HR Today Nr. 7&8/2019: Episode 6 – Für jeden gibt es die passende Daumenschraube

Die EGO AG – Folge 6

Alexander Gross, CEO und Mehrheitsaktionär der EGO AG, erhält ein Kaufangebot für seine Firma von einem Grosskonzern aus England. Dieser möchte seine Marktmacht mit einem Sitz in der Schweiz ausweiten. 50 Millionen Franken stehen im Raum. Verlockend, sehr verlockend! Alexander könnte mit seinem Anteil von 35 Millionen ein schönes Leben führen.

Kurzerhand bespricht er sich mit den anderen Aktionären. Alle sind Feuer und Flamme und sich einig, das Angebot anzunehmen. Es wird Stillschweigen vereinbart und der Deal wird von den Anwälten von Gross eingefädelt. In der Firma hat niemand eine Ahnung, was sich hinter verborgenen Türen abspielt – weder das HR noch die Buchhaltung sind involviert. Der Deal wird aufgesetzt, die EGO AG soll unter anderem Namen weiterbestehen und alle Mitarbeitenden sollen zu schlechteren finanziellen Rahmenbedingungen übernommen werden. Was aus seinen Mitarbeitenden wird, kümmert Gross wenig. Gedanklich sieht er sich schon unter Palmen am Strand liegen.

Doch im Zuge der Vorbereitung fällt Gross auf, dass er vor vier Jahren eine Aktie an Sales Director Gianni Eitel, der schon seit der Firmengründung an seiner Seite ist, übertragen hat. Was tun? Denn diese einzelne Aktie könnte den gesamten Deal kippen.

Gross entscheidet, Eitel in den Verkaufsprozess einzubinden, und ihm die Aktie einfach abzukaufen. Das Gespräch verläuft allerdings anders als erwünscht. Eitel ist verletzt und empört. Alles, wofür er so schwer gearbeitet hat, soll nun verkauft werden. Zudem möchte er auf keinen Fall für einen Grosskonzern arbeiten. Eitel verweigert den Verkauf und sucht sich juristische Unterstützung.

Eitel steckt in einem menschlichen Dilemma. Denn er ist nun Komplize und weiss etwas, das für alle seine Kolleginnen und Kollegen verheerend ist. Er fühlt sich schlecht, kann keinem mehr in die Augen schauen und geht allen aus dem Weg. Aus dem fröhlichen, einst lus­tigen Sales Director wird ein in sich gekehrter, schlecht gelaunter Mensch. Das geht auch nicht spurlos an den Kolleginnen und Kollegen vorbei. Es herrscht eine seltsame Stimmung.

Gross gerät immer mehr unter Druck. Der Kauftermin rückt näher. In zwei weiteren Gesprächen, die zwischen flehend und drohend hin und her wechseln, kommen Gross und Eitel erneut zu keiner Lösung. Gross sucht nach den psychischen Schwachstellen seines Sales Directors und geht dabei aufs Ganze. Denn Gianni ist als zweifacher Vater mit einer grossen Hypothek im Nacken und auf das monatliche Salär und somit auf eine ähnlich hochdotierte Stelle angewiesen.

Im vierten Gespräch setzt Gross die Daumenschrauben an: Er könne Eitel ja kündigen, wenn dieser sich nicht auf den neuen Arbeitsvertrag einlasse, die Aktie ginge dann zurück ans Unternehmen. Weitere Folgen wären ein Wettbewerbsverbot, das ihm zusätzlich eine begrenzte Zukunftsperspektive einräume. Damit wäre alles verloren!

Eitel knickt ein. Er überträgt die Aktie für ein Schmerzensgeld in Höhe von 100'000 Franken und verpflichtet sich, im englischen Grosskonzern weiterzuarbeiten. Seine Laune ist entsprechend! In zwei Tagen soll der Verkauf offiziell gemacht werden, so lange bittet Gross ihn noch um Stillschweigen.

Was löst der Verkauf aus? Welche Kreise zieht er?

  • Wie der Name EGO schon sagt, zieht Gross die gesamte Aktion alleine durch.
  • Eitel wird in eine Ecke gedrückt. Gross nutzt Gesetz Nummer 33 von Paul Green aus den «48 Gesetzen der Macht»: «Für jeden gibt es die passende Daumenschraube.»
  • Eitels gesamte Lebensvision steht auf dem Prüfstand.
  • Die Bürde, Mitwisser zu sein, wiegt für Gianni­ Eitel schwer.
  • Im Unternehmen entstehen aufgrund der Stimmungsveränderungen von Gross (fröhlich, freundlich) und Eitel (traurig, in sich gekehrt, abwehrend) Gerüchte.
  • Kernbotschaft: Alles ist vergänglich! Am Ende zählt nur das Geld statt der Mensch.

Wie hätte man es besser lösen können?

  • Grundsätzlich von Anfang an mehr Transparenz im Führungskreis schaffen.
  • Klare und nachvollziehbare Ausstiegsstrategie erstellen und diese den Mitarbeitenden mitteilen.
  • Ängste und Bedürfnisse der Mitarbeitenden vorhersehen und diese einbeziehen.

Die HR-Rolle:

  • Als Personalverantwortliche ist es wichtig, Veränderungen im Verhalten der Mitarbeitenden wahrzunehmen, diese aufzunehmen und herauszufinden, was es damit auf sich hat. Gross war wochenlang auffällig gut gelaunt und galant, während Eitel aussergewöhnlich ruhig und in sich gekehrt war.
  • Niemand kennt die Ängste und Bedürfnisse der Mitarbeitenden besser als die HR-Verantwortlichen.
  • HR ist die Brücke zwischen Management und den Mitarbeitenden. Es soll sich der Rolle als Vermittler, Mediator und Lösungsfinder klar werden und entsprechend handeln.
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