Mitarbeiterumfragen

Mitarbeiterbefragungen optimal 
auswerten und Erkenntnisse umsetzen

Mitarbeiterbefragungen gehören inzwischen zum Standardrepertoire soziotechnischer Instrumente und repräsentieren 
dabei ein zentrales Feedbackmedium, das zur Steuerung von Unternehmen benötigt wird. Eine praxisorientierte Anleitung zur optimalen Umsetzung aus akademischer Perspektive.

Nicht zuletzt inspiriert durch die Philosophie der  EFQM (European Foundation for Quality Management) hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass Mitarbeiter als Experten zur Auswertung der Prozesse vor Ort in Entscheidungen einbezogen werden sollten, zumal durch diese Art der Partizipation in der Regel das Commitment erhöht wird. Neben der «operativen» Nützlichkeit stehen also auch motivierende Aspekte im Vordergrund.

Die positiven Auswirkungen einer Mitarbeiterbefragung (MAB) kommen aber nur dann zum Zuge, wenn der gesamte Prozess im Sinne eines Organisations- und Personalentwicklungskonzepts (z.B. im Sinne eines Auftau- und Einbindungsmanagement-Programms (Borg, 2000), bzw. als systemische Mitarbeiterbefragung, (Bungard, 2005) legis arte abläuft. Verschiedene empirische Untersuchungen haben in den letzten Jahren immer wieder Diskrepanzen zwischen Anspruch und Wirklichkeit in zahlreichen Unternehmen offengelegt. Folgende Ursachen scheinen dafür massgeblich verantwortlich zu sein:

  • Der Umsetzungsprozess wird sich selber überlassen und nicht unterstützt.
  • 
Führungskräfte fühlen sich selber kritisiert und übernehmen nicht die ihnen zugeordnete Moderatorenrolle.
  • 
Führungskräfte verfügen nicht über entsprechende Fähigkeiten zur Moderation.
  • 
Vorstand und obere Führungskräfte instrumentalisieren die MAB zu einer verkappten Vorgesetztenbewertung.
  • 
Vorstand und Führungskräfte interessieren sich primär für den Vergleich mit externen Benchmarks.
  • 
Die MAB wird als lästiges Zusatzprojekt in der Priorität hinter das operative Tagesgeschäft zurückgesetzt.
  • 
MAB passen nicht zur hierarchisch orientierten Organisationsform.
  • 
Der Fragebogen erfasst nicht die aus Sicht der Mitarbeiter relevanten Aspekte.
  • 
Der Fragebogen enthält Fragen, aus deren Bewertung keine unmittelbaren Handlungen abgeleitet werden können, z.B. allgemeine Zufriedenheitsfragen.
  • 
Es erfolgt kein konsequentes Controlling der dezentralen Umsetzungsaktivitäten

Diese exemplarisch aufgeführten Problembereiche zeigen, dass MAB keine Selbstläufer sind, sondern das Instrument auf der Basis von Trainingsmassnahmen sorgfältig implementiert, während des Prozesses begleitet und analog zu anderen Projekten evaluiert werden muss, um die Effizienz sicherzustellen. Die optimale Gestaltung der Ergebnisberichte spielt eine besondere Rolle. Folgende grundlegenden Aspekte sollten hierbei beachtet werden:

  • Die Berichte sollten in einer Fassung erstellt werden, sodass sie für die Führungskräfte einfach verwendbar sind, das heisst ohne weitere Zwischenschritte eine Präsentation der Ergebnisse von den Mitarbeitern durchgeführt werden kann.
  • 
Die Berichte sollten für die Führungskräfte ohne Aufwand leicht verständlich sein, so-dass sie ohne Mühe mit ihren Mitarbeitern über die Ergebnisse und mögliche Ansätze zur Verbesserung diskutieren können.
  • 
Die Aufbereitung und Darstellung der Daten sollte so erfolgen, dass wichtige Probleme und Handlungsfelder ersichtlich sind.

Aus diesen drei Hauptkriterien lassen sich unmittelbar eine Fülle von konkreten Gestaltungskriterien ableiten.

