Ratgeber

Bis dass der Tod uns scheidet: 
Alumni-Clubs binden Ex-Mitarbeiter

Die strukturierte Kontaktpflege zu ehemaligen Angestellten ist in Grossfirmen längst Standard. Alumni-Clubs 
lohnen sich aber auch für kleine und mittlere Unternehmen. Der Benefit geht dabei für beide Seiten über die Pflege 
der Erinnerung an «die schöne alte Zeit» hinaus.

«Das ist das Ende Ihrer Karriere.» Chefs, die auf die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses so gekränkt reagieren wie auf das Ende einer Liebesbeziehung, sind weniger selten, als man vermuten möchte. Auch im Berufsleben sind Trennungen mit Emotionen verbunden – entsprechend wallen die Gefühle manchmal auf beiden Seiten auf. Manch ein geförderter Nachwuchsmitarbeiter bekommt die kalte Seite seines Mentors zu spüren, wenn er diesem die Folgschaft kündigt. «Vom Moment der Kündigung bis zum letzten Arbeitstag hat er mit mir kein Wort mehr gesprochen,» klagt eine junge Managerin und steht damit beileibe nicht allein da. Auf eine Kündigung reagieren viele Führungskräfte und auch Firmen nach dem Prinzip «Aus den Augen, aus dem Sinn».

Firmentreue – nützt sie vor allem der Firma?

Im Vergleich dazu wird hingegen oft geradezu verhätschelt, wer dem Unternehmen bis zur Pensionierung die Stange hält. Veteranen-Clubs und Seniorenausflüge gehören zu Schweizer Traditionsunternehmen wie die Berge zur Landschaft. Verdienten Mitarbeitenden werden besondere Seiten in der Mitarbeiterzeitschrift reserviert und ihre runden Geburtstage gehen meist nicht vergessen. Nach der Faustregel «Wer sich zur Ruhe setzt, wird belohnt, wer abwandert, bestraft» reagieren aber dennoch längst nicht alle Unternehmen.

Wie ein gutes Verhältnis zu ehemaligen Mitarbeitern dem eigenen Unternehmen weiterhin dienlich sein kann, lässt sich an grossen Beratungskonzernen studieren: Ex-Mitarbeitende, die zu Kunden wechseln, sorgen dort nicht selten dafür, dass die dicksten Aufträge weiter an den früheren Arbeitgeber und die ehemaligen Kollegen gehen. Werden sie bekannt, lösen diese Formen der Vernetzung, Kritik und Empörung aus, ist die Grenzlinie zwischen Netz und Filz doch oft sehr dünn. Gründe dafür, sich mit scheidenden Mitarbeitenden gut zu stellen, haben heute dennoch alle Unternehmen – sie müssen dazu nicht einmal nur ökonomische Interessen verfolgen.
Employer Branding: Das Gemeinschaftsgefühl wird auch über das Ende des Arbeitsverhältnisses hinaus gepflegt. Wer ein Interesse an früheren Mitarbeitenden demonstriert, signalisiert damit auch der gegenwärtigen Belegschaft, dass er die Beiträge der Arbeitnehmenden grundsätzlich und auch langfristig wertschätzt.

Innovationssteigerung: Innovationen kommen heute nicht einzig und allein aus der Forschungsabteilung eines Unternehmens. Ehemalige Kollegen, die dem Unternehmen freundschaftlich verbunden sind, können in einer anderen Branche Einsichten gewinnen, die sie unter Umständen gerne und gefahrlos an ihre ehemaligen Kollegen weitergeben können.

HR-Pool: Ein Alumni-Netzwerk kann die 
Rekrutierungsbemühungen eines Unternehmens perfekt ergänzen und unterstützen. Ehemalige, die noch immer ein Zugehörigkeitsgefühl zur alten Firma empfinden, sind glaubwürdige Werbebotschafter. Ehemalige Mitarbeitende, auch «Boomeranger» genannt, die sich wieder anstellen lassen, sind günstiger als Firmenfremde. Dank ihrem Spezial- und Insiderwissen ist die Einarbeitungszeit nachweislich kürzer und sie integrieren sich besser. Das leuchtet ein: Wer sich für eine 
Firma entscheidet, die er bereits kennt, dürfte seine Hoffnungen und Erwartungen auf eine realistischere Basis stellen als ein kompletter Neuling.

Vorbeugen statt heilen

Eine besonders originelle Art der Mitarbeiter-Retention pflegt laut einer Meldung von 
Harvard Business Review Online der amerikanische Internet-Schuh händler Zappo. Das Start-up-Unternehmen setzt ganz auf Prävention. Um die Gefahr einer Fehlanstellung zu reduzieren, bietet Zappo jenen Mitarbeitenden, die die Probezeit absolviert und bestanden haben, eine Prämie von 1000 Dollar. Nicht etwa als Belohnung für das Bestehen der Einstiegsphase. Im Gegenteil, das Geld wird nur ausbezahlt, wenn die Neulinge das Unternehmen dafür sofort verlassen. Wer nach dem Prinzip «grab and run» – zugreifen und wegrennen – funktioniere, passe nicht ins Unternehmen, argumentiert Zappo. «Wir wünschen uns Angestellte, die hundertprozentig davon überzeugt sind, am richtigen Ort zu sein.» Und sich selbst von schnell verdienten 1000 Dollar nicht von dieser Überzeugung abbringen lassen.Alumnus, Alumna (pl. Alumni, Alumnae).

