Salärsysteme

Leistungsvariable Vergütung ist mit 
Vorsicht zu geniessen

Personalmanager erhoffen sich von leistungsabhängigen Löhnen einiges: mehr Leistung, mehr Motivation und weniger Kosten. Diese Erwartungen werden in der Realität jedoch nicht immer erfüllt und lösen manchmal sogar das Gegenteil aus. Vor allem bei komplexen Tätigkeiten können variable Löhne unerwünschte Verdrängungseffekte nach sich ziehen.

Die Frage, ob und wann individuelle variable Leistungsvergütung – wie Akkordlohn, Bonus, Kommissionen u.a. – ein sinnvolles Instrument des betrieblichen Leistungsmanagements ist, bleibt wissenschaftlich heftig umstritten. In der Praxis hingegen scheint der Siegeszug leistungsvariabler Löhne ungebrochen. So zeigt etwa die Lohnumfrage der UBS im Jahr 2008, dass hierzulande 75 Prozent der Unternehmen Bonussysteme einsetzen. Schätzungen anderer Lohnumfragen liegen sogar noch weit über dieser Zahl.

Befragt man Personalmanager, was sie von leistungsvariabler Vergütung erwarten, werden drei Ziele genannt (Bahnmüller 2001). Erstens erhofft man sich von variablen Vergütungssystemen eine Steigerung der Leistung. Eine solche Leistungssteigerung soll zweitens durch eine Erhöhung der Mitarbeitermotivation zustande kommen. Drittens erhofft man sich eine kostensenkende Wirkung von variablen Vergütungen. Doch sind diese Erwartungen tatsächlich berechtigt?

Forschungsergebnisse deuten 
nicht nur in eine Richtung

Es gibt fast gleich viele empirische Studien, die positive Effekte aufzeigen, wie solche, die negative Effekte nachweisen. Eine der bekanntesten Untersuchungen ist die des Ökonomen Edward Lazear (2000). Er zeigt, dass leistungsvariable Löhne die individuelle Leistung der Mitarbeiter, unter den richtigen Bedingungen, dramatisch steigern können. Untersucht wurde im Unternehmen Safelite, einem amerikanischen Autoglaser, die Umstellung von Fixlohn zu Stücklohn. Statt für die Anzahl der Arbeitsstunden wurden die Mitarbeiter neu nach der Zahl der von ihnen eingesetzten Glaseinheiten entlöhnt.

Die durchschnittliche Leistung der Mitarbeiter stieg in der Folge von 2,7 auf fast 3,3 eingesetzte Windschutzscheiben pro Tag – eine Leistungssteigerung von 20 Prozent. Leistungsvariable Vergütung kann aber auch negative Folgen haben. So zeigen Gneezy und 
Rustichini (2000b) in einem Feldexperiment, dass Schüler ohne monetäre Belohnung 36 Prozent mehr für eine Krebshilfestiftung sammelten als ihre Mitschüler, denen eine Umsatzbeteiligung von einem Prozent versprochen wurde. Gemäss einer Studie der Psychologen McGraw und McCullers (1979) verlängert leistungsvariable Vergütung zudem die Lösungszeit von kreativen Aufgaben. Studierende, denen eine Erfolgsprämie in Aussicht gestellt wurde, benötigten für die Lösung der Aufgaben 50 Prozent länger als ihre unbezahlten Kommilitonen. 

Wie kann man diese unterschiedlichen Resultate erklären? In den letzten Jahren versucht man verstärkt, mittels statistischer 
Meta-Analysen diese kontroverse Datenlage zu durchdringen. Jenkins und Koautoren (Jenkins et al. 1998) stellen fest, dass sich leistungsvariable Vergütung signifikant positiv auswirkt, wenn die zu lösende Aufgabe quantitativ klar messbar ist. Eine solch positive Wirkung bleibt jedoch aus, wenn Qualitätsziele im Vordergrund stehen. Weibel, Rost und Osterloh (2009) zeigen ebenfalls, dass leistungssteigernde Effekte von der Art der zu lösenden Aufgabe abhängen.

Die Analyse der Autorinnen offenbart, dass sich leistungsvariable Vergütung stark positiv auf die Ausführungsintensität wenig interessanter Tätigkeiten auswirkt, wie dies etwa beim Autoglasinstallateur Safelite der Fall ist. Gleichzeitig wirkt sich leistungsvariable Vergütung signifikant negativ auf die Mitarbeiterleistung bei interessanten Tätigkeiten aus.

