Tools & Methoden

CV-Parsing: Eine Krücke 
oder ein Zukunfts-Tool?

Kostendruck und Qualifizierung legen nahe, sich wiederholende Aufgaben zu automatisieren. Also nutzen HR-Abteilungen für die Bearbeitung von Bewerbungen vermehrt ein neues Tool: das CV- oder Resume Parsing. Doch auch Skepsis wird darob laut.

Schluss mit der Tipperei, sagen sich viele Betreiber von Jobbörsen und Stellenangebotsseiten. Sie setzen auf CV- oder Resume-Parsing-Tools (CV: Curriculum Vitae; Resume: Lebenslauf), die das automatische Extrahieren und Einlesen der Daten aus hochgeladenen Bewerber-CV versprechen (siehe auch Ausgabe 4/2010).

Die Tools nutzen spezielle Softwaretechniken, um Lebenslauftexte selbständig zu erkennen, zu analysieren (to parse: Syntax analysieren) und um automatisch ein Bewerbungsformular mit den relevanten Daten zu befüllen. Respektive wandeln sie die Texte – ohne manuelle Dateneingabe, so die Anbieterinnen – in standardisierte, strukturierte Datensätze für eine Datenbank beziehungsweise für ein Bewerbermanagement-System um.

Ausserdem können meist auch Hard-copy-Lebensläufe via OCR-Integration gescannt und in die Datenbank übernommen werden. Die Qualität des Schrifterkennungsprogramms (OCR) spielt dabei eine grosse Rolle für die Parsing-Genauigkeit.

Erste CV-Parsing-Software tauchte bereits um die Jahrtausendwende herum auf und international gibt es nunmehr einige Entwicklungshäuser. In Mitteleuropa sind dies vor allem Textkernel B.V. aus Holland und JoinVision E-Services GmbH aus Österreich. Beide bieten eine Reihe von Sprachmodulen an, denn CV-Parsing wird inzwischen überall auf der Welt eingesetzt. «Interessierte sollten auf die Möglichkeit achten, CV-Parsing auszuprobieren und die Qualität der extrahierten Daten selbst zu testen. Die diversen Systeme nutzen unterschiedliche Parsing-Methoden, so dass sich die Ergebnisse eventuell unterscheiden», betont Ingolf Teetz von der Milch & Zucker AG.

Die «lernende Maschine»

«Regelbasierte Systeme sind recht starr, während eine ‹lernende Maschine› mit Beispielen fortlaufend trainiert und verbessert wird. Letztere Methode ermöglicht schnellere und individuellere Ergebnisse, bei Bedarf sogar für kundenspezifische Datenmodelle», erläutert Ingolf Teetz. Er ist CTO bei Milch & Zucker, dessen E-Recruiting-Software «BeeSite Recruiting Edition» das CV-Parsing-Modul des holländischen Anbieters Textkernel enthält und als ersten grossen Kunden die Jobbörse Jobstairs.de mit einem CV-Parser ausstattete. Gerade bei CV eignen sich lernende Maschinen, so Teetz, die Wörter im Kontext des Textabschnitts und des allgemeinen Sprachverständnisses zu erkennen.

Techniken des maschinellen Lernens wurden dem «CVilizer» von JoinVision erst in einer zweiten Phase hinzugefügt. Zunächst, so Geschäftsführer Reinhold Immler, setzte man auf einen regelbasierten Ansatz, eine Ontologie-basierte Expertenwissensbasis. Inzwischen benutze man, so der JoinVision-Chef, einen «Hybrid-Ansatz», wo noch Techniken des maschinellen Lernens zum CV-Parser hinzukamen. Durchschnittlich soll die Befüllungsgenauigkeit von CV-Parsing etwa 85 Prozent betragen. Ein Selbsttest des Autors bei einem der Anbieter lag deutlich darunter. Damit sich potenzielle Anwender selbst ein Bild machen können, stellen einige Anbieter auch Testinstallationen gratis zur Verfügung. Bei JoinVision etwa lassen sich mit einer Testinstallation 500 Lebensläufe einlesen.

Laut seriösen Herstellerangaben liegt die machbare Zeitersparnis beim Einsatz von CV-Parsing gegenüber einer manuellen Dateneingabe bei circa 80 Prozent. Theoretisch soll auch der Zeitaufwand für den Bewerber durch die automatisierte Datenübernahme aus dem Lebenslauf deutlich reduziert sein.

Beginnt man aber zu recherchieren, sieht man schnell, dass das Thema «Onlinebewerbung» ein noch umstrittenes ist. Wie der österreichische Fachblog Karriere.at kürzlich testete, sind zwar die meisten Onlinebewerbungsformulare besser als ihr Ruf. Doch (meist technische) Fehler tauchen immer noch so häufig auf, dass es Anwenderkritik nur so hagelt, bis hin zu Statements wie: «Ich habe aufgehört, mich bei Firmen zu bewerben, die nur Onlinebewerbungsmasken anbieten.» Ein einwandfreies Funktionieren von CV-Parsing respektive des gesamten Bewerbungsvorgangs sollte daher aus vielerlei Hinsicht sichergestellt sein.

Checkliste für CV-Parsing-Software

Voraussetzungen_Wir interessieren uns dafür,

  • 
Bewerbern und Recruitern die Benutzung eines E-Recruiting-Systems zu erleichtern;
  • 
eine Option anzubieten, dass Bewerber sich durch Anhänge individuell präsentieren können.

Funktionsweise_Wir möchten profitieren

  • von echter Texterkennung, auch in verschiedenen Sprachen;
  • 
von der Möglichkeit, Daten in Formularfeldern einfach zu erfassen, indem schriftliche Bewerbungen eingescannt und die Dateien «geparst» werden.

Auswahl geeigneter CV-Parsing-Software_Wir prüfen, ob 

  • das Produkt bewährt und bei etlichen Kunden im Einsatz ist. Je breiter die Kundenbasis, desto umfassender funktioniert in der Regel das korrekte Parsing;
  • 
der Anbieter ausreichende Erfahrung im CV-Parsing und einen fachlichen Background sowohl im IT- als auch im sprachlich-wissenschaftlichen Bereich hat;
  • 
das CV-Parsing auf einer «lernenden Maschine» beruht oder ob es «regelbasiert» ist;
  • 
das Kosten- und Preismodell zum Recruiting in meinem Unternehmen passt.

Umsetzung_Ich achte bei den Funktionen der gewünschten CV-Parsing-Software auf

  • die Art der Einbindung und vorhandene Schnittstellen: Soll nur die CV-Parsing-Funktion zu meinem bestehenden Recruiting-System ergänzt oder ein Bewerbermanagement-System installiert werden, das diese Funktion beinhaltet?
  • 
die Funktion, Spam-Bewerbungen zu erkennen und ggf. zu eliminieren;
  • 
eine Historie im System über das CV-Parsing beziehungsweise die Möglichkeit, Reporting-Tools anzubinden.

(Auszüge aus einer Checkliste von Ingolf Teetz, milch & zucker AG)

 

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Tom Sperlich ist freier Journalist.

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