Laut Duden bezeichnet das Wort den Zögling (wörtlich: den Genährten) eines Alumnats. Dieses wiederum ist entweder ein mit einer Lehranstalt verbundenes, kostenfreies Schülerheim oder eine kirchliche Erziehungsanstalt. Heute werden mit «Alumni» generell die Absolventen von Hochschulen bezeichnet. Hierzulande ist der Begriff etwas weniger lang gebräuchlich als in den USA, wo er schon seit rund 200 Jahren verwendet wird. Er ist jedoch heute ebenso geläufig. Auf der Alumni-Vereinigung der Medizinischen Fakultät der Universität Basel heisst es dazu: «Der Vorschlag, stattdessen Old Boys sowie Old Girls zu verwenden, wurde fallen gelassen, da diese Bezeichnung zu Verwechslungen mit einem Fussballverein Anlass 
geben könnte.»

Alumni-Netzwerke – bisher vor allem in Bildungsinstitutionen

Den Nutzen von Ehemaligen erkennen und systematisch beackern – bisher tun dies hierzulande erst Bildungsinstitute auf professionellem Niveau. Ganz so amerikanisch, wie oft behauptet wird, ist die Idee der Vernetzung allerdings gar nicht, auch wenn den umtriebigen Old-Boys- und Old-Girls-Vereinen gerne nachgeeifert wird. Die lebenslange Bindung zur Alma Mater und zu den ehemaligen Kommilitonen wurde auch an deutschsprachigen Universitäten immer schon unterstützt und gepflegt – wenn auch etwas weniger systematisch. Was daran liegen könnte, dass sie bisher nicht so sehr von privaten Geldern abhängig waren wie angelsächsische Institute. Aber auch die Westeuropäer holen auf: Alumni-Organisationen erfreuen sich eines regelrechten Booms und die meisten Universitäten sind daran, ihre eigenen Netzwerke zu entstauben oder neu aufzubauen. Inzwischen sorgt sogar eine eigene jährliche und länderübergreifende Fachmesse für Vernetzung und die Verbreitung besonders cleverer Marketingstrategien.

Warum zeigen sich Schweizer Firmen bisher so zurückhaltend, wenn es darum geht, den Kontakt zu ihren ehemaligen Mitarbeitenden zu nutzen? «Für Firmen war es bisher einfacher, nichts zu tun», vermutet Susan Kish, Gründerin des ehemaligen Think-Tanks First Tuesday und heute Beraterin. Auch sie betont vor allem die kulturellen Unterschiede: «Alumni-Vereine gehören zur amerikanischen Kultur.» Einem CEO, der von einer amerikanischen Universität komme, falle es tendenziell leichter, sich für ein Corporate-Alumni-Netzwerk zu erwärmen, als jemandem, dem dieser Hintergrund fehle. In vielen Konzernen, die über Ehemaligen-Programme verfügen, ging die Initiative dafür tatsächlich meist aus Ländergesellschaften im angelsächsischen Raum aus. Der Facharbeiter- und der allgemeine Personalmangel werden das ihre tun, um diesen Netzwerken zur Verbreitung zu verhelfen, schätzt aber Kish. Schliesslich sei der Nutzen von Ehemaligen-Netzwerken auch für Firmen klar erwiesen.

Vorteile für alle Beteiligten

«IBMer ist man nicht nur dann, wenn man bei IBM arbeitet, sondern für sein ganzes Leben», behauptete Martin Jetter, Vorsitzender der Geschäftsführung der IBM Deutschland GmbH, zum Start von «Greater IBM Connection in Germany». Die lebenslange Zugehörigkeit zu einem Arbeitgeber ist nun nicht gerade 
jedermanns Sache. Dass die Programme, die in Banken, Versicherungen, Beratungshäusern und anderen Konzernen schon Standarddienstleistung sind, sich dennoch einiger 
Beliebtheit erfreuen, ist verständlich. Teilnehmer von «Greater IBM» beispielsweise 
profitieren vom Zugang zu Studien und Analysen des IBM Institute for Business Value oder kommen in den Genuss von exklusiven Interviews und Podcasts mit Top Executives und Beratern. Auch stehen regelmässig Experten zur Verfügung, mit denen die Mitglieder in speziellen Foren diskutieren können. In der lokal ausgerichteten IBM Alumni-Association werden die Teilnehmer für einen bescheidenen Beitrag von 50 Franken via Newsletter über Firmeninterna informiert und können an speziellen Veranstaltungen teilnehmen. «Das Netz dient allen», teilt IBM-Pressesprecherin Susan Orozco die allgemeine Meinung über solche Programme. «Wer jahrelang miteinander arbeitet, entwickelt eine besondere Beziehung, deren Pflege sich lohnt.»

