DEI im US-Fadenkreuz

Widerstand gegen Diversitätsziele: Nun warnen Verbände und Politik

Roche, Novartis und UBS haben nach der Wahl von Donald Trump ihre DEI-Ziele zurückgefahren. Politik, Gewerkschaften und Verbände warnen vor einem gefährlichen Rückschritt – und fordern Haltung.

Erst gut zwei Monate nach Beginn von Donald Trumps zweiter Amtszeit schwappt der Widerstand gegen Inklusionsmassnahmen auch auf Schweizer Firmen über.

So haben die Pharmakonzerne Roche und Novartis, aber auch die Grossbank UBS, ihre Diversitätsziele angepasst. Die UBS gibt zum Beispiel ihre Ziele für die Förderung von Minderheiten und Frauen auf. Ähnlich bei Roche: Auch dort hat man die Zielvorgaben für den Frauenanteil in Führungspositionen und für ethnische Diversität gestrichen.


Die UBS gibt zum Beispiel ihre Ziele für Minderheiten- und Frauenförderung auf. Ähnlich sieht es bei Roche aus. Dort streicht man Ziele für die Frauenquote in Führungspositionen und ethnische Minderheiten. 

Gegenüber Tamedia bezeichnete SP-Nationalrätin Min Li Marti diese Entwicklungen als «hochproblematisch» und verlangte von Schweizer Firmen, sich an die gesetzlich festgeschriebenen Geschlechterzielwerte zu halten. So will es das Gleichstellungsgesetz. Alt Bundesrätin Simonetta Sommaruga ordnete Anfang März in einer Rede ein: «Wir haben alle gemeint, dass Chancengleichheit und Gendergerechtigkeit in der Wirtschaft so stark verankert sind, dass die Entwicklung nicht mehr gestoppt werden kann», wird die SP-Politikerin von der Handelszeitung zitiert.

Kritik von Verbänden – von Gewerkschaften bis Arbeitgeberverband 


Ähnlich sieht das Cyrielle Huguenot, die als Zentralsekretärin das Gleichstellungsdossier beim Schweizerischen Gewerkschaftsbund (SGB) übernommen hat. Sie spricht gegenüber HR Today von einem «beunruhigenden Backlash im Bereich Gleichstellung und vor allem Diversität». 

«Unternehmen mit Sitz in der Schweiz müssen sich jedoch weiterhin an das Schweizer Recht halten. In der Schweiz haben wir gesetzliche Regelungen, die Diskriminierung am Arbeitsplatz verbieten». Sie ruft die betroffenen Unternehmen dazu auf, «alle ihre Handlungsspielräume nutzen, um zu zeigen, dass sie sich von der Trump-Regierung nicht einschüchtern lassen werden und ihre progressiven Werte weiterhin verteidigen wollen».


«Unternehmen mit Sitz in der Schweiz müssen sich jedoch weiterhin an das Schweizer Recht halten.»
– Cyrielle Huguenot, Zentralsekretärin SGB


Ihre DEI-Ziele sollen die Unternehmen auch ausserhalb der USA «weiterhin verfolgen», sagt Huguenot. Auch sehe man die aktuellen Entwicklungen als direkte Folge des politischen Drucks aus den USA – hausgemachte Gründe gebe es keine, sagt Huguenot. Jedoch: «Es ist uns aber bewusst, dass es hier auch kritische Stimmen zu Diversitäts- und Gleichstellungsmassnahmen gibt». Der Schweizerische Gewerkschaftsbund fungiert als Dachverband von 20 Einzelgewerkschaften und vertritt so rund 370’000 Mitglieder.

«Das gesamte Potenzial des Arbeitsmarkts nutzen»


Die Zürcher Gesellschaft für Personal-Management (ZGP) hat ebenfalls eine klare Haltung: Das Auflösen oder Zurückstellen von Diversity-Teams «möge strategisch begründet sein – sie entbinden jedoch nicht von der Verantwortung, mit Weitblick und Offenheit zu führen», sagt Sara López García, Geschäftsführerin der ZGP, auf Anfrage von HR Today. In der aktuellen «wirtschaftlichen und geopolitischen Lage» seien «Unternehmertum und ergebnisorientiertes Handeln zentral», so López García. 