Leichte Verwendbarkeit

  • Präsentierbare Dateiformate: Zur Erstellung und zum Versand der Ergebnisberichte sind vor allem leicht präsentierbare Dateiformate wie pdf und ppt zu empfehlen. Beide Formate können im Präsentationsmodus 
direkt dargeboten werden und die Ergebnisse in der Gruppe gemeinsam diskutiert werden. In manchen Unternehmen kann bei mangelnder dezentraler IT-Infrastuktur die Ergebnisdiskussion auch auf Basis von papierbasierten Ergebnisberichten erfolgen. Diese sollten dann in solch einer gedruckten Form vorliegen, sodass die Verwendung von so genannten Tischaufstellern möglich ist.
  • Einfacher Zugang: Die Berichte sollten für die Führungskräfte leicht zugänglich sein. Hierbei empfiehlt sich das Einrichten einer spezifischen Downloadplattform. Über dieses Medium können nicht nur die Ergebnisberichte einfach heruntergeladen werden, sondern auch andere wichtige Information im Rahmen des MAB-Prozesses (wie z.B. Schulungs- und Informationsmaterialien, Berichtsleitfäden, Rücklaufraten etc.) für die Führungskräfte zur Verfügung gestellt werden. In diese MAB-Plattform können ferner Selbst-analysetools integriert werden, in denen verantwortliche Führungskräfte selbständig auf Basis interaktiver Auswertungsprogramme tiefergehende Analysen der Daten vornehmen. Wichtig sind hierbei die Sicherung der Anonymität der Daten und eine sichere Verwaltung der Nutzerrechte, sodass nur die für bestimmte Einheiten relevanten Daten für die jeweilig verantwortliche Führungskraft zugänglich gemacht werden.

Verständlichkeit

  • Erstellung eines Leitfadens für die Berichte: Die Leitfäden zu den Berichten enthalten zum einen Hinweise, die für das grundlegende Verständnis der Auswertungen erforderlich sind. Hierzu gehören Informationen zur Skalierung und Kodierung der Items, vorgenommene Umpolungen, Massnahmen zur Wahrung der Anonymität usw. Zum anderen 
dienen sie als Orientierungs- und Interpretationshilfe. Sie erläutern den Aufbau des Berichts sowie die Bedeutung und Besonderheiten der einzelnen Teilbereiche. Anhand von Beispielen sollte kurz die Vorgehensweise bei der Interpretation der verschiedenen Ergebnisteile erklärt werden. Diese Regieanweisungen verdeutlichen nochmals die wesentlichen Punkte, die bei der Gestaltung der 
Mitarbeiterworkshops und Präsentation der Ergebnisse zu beachten sind.
  • Verwendung einfacher statistischer Kennzahlen: Aus der Fülle der statistischen Kennzahlen bietet sich der Mittelwert als Grundlage der Auswertungen an. Mittelwerte ermöglichen einerseits den Vergleich von 
verschiedenen Fragen/Einheiten und sind andererseits allgemein bekannt und intuitiv verständlich und benötigen daher keine ausführlichen Erläuterungen. In Ergänzung zum Mittelwert sollte die Verteilung der Antworthäufigkeiten über die Antwortkategorien dargestellt werden. Diese Information verdeut-licht die Streuung der Ergebnisse innerhalb einer Einheit und es wird leicht ersichtlich, wie viel Prozent der Mitarbeiter mit einem bestimmten Aspekt zufrieden (Top-Box) bzw. unzufrieden sind. Auf weitere nützliche, aber komplexe statistische Kennzahlen, die ohne entsprechende Vorkenntnisse nur schwer interpretiert werden können (z.B. Varianz und Standardabweichung), sollte zugunsten der Einfachheit der Berichte verzichtet werden.
  • Grafische Unterstützung: Grafische Darstellungen in Ergebnisberichten sind eine Voraussetzung, um die Fülle von Daten schnell und effektiv zu erfassen und zu verstehen. Bei den Grafiken ist besonders darauf zu achten, dass diese durch Art (Säulen oder Balkendiagramme) und Farbgebung (z.B. rot = «unzufrieden», grün = «zufrieden») intuitiv leicht verständlich sind. Zentrale Ergebnisse können mit Hilfe von Mittelwertprofilen überblicksartig zusammengefasst werden. Anhand dieser Grafik kann auf einen Blick festgestellt werden, welche Themenbereiche in der Berichtseinheit besonders gut bzw. schlecht bewertet werden und wie diese in anderen Bereichen/Unternehmen abschneiden.
  • Darstellung von Indizes: Indizes sind Mittelwerte oder Summenscores über mehrere Items zu übergeordneten Themenbereichen oder strategischen Zielsetzungen (z.B. Führung, Umsetzung des Unternehmensleitbildes, Commitment, Gesamtzufriedenheit). Die Vorteile von Indizes sind, dass diese komplexe, übergreifende Themen zu einem Wert zusammenfassen. Dadurch eignen sie sich besonders für vergleichende Darstellungen und zur Analyse von Trends im Jahresvergleich. Welche Indizes berechnet werden, ist von der strategischen Zielsetzung der MAB abhängig. Die Berechnung der Indizes sollte nicht auf Basis komplizierter Gewichtungsverfahren oder für die Führungskräfte und Mitarbeiter undurchsichtigen Berechnungsvorschriften erfolgen. Ebenfalls sollte im Bericht leicht ersichtlich sein, welche spezifischen Fragen bei der Berechnung der jeweiligen Indizes berücksichtigt wurden.