Überforderung durch Überangebot?

«Noch ein Netzwerk?» Manch einer mag innerlich stöhnen, wenn er auch vom ehemaligen Arbeitgeber zum fröhlichen «Networking» eingeladen wird. Schliesslich stehen berufliche Netzwerke wie Xing, LinkedIn, Facebook und andere allen Berufstätigen offen – wozu sollte man sich obendrein noch in einem 
speziellen, firmenbezogenen Netzwerk engagieren? «Die Frage ist, wie jemand so ein Netzwerk gewichtet: Ist er oder sie bloss Mitglied oder nutzt er das Netz auch aktiv?», sagt Susan Kish, selber aktive Facebook- und LinkedIn-Nutzerin. Im Unterschied zu den allgemein zugänglichen Netzwerken sei ein Corporate-Alumni-Network sehr viel fokussierter. «Es macht Spass, mit ehemaligen Kollegen in Kontakt zu bleiben, ich erinnere mich gerne an die Zeit damals und an die Menschen, mit denen ich so viel Zeit verbracht habe.»

Welches Netz ist das richtige? Wie wird es geknüpft?

Firmen können, müssen ihrem Ehemaligen-Netzwerk kein kompliziertes und kostspieliges Konzept zugrunde legen. In übersichtlichen Kleinfirmen genügt es, wenn eine 
Person oder eine Gruppe die Kontaktinformationen verwaltet, ein Programm ausarbeitet und grundsätzlich die Verantwortung dafür übernimmt. In vielen kleinen und mittleren Firmen hat sich die informelle Form bestens bewährt. Gerade dort hat sich aber auch 
gezeigt: Ein Minimum an Struktur und Regelmässigkeit der Veranstaltungen ist notwendig, sonst ist dem Programm meist keine lange Lebensdauer beschieden.

Wenn – was oft geschieht – der Impuls für ein Netzwerk von den Ehemaligen selbst ausgeht, sollten Firmen ihnen Support bieten, etwa indem sie das Firmenlogo zur Verfügung stellen, (nach Möglichkeit) Zugang zum Intranet gewähren oder Räumlichkeiten für Treffen und Events anbieten.

Bald ein Standardinstrument

Sind Schweizer überhaupt gute Alumni? Schliesslich, das stellen integrationsfreudige Ausländer mitunter enttäuscht fest, sind die sozialen Netzwerke hier sehr eng geknüpft. Wer nicht gerade die Hochschule St. Gallen absolviert hat, Oberleutnant im Militär ist oder wöchentlich zum Feuerwehrdienst einrückt, muss ziemlich viel Eigeninitiative und mitunter auch Beharrlichkeit entwickeln, um seine beruflichen und sozialen Kontakte nachhaltig zu gestalten. Susan Kish stellt 
dabei altersabhängige Unterschiede fest: 
«Die Technologie für solche Netzwerke ist 
da, die jungen Leute benutzen und mögen sie.» Was die Zukunft von Corporate-Alumni-Netzwerken betrifft, gibt sie sich zuversichtlich: «Die Schweizer sind sehr pragmatisch. Für das, worin sie einen Vorteil sehen, interessieren sie sich in der Regel.» Ist es also bloss eine Frage der Zeit, bis wir alle bis an unser Lebensende nicht nur Vertreter eines bestimmten Berufsstands, sondern gleichzeitig auch Ex-SBBler, Ex-Coopler oder Ex-Kantonalbänkler sind?

Vorbeugen statt heilen

Eine besonders originelle Art der Mitarbeiter-Retention pflegt laut einer Meldung von 
Harvard Business Review Online der amerikanische Internet-Schuh händler Zappo. Das Start-up-Unternehmen setzt ganz auf Prävention. Um die Gefahr einer Fehlanstellung zu reduzieren, bietet Zappo jenen Mitarbeitenden, die die Probezeit absolviert und bestanden haben, eine Prämie von 1000 Dollar. Nicht etwa als Belohnung für das Bestehen der Einstiegsphase. Im Gegenteil, das Geld wird nur ausbezahlt, wenn die Neulinge das Unternehmen dafür sofort verlassen. Wer nach dem Prinzip «grab and run» – zugreifen und wegrennen – funktioniere, passe nicht ins Unternehmen, argumentiert Zappo. «Wir wünschen uns Angestellte, die hundertprozentig davon überzeugt sind, am richtigen Ort zu sein.» Und sich selbst von schnell verdienten 1000 Dollar nicht von dieser Überzeugung abbringen lassen.

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