«Der Zugang zu qualifizierten Arbeitskräften wird dabei zum entscheidenden Erfolgsfaktor – und hier spielt Diversität eine wichtige Rolle. Wir sind darauf angewiesen, das gesamte Potenzial des Arbeitsmarkts zu nutzen», sagt die ZGP-Geschäftsführerin weiter. 

Inklusion schaffe die Voraussetzung dafür, dass «Menschen ihre Fähigkeiten entfalten und wirksam werden können – unabhängig von Alter, Herkunft oder Lebensform». Entscheidend sei jedoch nicht, «ob ein spezielles Team besteht, sondern ob ein integrativer Umgang im Alltag gelebt wird». Hierbei sieht sie insbesondere die Führungsebene in der Pflicht. DEI sei «kein Selbstzweck, sondern Teil einer zukunftsorientierten, unternehmerisch denkenden Arbeitswelt». 


«DEI ist kein Selbstzweck, sondern Teil einer zukunftsorientierten, unternehmerisch denkenden Arbeitswelt»
– Sara López García, Geschäftsführerin ZGP

Auch der Schweizerische Arbeitgeberverband übt Kritik. Er setze sich «ein für Chancengleichheit», sagt Ressortleiter Kommunikation Stefan Heini. Man habe deshalb den Aufruf «Die Schweizer Wirtschaft braucht Frauen – Chancengleichheit ist der Schlüssel» mitunterzeichnet. Zu den weiteren Unterzeichnenden gehören etwa Economiesuisse und das Competence Center for Diversity, Disability and Inclusion der Universität St. Gallen an. 

Heini sieht primär die Unternehmen selbst in der Verantwortung: «Es ist aber nicht an uns, unseren Mitgliedern – primär Branchenverbände, lokale Arbeitgeberverbände und Handelskammern – vorzuschreiben, wie sie sich diesbezüglich zu verhalten haben». 

Kampf mit Ansage


Der Backlash gegen Diversität und Inklusion kommt nicht überraschend. Bereits im US-Wahlkampf hatte die republikanische Partei um Donald Trump einen rigorosen Anti-«Woke»-Wahlkampf geführt. Besonders im Fokus: «DEI»-Massnahmen (Diversity, Equity, Inclusion), also Programme, die Vielfalt fördern, strukturelle Benachteiliungen abbauen und ein inklusives Arbeitsumfeld in Unternehmen und Behörden schaffen sollen. 

Leeres Wahlkampfgerede war das aber nicht – im Gegenteil. So hatte Trump «DEI» beispielsweise – ohne Beweise – für den Zusammenstoss eines Hubschraubers und eines Flugzeugs in Washington verantwortlich gemacht.

Das Unglück vom Januar war der schlimmste Luftfahrtunfall der letzten 20 Jahre in den USA. Dazu Pete Buttigieg, 2020 im Rennen für die demokratische Nominierung zum Präsidentschaftskandidaten, auf X (vormals Twitter): «Verabscheuungswürdig». 

Doch es ist nicht nur die US-Regierung, die sich von Gleichstellungsinitiativen abwendet. So haben diverse Grosskonzerne ihre entsprechenden Programme entweder limitiert oder gestrichen. Es ist ein wildes Assortiment an Firmen: Da sind zum Beispiel die Tech-Titanen wie Google und Meta, Softwarehersteller Adobe, Händler wie Amazon oder Target – und sogar McDonald’s und Lingerieherstellerin Victoria’s Secret. Forbes führt hier Buch über Firmen, die die Kehrtwende mitmachen. Der Grund: Man sorgt sich, den Zorn der US-Regierung auf sich ziehen, sollte man den Kurs nicht mitmachen.

Meta beispielsweise, lenkte bereits im Januar auf den Trump-Kurs ein. So sprach Facebook-Gründer Mark Zuckerberg bei Joe Rogan, einem der grössten Podcaster der Welt, davon, es brauche in der Arbeitswelt wieder «mehr maskuline Energie». Zeitgleich hatte der Social-Media-Gigant seine Factchecking-Bemühungen zurückgefahren. Dass die US-Regierung nun auch formell Druck auf Unternehmen ausübt, ihre DEI-Bestrebungen dem aktuellen politischen Kurs anzupassen, kommt indes nicht überraschend, sagen diverse politische Kommentatoren und Kommentatorinnen. 

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Robin Adrien Schwarz ist Online-Redaktor bei HR Today. 
rs@hrtoday.ch

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