Handlungsrelevanz

  • Hierarchischer Aufbau: Ein hierarchischer Aufbau des Reportings vom Allgemeinen ins Spezielle ermöglicht, dass die Beteiligten schnell einen Überblick über die zentralen Ergebnisse erhalten. Zu Beginn sollte also zunächst ein grafisch unterstützter, zusammenfassender Überblick über die wichtigsten Themengebiete erfolgen. Gleichzeitig sollte im hinteren Teil des Berichts die Möglichkeit bestehen, Stärken oder Schwächen en détail anhand von Einzelfragen zu analysieren. Dies ermöglicht die leichte Identifikation von übergeordneten Themenfeldern mit kriti-scher Bewertung und potenziell hohem Handlungsbedarf. Im Folgenden kann dann eine schrittweise Präzisierung der Ergebnisse zu den einzelnen Themenfeldern anhand der Einzelfragen erfolgen.
  • Handlungsleitende Darstellungen und Analysen: Ein wichtiges Element der Ergebnisdarstellung ist die Verwendung so genannter Handlungsportfolios. Das Grundprinzip besteht in der Darstellung von vier Quadranten. Dieses Vierfelderschema ergibt sich aus der Erfassung und Abtragung zweier Dimensionen, der Zufriedenheit und des Verbesserungsbedarfs bei einzelnen Themenbereichen einer MAB, an der x- bzw. y-Achse. Zusätzlich wird ein Achsenkreuz, welches den Durchschnittswert des Unternehmens bei allen Themenbereichen wiedergibt, ein-geführt. In Abhängigkeit der Lage der einzelnen Zufriedenheits- und Verbesserungsbedarfswerte im Vergleich zum Achsenkreuz werden konkrete Handlungsfelder sofort deutlich. Die Themenbereiche, die im «roten Quadranten» (niedrige Zufriedenheit/hoher Verbesserungsbedarf) liegen, sollten bei der Ergebnisdiskussion und im Hinblick auf die Ableitung möglicher Massnahmen initial hohe Beachtung erlangen. Das Handlungsportfolio hat sich in der Rückmeldepraxis als wichtiges Element zur Anregung und zur Steuerung der Ergebnisdiskussion bewährt. Ferner können je nach spezifischer Zielsetzung verschiede Variationen dieser intuitiven Darstellung im Rückmeldeprozess Verwendung finden (Madukanya, 2007)
  • Vergleiche und Einordnung der Ergebnisse: Zur Einschätzung der eigenen Schwächen und Stärken und zur Identifikation möglicher Handlungsfelder ist es darüber hinaus notwendig, die Ergebnisse einer MAB in einen Bezugsrahmen zu setzen. Hierbei kommt der Verwendung von spezifischen Vergleichswerten und externen Benchmarks besondere Bedeutung zu. Diese Vergleichswerte leisten unter bestimmten Bedingungen eine wichtige Hilfe zur Interpretation der Daten und somit einen Beitrag zur Angemessenheit abgeleiteter Massnahmen, da sie die Wahrnehmung der Dringlichkeit von Veränderungen durch die Beteiligten selbst um eine externe Perspektive erweitern. Die häufigsten Vergleichswerte innerhalb dezentraler Ergebnisberichte stellt der Vergleich zur übergeordneten Einheit (damit sich jede Abteilung mit dem Durchschnitt relevanter Nachbarabteilung vergleichen kann) und zum Ergebnis des Gesamtunternehmens dar. Bei Folgebefragungen hat der Vergleich bzw. die Darstellung der Veränderung zu den Vorbefragungen das oberste Primat, da dieser Wert im Sinne des Prozesscharakters einer MAB von zentraler Bedeutung ist. Die Verwendung externer Benchmarks im Sinne eines Vergleichs mit den Befragungsergebnissen anderer Unternehmen scheint für die dezentralen Berichte wenig zielführend und sollte lediglich auf höheren Managementebenen Verwendung finden (Müller, 2007).