Beide Meta-Analysen zeigen also, dass leistungsvariable Vergütung nicht in jedem Fall leistungssteigernd wirkt. Positive Effekte sind bei einfachen, standardisierbaren und wenig interessanten Tätigkeiten zu erwarten; negative bei komplexeren und interessanten Tätigkeiten.

Variable Bestrafung kann 
sich fatal auswirken

Die widersprüchliche Wirkung leistungsvariabler Vergütung auf die individuelle Leistung lässt sich durch deren unterschiedliche Wirkung auf die Motivation der Mitarbeiter erklären: Monetäre Anreize stärken die extrinsische und schwächen gleichzeitig die intrinsische Motivation (Weibel et al. 2007).

Leistungsvariable Anreize stärken die extrinsische Motivation und bewirken eine zielgenaue Steuerung der Mitarbeiteraufmerksamkeit. Diese Steuerungswirkung variabler Anreize erweist sich allerdings bei komplexen Tätigkeiten als problematisch. Werden Mitarbeiter bei anspruchsvollen, komplexen Tätigkeiten anhand von erreichten Zielen entlöhnt, konzentrieren rationale Mitarbeitende ihre Anstrengung auf die leicht messbaren Ziele und vernachlässigen schwer oder nicht messbare Ziele, welche für den Firmenerfolg aber wichtig sind. Ökonomen bezeichnen dies als «Multi-Tasking-Effekt» (Holmström/Milgrom 1991). Kerr (1975) hat das Problem in einem frechen Aufsatz mal als «den Irrsinn, A zu entlöhnen, während man eigentlich auf B hofft» beschrieben.

So änderte Anfang 1991 die amerikanische Warenhauskette Sears ihre Kompensationspolitik für Automechaniker. Die Mechaniker der eigenen Autoreperaturbetriebe wurden nun zu einem substantiellen Teil gemäss den Gewinnen aus den Autoreparaturen bezahlt. Diesen Anreizen entsprechend versuchten die Mechaniker – mit einigem Erfolg – die Kunden zu unnötigen Reparaturen zu veranlassen. Als diese Machenschaften aufflogen, drohten die kalifornischen Behörden, die Autoreparaturwerkstätten von Sears im ganzen Staat zu schliessen. Die Firma gab deshalb diese Art der Leistungsentlöhnung im Jahre 1992 wieder auf (Baker et al. 1994). Der Multi-Tasking-Effekt ist vermutlich auch Mitverursacher der Finanzkrise: Kundenberater konzentrierten sich auf den Umsatz und vernachlässigten die kurzfristig nicht messbaren Risiken und die Objektivität bei der Beratungsqualität.

Gleichzeitig kann leistungsvariable Vergütung die intrinsische Motivation für eine Tätigkeit verdrängen. Mittlerweile gibt es eine grosse Anzahl von Untersuchungen, welche genauere Einflussfaktoren des Verdrängungseffektes ermittelt haben: Er ist bei erwarteten Belohnungen stärker als bei unerwarteten und bei monetären Entlöhnungen stärker als bei symbolischen (Heckhausen 2006). Noch fataler wirkt sich leistungsvariable Bestrafung, also ein Malussystem, auf die intrinsische Motivation aus. Diesen Effekt zeigen Gneezy und Rusticchini (2000a) am Beispiel von israelischen Kindertagesstätten: Die am Experiment teilnehmenden Tagesstätten bürdeten den Eltern neu eine Strafe auf, falls sie ihre Kinder zu spät abholten. Die Einführung der Massnahme verschärfte jedoch das Problem: Die Anzahl der Eltern, die ihre Kinder zu spät abholten, verdoppelte sich. Auch die Abschaffung des Malussystems veränderte diese negative Entwicklung nicht. Die intrinsische Motivation (in diesem Fall das schlechte Gewissen), Kinder zur rechten Zeit abzuholen, war durch das Malussystem nachhaltig erschüttert.

Konsequenzen für die 
Vergütungspraxis

In der Praxis ist leistungsvariable Vergütung fast flächendeckend verbreitet, die wissenschaftliche Faktenlage zeigt jedoch, dass ein solch unreflektierter Einsatz negative Folgen haben kann.

Erstens lassen sich leistungsvariable Löhne nur gewinnbringend bei akkordfähigen, vornehmlich Nichtmanagement-Tätigkeiten einsetzen. Gleichzeitig erscheint die Anwendung von Lohnkomponenten auf der «Teppichetage» als wenig leistungssteigernd.

