HR Today Nr. 3/2020: Recruiting – The Show goes on

Teilzeitpensionäre

Viele Ruheständler würden gerne arbeiten, doch allzu oft zeigen ihnen Firmen die kalte Schulter. Die Jobplattformbetreiber Rent-a-Rentner und seniors@work äussern sich über die Bedürfnisse von Rentnern in der Arbeitswelt, weshalb arbeitswillige Pensionäre und Firmen selten zueinander finden und Arbeitnehmende bei Engpässen auf Pensionäre setzen sollten.

«Firmen haben ein falsches Bild von den heutigen Senioren», sagt Alexis Weil, Gründer und CEO der Rentner-Jobplattform seniors@work. «Sie glauben, Rentner seien zu teuer, wollten nicht mehr arbeiten und hätten keine Ahnung von den digitalen Medien.» Solche Vorurteile sind auch für Reto Dürrenberger haltlos: «Man kann einen Rentner zwar nicht mit einem 25-Jährigen auf den Laufparcours schicken, aber die Rentnerinnen und Rentner von heute sind nicht so alt wie diejenigen vor zwanzig Jahren.» Die anhaltende Diskriminierung ist für ihn eine «Kopfkinovorstellung aus vergangenen Zeiten».

Die kursierenden klischeebehafteten Rentnerbilder stehen in krassem Gegensatz zum Eigenbild der Pensionierten, die zu einem Grossteil das Internet nutzen und aktive Mitglieder der Gesellschaft bleiben wollen, so Weil. Um die Akzeptanz älterer Mitarbeitender bei den Firmen zu steigern, will er mehr Storytelling betreiben, Auftraggeber aufklären und ihnen Wege aufzeigen, wie sie mit Senioren zusammenarbeiten können.

Nebst hartnäckigen Vorurteilen, die Arbeitgeber davon abhalten, ältere Menschen zu engagieren, fehlt es gemäss Weil vor allem an grösseren Jobplattformen, die den Austausch zwischen Auftraggeber und Ruheständler ermöglichen. «Vor allem kleinere Betriebe mit wenig Kontakt zu Pensionären denken nicht daran, mit einem Rentner zusammenzuarbeiten.» Noch fehlt ein grosser Anbieter wie Airbnb oder Uber. Doch es kommt Bewegung in die Sache, glaubt Reto Dürrenberger, Mitgründer von Rent-a-Rentner. «Bevor wir 2009 gestartet sind, ist niemand auf die Idee gekommen, Rentner für irgendwelche Arbeiten zu engagieren. Heute ist es schon fast en vogue, Pensionäre zu beschäftigen.»

Für Firmen in die Bresche springen

Doch weshalb sollten Unternehmen einen Ruheständler anstellen? «Firmen profitieren von ihrer immensen Arbeits- und Lebenserfahrung sowie ihrer zeitlichen Flexibilität», erklärt Weil. «Fällt jemand wegen Krankheit oder Schwangerschaft kurzfristig aus, oder fällt ein Projekt an, können Pensionäre in die Bresche springen.» Sie hätten zudem nicht den Anspruch, in einem 100-Prozent-Pensum über längere Zeit zu arbeiten. «Sie sind zufrieden, wenn sie einmalig, in Teilzeit oder für eine begrenzte Dauer aushelfen können. Sie müssen keine Jobs mehr annehmen, um ihre Karriere zu fördern.» Zudem sei Ihre Sozialkompetenz nicht zu unterschätzen.

Letzteres ist auch für Dürrenberger ein wichtiger Grund, für die Beschäftigung von Rentnern: «Sie verkörpern Werte, die in der heutigen Zeit nicht mehr selbstverständlich sind wie Loyalität, Verantwortungsgefühl und Eigeninitiative.» Ein Pensionierter sei mal einen Tag krank, mache aber weder blau noch sei er am Montagmorgen schlecht gelaunt, im Gegensatz zu vielen jüngeren Kollegen. Daneben sei es für Firmen in wirtschaftlich anspruchsvollen Zeiten auch einfacher, einem Rentner zu kündigen als einem zweifachen Vater. Immerhin habe der Rentner ja noch seine Pension und seine AHV.

«Alte nehmen den Jungen die Arbeit weg», wird oft kolportiert. Dass seine Jobplattform die jüngere Generation konkurrenziere, verneint Alexis Weil. «Wir wollen den Jungen die Jobs nicht wegnehmen.» Ganz im Gegenteil: Er wolle Jobs schaffen und nennt dafür gleich einige Beispiele: ein pensionierter Architekt, der Baupläne für einen Bauern erstellt und eine Tätigkeit darstellt, die für ein Architekturbüro finanziell zu wenig interessant wäre. Ältere, die Kinder in

Kindertagesstätten beim Spielen oder Mittagessen zusammen mit den Angestellten begleiten, oder ein pensionierter Buchhalter, der für ein Start-up zu einem günstigen Tarif arbeitet. «Senioren fungieren aber auch als Mentoren für Studenten oder Arbeitnehmende in kleineren Unternehmen. Es gibt immer wieder Nischen­arbeiten, die ohne ihre Unterstützung nicht erledigt werden.»

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Chefredaktorin, HR Today. cp@hrtoday.ch

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