Zusammenfassend betrachtet hat die Ergebnisrückmeldung eine zentrale Bedeutung für den Erfolg einer MAB. Sie bildet die Schnittstelle zwischen der Datenerhebung und der Massnahmenableitung. Entscheidend ist hierbei die alltagstaugliche und zielgruppenspezifische Aufbereitung der Ergebnisse mit dem Primat der einfachen Verwendbarkeit, leichten Verständlichkeit und der handlungsrelevanten Aufbereitung der Ergebnisse.

Literatur

  • Borg, I. (2000). Führungsinstrument MAB: Theorien, Tools und Praxiserfahrungen. Göttingen: Hogrefe Verlag für angewandte Psychologie.
  • Borg, I., & Zimmermann, M. (2006). How to create presentations that spark actions. In A. Kraut (Ed.), Getting action from organizational surveys. New concepts, technologies and applications. San Francisco: Jossey Bass.
  • Bungard, W. (2005). Mitarbeiterbefragung. In I. Jöns & W. Bungard (Eds.), Feedbackinstrumente in Unternehmen (pp. 161–175). Wiesbaden: Gabler.
  • Madukanya, V. (2007). Das Portfolio. In W. Bungard, K. Müller  & C. Niethammer (Hrsg.), Mitarbeiterbefragung – was dann…? MAB und Folgeprozesse erfolgreich gestalten. Heidelberg: Springer.
  • Müller, K. (2007). Mitarbeiterbefragungsspezifisches Benchmarking und Vergleichswerte. In W. Bungard, K. Müller & C. Niethammer (Hrsg.), Mitarbeiterbefragung – was dann…? MAB und Folgeprozesse erfolgreich gestalten. Heidelberg: Springer.
Kommentieren 0 Kommentare HR Cosmos

Prof. Dr. Walter Bungard habilitierte an der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Köln und ist seit 1984 Inhaber des Lehrstuhls für Wirtschafts- und Organisationspsychologie an der Universität Mannheim. Forschungsschwerpunkte sind u.a. neue Arbeits- und Organisationsformen, neue Technologien in der Arbeitswelt,  Mitarbeiterbefragungen und Vorgesetztenbeurteilungen.

Weitere Artikel von Walter Bungard

Prof. Dr. Karsten Müller war nach dem Studium der Psychologie an der Universität Mannheim und der San Diego State University als Mitarbeiter am Lehrstuhl für Diagnostik, Evaluation und Forschungsmethoden und am Lehrstuhl für Wirtschafts- und Organisationspsychologie der Universität Mannheim tätig. Seit 2007 ist er Inhaber der Juniorprofessur für Wirtschaftspsychologie an der Universität Mannheim.

Weitere Artikel von Karsten Müller