisten. 

Auch die aktuelle geopolitische Lage und ein gestiegenes Unsicherheitsgefühl tragen zur wachsenden Nachfrage bei. «Das HR-Management dieser verschiedenen Berufsbilder ist stark menschenorientiert», betont Jean Schacht, der ein HR-Team von 40 Personen leitet. «Unsere Aufgabe ist es, menschliche Bedürfnisse zu verstehen, zu beruhigen und zu begleiten. Themen wie psychische Gesundheit sind kein Tabu. Wir bauen gemeinsam eine Geschichte auf – und nicht nur ein Leistungsergebnis.»

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Jean Schacht Protectas

Foto: Pierre Yves Massot 

Rekrutierung und Westschweizer Konkordat 

Die Rekrutierung zählt zu seinen strategischen Prioritäten. «Wir gewinnen viele Personen in beruflicher Wiedereingliederung und arbeiten eng mit den Regionalen Arbeitsvermittlungszentren (RAV) zusammen. Wir sind sehr aktiv in den sozialen Medien dank unserer Markenbotschafterinnen und Markenbotschafter und besuchen regelmässig Karrieremessen.» 

Eine Besonderheit: Protectas veranstaltet Informationsveranstaltungen anstelle von ersten Einzelgesprächen. «Diese Sessions funktionieren sehr gut. Wir können so kleine Gruppen von fünf bis zehn Personen ansprechen, was den Zusammenhalt und die Integration erleichtert», erklärt Jean Schacht. Zu beachten ist, dass in den Westschweizer Kantonen ein strenges Konkordat gilt, das die Bedingungen für die Gründung eines Sicherheitsunternehmens regelt. Vorschriften, die in der Deutschschweiz nicht gelten.  

Agilität und «people focused» 

Wie hat sich seine Funktion als HR Director seit 2019 verändert? «Man muss agil sein, um diesen Job machen zu können. Früher waren die HR-Abteilungen oft mit endlosen Papierbergen beschäftigt. Aber heute unterscheiden wir uns nicht mehr über die Lohnabrechnung. Wir müssen ‹people focused› sein – uns um das Wohlbefinden unserer Mitarbeitenden kümmern und um alles, was unsere Arbeitgeberattraktivität ausmacht. Wir sind beispielsweise zu einem deutlich partizipativeren Organisationsmodell übergegangen und holen mit kleinen internen Umfragen regelmässig Feedback ein.» 

Vom Collège de Saussure zum HR Director 

Geboren 1981 in Genf, wächst Jean Schacht im Umfeld internationaler Organisationen auf. Sein Vater arbeitet bei den Vereinten Nationen, seine Mutter ist Pflegeassistentin. Nach dem Collège de Saussure leistet er seinen Militärdienst bei den Sanitätstruppen im Tessin. Parallel dazu nimmt er eine erste Teilzeitstelle als Sicherheitsmitarbeiter an – bei Protectas. In der Armee steigt er in den Rängen auf und absolviert mehrere eidgenössische Fachausweise in Teamführung.  

Von Natur aus neugierig und offen für Veränderungen, wird er 2006 bei Protectas als Einsatzleiter und Ausbildungsverantwortlicher eingestellt. Es folgen zahlreiche Weiterbildungen in den Bereichen Sicherheit, Erwachsenenbildung und HR. 2011 wird er Ausbildungsleiter in der Westschweiz, 2014 Leiter der Protectas Academy Schweiz. Er resümiert: «Stillstand mag ich gar nicht. Ich mische die Karten gern neu. Was gestern richtig war, muss es morgen nicht mehr sein.»

Protectas Schweiz

Die Protectas Schweiz, gegründet 1976 in Lausanne, ist seit 1992 Teil der schwedischen Securitas AB Gruppe, dem weltweit führenden Anbieter privater Sicherheitsdienstleistungen. Mit rund 4500 Mitarbeitenden an 33 Standorten und zwei Security Operations Centers (SOC) bietet Protectas Schweiz ein umfassendes Sicherheitsportfolio – von mobiler Patrouille- und Empfangsdiensten bis zu Risikomanagement, technologischer Überwachung und Schulungen. Die Unternehmenskultur basiert auf den Werten Integrität, Wachsamkeit und Hilfsbereitschaft, die auch das HR-Selbstverständnis prägen.

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Marc Benninger ist Chefredaktor der französischen Ausgabe von HR Today.

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