Zweitens müssen Unternehmen dem Multi-Tasking-Effekt Rechnung tragen. Damit sich stark leistungsvariabel entlöhnte Mitarbeiter auch den schwierig messbaren Tätigkeiten zuwenden, sollten diese intrinsisch motiviert werden. Dies geschieht in der Praxis durch Total-Rewards-Programme, die immer eine Mischung aus extrinsischen und intrinsischen Anreizen umfassen. Allerdings demonstrieren Meta-Analysen, dass extrinsische und intrinsische Anreize teilweise substitutiv wirken: Kombiniert man etwa leistungsvariable Anreize mit dem auf die intrinsische Motivation zielenden konstruktiven Feedback, ist die Gesamtwirkung der Kombination beider Anreize geringer, als wenn man jeweils nur einen Anreiz setzen würden (Luthans/
Stajkovic 1999).

Drittens muss man damit rechnen, dass leistungsvariable Vergütung kostenintensiver ist als bisher angenommen. Dort, wo intrinsische Motivation für eine Tätigkeit vorhanden war, muss die leistungsvariable Lohnkomponente den Verlust dieser Motivationsform kompensieren. Dies lässt sich am eingangs geschilderten Experiment der Krebshilfesammelaktion verdeutlichen. Die unbezahlte Klasse sammelte weitaus mehr als die am Umsatz beteiligte zweite Klasse. Erst bei einer Kompensation von zehn Prozent wurde das Ergebnis der ersten Klasse annähernd wieder erreicht. Mit anderen Worten: Nur wenn der Anreiz hoch genug ist, kann der Verlust an intrinsischer Motivation aufgewogen werden.
Es wäre also effektiver und effizienter, bei gewissen Tätigkeiten auf leistungsvariable Vergütung zu verzichten und Leistung – altmodisch oder vielmehr avantgardistisch – durch Beförderung zu belohnen.

Literatur:

  • Bahnmüller, R. (2001): Stabilität und Wandel in der 
Leistungsentlohnung. In: WSI Mitteillungen 7, S. 426–433.
  • Baker, G./Gibbons, R./Murphy, K. J. (1994): Subjective 
Performance-Measures in Optimal Incentive Contracts. In: Quarterly Journal of Economics 109 (4), S. 1125–1156.
  • Gneezy, U./Rustichini, A. (2000a): A Fine Is a Price. 
In: Journal of Legal Studies 29 (1), S. 1–17.
  • Gneezy, U./Rustichini, A. (2000b): Pay Enough or Don’t 
Pay at All. In: Quarterly Journal of Economics 115 (3), 
S. 791–810.
  • Heckhausen, J. (2006): Motivation und Handeln. Springer: Berlin.
  • Holmström, B./Milgrom, P. (1991): Multitask Principal-Agent Analyses: Incentive Contracts, Asset Ownership, and Job Design. In: Journal of Law, Economics and Organization 7, S. 24-52.
  • Jenkins, G. D./Mitra, A./Gupta, N./Shaw, J. D. (1998): Are 
Financial Incentives Related to Performance? A Meta-
Analytic Review of Empirical Research. In: Journal of Applied Psychology 83 (5), S. 777–787.
  • Kerr, S. (1975): On the Folly of Rewarding A, While Hoping for B. In: Academy of Management Journal 18, S. 769–783.
  • Lazear, E. P. (2000): Performance Pay and Productivity. 
In: American Economic Review 90 (5), S. 1346–1361.
  • Luthans, F./Stajkovic, A. D. (1999): Reinforce (Not Necessarily Pay) for Performance. In: Academy of Management 
Executive 13, S. 49–57.
  • Mcgraw, K./Mccullers, J. (1979): Evidence of a Detrimental Effect of Extrinsic Incentives on Breaking a Mental Set. 
In: Journal of Experimental Social Psychology 15 (3), 
S. 285–294.
  • Weibel, A./Rost, K./Osterloh, M. (2007): Disziplinierung der Agenten oder Crowding-Out? – Gewollte und ungewollte 
Anreizwirkungen von variablen Löhnen. In: Zeitschrift für 
Betriebswirtschafliche Forschung (8), S. 1029–1054.
  • Weibel, A./Rost, K./Osterloh, M. (2009): Pay for Performance in the Public Sector – Benefits and (Hidden) Costs.
 In: Journal of Public Administration Research and Theory (forthcoming).
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Prof. Dr. Antoinette forscht und lehrt an der Universität St. Gallen zu den Themen evidenzbasiertes und positives Personalmanagement. Sie ist zudem Direktorin am neu konstituierten Forschungsinstitut für Arbeit und Arbeitswelten (FAA) an der HSG.

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