Serious Games

«Serious Games haben Potenzial»

Der Experte für «ernsthafte Spiele», Prof. Dr. Heinz Mandl, erforscht neue Lernformen im Kontext der digitalen Medienentwicklung. Er weiss: Games für die betriebliche Weiterbildung haben Potenzial, stehen aber noch am Anfang.

Herr Professor Mandl, können Sie konkrete Beispiele für «Serious Games»-Spiele nennen?

Heinz Mandl: Solche Spiele werden etwa in Telecom-Unternehmen genutzt, um die Kundenorientierung des Technik-Personals zu schulen. Oder sie werden eingesetzt, um die Verkaufskompetenz von Mitarbeitern in Elektronikmärkten zu steigern. Die deutsche Metall- und Elektroindustrie hat das Medium entdeckt und entwickelte TechForce, ein Spiel, das Jugendlichen in der Berufsorientierung einen Einblick in die Branche gibt, um somit die Berufswahl zu erleichtern.

Wie läuft ein Verkaufstraining mit diesen Spielen ab?

Die Teilnehmer erhalten zu Beginn einige Spielszenarien, die sie stimulieren und motivieren, sich mit Verkaufssituationen auseinanderzusetzen. Beim Verkaufstraining der Dr. Bosch AG spielen 
die Teilnehmer die Situation online mit Animationen und anderen spielerischen Elementen. Am Ende wird in einem Präsenzseminar ihr Verhalten diskutiert. In neueren Spielszenarien können sie das Gelernte einbringen und ihre Verkaufsstrategie verbessern. Bei TechForce wechseln sich Spielhandlungen und Lernaspekte ab, wobei von den Spielern interaktiv eine Reihe von Aufgaben erledigt werden müssen.

Welche Rolle spielen Serious Games im Lernkontext?

Der Lernerfolg hängt sehr stark von der Intention und dem Lernkontext ab, in den Serious Games eingebettet sind. Notwendig ist die Reflexion der Handlung, um die Inhalte über das Spiel hinaus tiefer zu verarbeiten. Blended-Learning-Szenarien ermöglichen, das in Serious Games erworbene Wissen in Präsenzphasen zu reflektieren.

Auf welche Lernerfolge können ernsthafte Spiele verweisen?

Vorliegende Befunde zeigen Potenziale bei der Aus- und Weiterbildung in Unternehmen, in der Medizin, im Gesundheitsbereich und in der politischen Bildung. Weitere Evaluations- und Wirkungsstudien für spezifische Inhaltsbereiche und Zielgruppen sind notwendig. Dabei geht es speziell auch darum, die Anwendung von Wissen und Fertigkeiten «on the job» nachzuweisen.

Wie schätzen Sie den heutigen Entwicklungsstand von Serious Games ein?

Verglichen mit gewöhnlichen Computerspielen steht die Verbreitung und Qualität von Serious Games noch am Anfang. Die Bandbreite der verfügbaren lernförderlichen Mechanismen wird oft nicht genutzt und in sinnvoller Weise kombiniert. Stattdessen werden oft einseitig spezifische Spielelemente bevorzugt. Sie helfen aber nur bedingt, schwache, wenig attraktive Spielinhalte zu kaschieren. Auch häufig eingesetzte Verstärker verlieren ihre Motivationskraft, wenn sie zu leicht vergeben werden.

Worin bestehen die hauptsächlichen Unterschiede zwischen der Planspielmethode und den neuen Serious Games?

Planspiele sind eine Sonderform von Serious Games und nutzen ähnliche Spielelemente wie die «ernsthaften Spiele». Sie werden wie Serious Games mit dem Ziel gespielt, Wissen zu erwerben. Ein Unterschied: Für Planspiele ist es charakteristisch, Entscheidungen zu treffen. Spieler sind als Akteure innerhalb eines Szenarios bspw. eines Management-Planspiels als Unternehmer tätig und müssen dabei Entscheidungen treffen. Die Auswirkungen von Entscheidungen werden simuliert und an die Spieler rückgemeldet. E-Planspiele sind hybride Lernarrangements, das heisst Online-Phasen und Präsenzveranstaltungen wechseln sich ab. Dreh- und Angelpunkt von E-Planspielen ist die Integration in eine Lernplattform.

Wo stehen spielerische 3D-Lernumgebungen, wie sie etwa in Second Life von immer mehr Bildungseinrichtungen angeboten werden?

Second Life unterscheidet sich nicht grundsätzlich von Serious Games, da es auch auf der Basis von 3D-Simulationen entwickelt wurde. Neu dabei ist ein räumliches, also ein relativ reales Gefühl der Austauschprozesse und direkten Interaktion. Ein Hauptunterschied ist, dass bei Second Life vor allem der wirtschaftliche Charakter dominiert.

Der Gesprächspartner:

Professor Dr. Heinz Mandl gilt im Bereich der Lehr-Lernforschung als einer der führenden deutschen Wissenschaftler. Weitere Schwerpunkte sind Wissensmanagement, Blended Learning, Game Based 
Learning, Bildungscontrolling und Evaluation. Zunächst als Professor an der Universität Tübingen tätig, ist er seit 1990 Professor für Empirische Pädagogik und Pädagogische Psychologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München.

www.psy.lmu.de

 

Kommentieren 0 Kommentare HR Cosmos

Tom Sperlich ist freier Journalist.

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